Kapitel 11

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Ich blinzelte einige Male, doch leider war der Fremde immer noch nicht verschwunden.
Das war doch tatsächlich der Junge vom Fluss!

"Oh." sagte dieser nur leise und ließ die Türklinke los. Seine Augen glitten zwischen dem Professor und mir hin und her. "Ich wusste nicht, dass sie..."

Aber der Schulleiter winkte ihn nur weiter in den Raum hinein.
"Ah, Fynn. Gut, dass du da bist."

Er erhob sich aus seinem Stuhl und trat um den Tisch. Reflexartig schnellte ich auch hoch und bereute es nur wenig später. Nun standen wir alle drei unbeholfen im Raum und keiner wusste so recht etwas mit seinen Händen anzufangen.

"Sue, darf ich dir Fynn Gallagher vorstellen? Er ist ebenfalls Schüler dieser Akademie. Wenn ich mich nicht täusche, müsste er dir nicht ganz unbekannt vorkommen, oder?"

Ich starrte weiterhin in Fynns blasses Gesicht, unfähig mich aus dem Bann dieser surrealen Augen zu lösen.

Normalerweise war ich grottenschlecht darin, Augenkontakt zu halten, und wich meistens langen Blicken aus, aber das hier gerade fühlte sich seltsam vertraut an.
Als ob er mir direkt in die Seele schauen konnte.

Gut, so abwegig war das ja anscheinend nicht...

Er hatte aber auch nicht vor, die Verbindung abzubrechen, und schob seine Hände in die Taschen seiner schwarzen Jeans.

So stand er nun da.
Dunkle Sneaker, dunkle Hose, dunkler Kapuzenpullover.
All das stellte aber ein bestimmtes Merkmal besonders heraus:
Silbergraue kurze Haare lugten unter der Kapuze hervor.
Wollte er etwa Professor Kingsley Konkurrenz machen?

Um unseren Staring-Contest zu unterbrechen, gestikulierte dieser unauffällig von Fynn in meine Richtung. Fynn schien den Wink mit dem Zaunpfahl nach einem kurzen Stirnrunzeln zu verstehen und zog die rechte Hand aus der Hosentasche.

Dann hielt er sie mir hin.

Perplex ergriff ich sie, hielt seinem durchbohrenden Blick aber immer noch stand.

Jetzt, wo Fynn direkt vor mir stand, war er doch deutlich größer als ich und ich musste gezwungenermaßen meinen Kopf etwas in den Nacken legen.

Seine Hand war unerwartet warm und ich schüttelte sie langsam.

"Ich bin Sue." brachte ich heraus "aber das weißt du ja wahrscheinlich schon."

Fynn schwieg und neigte seinen Kopf zur Seite.

Der Professor räusperte sich und wir fuhren auseinander.
Damit war auch endlich unser Augenkontakt gebrochen und ich schüttelte meinen Kopf leicht.
Das war... intensiv gewesen.

"Ich hab schon viel von dir gehört." sprach Fynn nun in Zimmerlautstärke und mir fiel seine tiefe Stimme auf. Sie schien den Raum fast schon zum Vibrieren zu bringen und fühlte sich an wie warmer Schokokuchen auf der Zunge...

Wait what?!

Ich gab mir innerlich eine Backpfeife und sah die Welt plötzlich mit anderen Augen. Meinen Augen.
Das war der Dude, der mich letztens so merkwürdig am Fluss angemacht hatte! Für den ich anscheinend noch nicht weit genug gewesen war.
Idiot.

"Tja, sieht so aus, als würdest du doch keine Drogen verticken..." Ich setzte mich so cool wie möglich auf die Lehne meines Sessels und schaute runter auf meine Fingernägel.
"Obwohl... eigentlich ist das immer noch nicht so ganz ausgeschlossen. Wer weiß, was hier sonst noch so abgeht..."

Der Professor musste sich ein Lachen verkneifen.

Fynn zog eine Augenbraue hoch.
"Na, dann hab ich ja jetzt endlich mal Konkurrenz. Soll wohl gut für das Geschäft sein."

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