Kapitel 13

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Ungefähr eine Stunde später regte sich wieder etwas im Bett neben mir.

Ich hatte mittlerweile den ganzen Kleiderschrank eingeräumt und es mir auf meinem eigenen Bett bequem gemacht, wo ich nun im Schneidersitz saß und in die Luft starrte.
Wie zur Hölle sollte ich all das, was ich heute gehört hatte, verarbeiten...
Und es war noch nicht mal 8 Uhr morgens!

Pacifica drehte sich qualvoll auf den Rücken und starrte ebenfalls an die Decke. "Leben ist anstrengend."

Noch nie hatte ich eine Aussage so sehr gefühlt.

Plötzlich fixierte sie mich und runzelte die Stirn. "Was machst du eigentlich noch hier? Willst du nicht frühstücken gehen?"

Sie musste mir die Überforderung von den Augen ablesen.
"Du hast keine Ahnung, wo du hin musst, stimmts?"

"Nope."

"Toll, jetzt darf ich auch noch Tourguide spielen..." Sie sah zu dem Wecker auf ihrem Nachttisch. "Ich glaube, wir haben es sowieso gerade verpasst. Adieu, Pancakes mit Blaubeeren...
Na ja, ich geh eh nie frühstücken. Warum wertvolle Zeit verschwenden, in der ich genauso gut noch schlafen könnte?"

Sie war offensichtlich - sehr offensichtlich - Langschläferin und hatte ihren Schlafrhytmus so gar nicht im Griff.
Ich war chronische Frühaufsteherin, was fast an einer ernsthaften Insomnia grenzte. Wenn ich um 23 Uhr ins Bett ging, war ich schon um 5 Uhr hellwach, ohne wirklich ausgeschlafen zu sein. Ein Fluch.

"Ist das hier ein Gemeinschafts-Essen? Also so generell?"

Pacifica streckte einen Daumen in die Luft. "Aber sowas von. Alle in einem Raum und das Essen darf man sich auch nicht mit aufs Zimmer nehmen. Und es wird erwartet, dass man sich dabei auch noch unterhält. Ugh."

"Wie", ich überlegte, "schrecklich."
Eventuell hatte ich immer noch ein kleines bisschen Angst vor ihr.

Immerhin wollte ich es mir auf gar keinen Fall mit meiner neuen Zimmerkameradin verscherzen, so einschüchternd sie auch war. Diese sarkastische Art war auf der anderen Seite auch ehrlich und unverblümt und das konnte ich im Moment ganz gut gebrauchen.
Besser, als dieses verständliche Gesülze und behutsame Gedöns, das ich mein ganzes Leben lang hatte ertragen müssen.

Was, deine Eltern haben dich einfach so beim Kinderheim abgeliefert? Ohne Erklärung oder Reue? Du armes, armes Kind...

Wenn ich ihnen dann noch eröffnete, dass ich sie sogar hatte ausfindig machen wollen und Kontakt suchend erfahren hatte, dass sie kurz darauf beide bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren, war es gänzlich um sie geschehen und ich wurde nur noch bemitleidend angeglotzt.
Ganz tolles Gefühl.

"Glaub mir, der Tag beginnt definitiv entspannter, wenn du dich nicht in die Höhle der Löwen da unten begibst..."
Pacifica war mittlerweile tatsächlich aufgestanden und betrachtete sich in ihrem kleinen Wandspiegel.
Dabei rieb sie sich müde die Augen und summte leise vor sich hin.
Routiniert griff sie zu einer Haarbürste und glättete ihre leicht verknoteten Haare.
"Ich will dir ja keine Angst machen oder so..."

Ich schluckte.

"... aber es kann am Anfang ziemlich unangenehm sein, die anderen Schüler hier kennenzulernen. Viele von uns sind... ich will nicht sagen merkwürdig, aber das trifft es eigentlich ganz gut.
Ich meine, hallo, die meisten hier können theoretisch deine Gedanken lesen! Und ein Viertel der Schüler Erinnerungen von dir sehen und deine Wahrnehmung manipulieren...
Ganz zu schweigen von den paar Helden, die dich gegen die Wand klatschen könnten, wenn sie wollten. Ohne auch nur einen Finger zu heben."

"Alter, du kannst einen echt nicht beruhigen, weißt du das?" Ich stand frustriert auf. "Wie zur Hölle funktioniert so eine Schule? Wenn hier alle jeden in irgendeiner Weise fertig machen können, kann das doch nur in Chaos enden!"

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