Kapitel 18

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Das konnte doch jetzt nicht wahr sein.

Da war ich den ganzen Tag hundemüde vor mich hin geschlurft und hatte die Augen vor Erschöpfung kaum offen halten können, und jetzt lag ich hellwach in meinem neuen Bett und an Schlaf war nicht zu denken.

Die Gesamtsituation fühlte sich immer noch surreal an.
In den letzten 24 Stunden hatte sich meine Welt komplett auf den Kopf gestellt und genau so fühlte es sich auch an.
Alles drehte sich und je dunkler es draußen und hier in dem Zimmer wurde, desto mehr hatte ich Angst, wieder in den Schwarzen Raum abzudriften. Es fühlte sich so an, als ob der Professor mit seiner Meditation eine bisher unbekannte Tür in mir aufgerissen hatte, die dann aber leider aufgrund eines orkanartigen Durchzugs nicht mehr zu schließen war.

Es war 21:44 Uhr - das teilte mir der Digitalwecker neben meinem Kopf mit - und das großzügige Zimmer war in dunkelblaues Licht getaucht. Pacifica schnarchte natürlich längst schon neben mir.

Das gemeinsame Mittag- sowie Abendessen war mir zum Glück für heute erspart geblieben.
Nach dem Schock heute vormittag hatte ich noch eine Weile mit Pacifica und Adam im Gemeinschaftsraum gesessen und über Gott und die Welt geredet.
Eigentlich hatten wir uns richtig gut verstanden und ich wusste die Beiden mittlerweile richtig zu schätzen.

Nach einer Weile hatte Pacifica aus einem der Schränke eine angebrochene Packung Kekse gezaubert und uns grinsend angeboten. Besser als nichts, hatten wir befunden und glücklich die Couches vollgekrümmelt.

Nachmittags hatten sie mich noch ein wenig durch das Gelände geführt und in die Geheimnisse der Schule eingeweiht - welche Flügel man betreten durfte und welche nicht, welche Lehrer einigermaßen erträglich waren und welche absolut nicht, und welche dunklen Ecken gerne als Rückzugsorte für... Zusammentreffen jeglicher Art genutzt wurden.

Verlegen hatten sich Adam, wie auch Pacifica, am Kopf gekratzt und waren verräterisch rot geworden. Immer noch stirnrunzelnd dachte ich an die Situation zurück und grübelte, was wohl in der Vergangenheit zwischen ihnen vorgefallen war.
Zwischen ihnen stand mehr als nur eine Freundschaft, das war offensichtlich, aber ich war bis jetzt zu zurückhaltend gewesen, um Pacifica darauf anzusprechen.

Draußen verschwanden die letzten Spuren der Abendsonne und mein Herz fing an, schneller zu schlagen. Ich war es nicht gewohnt, auf dem Land zu wohnen, und schon gar nicht in dieser Abgeschiedenheit. Hier hörte man nachts keine hupenden Autos oder das Dröhnen der Güterzüge und man wurde auch nicht von Straßenlaternen durchs Zimmerfenster geblendet.

Leise kletterte ich aus dem Bett und schlich auf Zehenspitzen zu einem der Fenster.

Aufgewühlt schaute ich nach draußen und legte meine Unterarme auf den Sims.
Wo war ich hier nur gelandet?

Der schwarze Himmel, der über den Baumkronen hervorragte, war übersät mit leuchtenden Sternen und in ihrer Mitte thronte der gleißend helle Mond.
So viele Sterne hatte ich in meinem Leben noch nie gesehen. Die Lichtverschmutzung in der Stadt ließ nur selten einen durchblitzen und ich hatte Sternbilder nur von Astronomie-Büchern gekannt. Doch jetzt entdeckte ich jedes einzelne an dem klaren Nachthimmel.

Ich konnte nicht anders als mit offenem Mund hinauszustarren.
Nicht ein Flugzeug flog über uns.
Dieses Anwesen musste in der absoluten Pampa liegen.

So abgelenkt von der mir bisher unbekannten Natur wäre mir das sanfte Flimmern durch die Äste beinahe nicht aufgefallen. 
Ich kniff die Augen zusammen.

Doch! Tatsächlich!
Da, weit entfernt und nur gerade so sichtbar, konnte ich ein gelbes Flackern erkennen.

Aber dort waren doch nur Wald und Bäume, oder?

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