Kapitel 20

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Dieser miese...

Er hatte die ganze Zeit gewusst, dass ich hinter dem Baum gestanden hatte?!

Oh Gott, wie unangenehm.

"Ich weiß nicht, was du meinst." erwiderte ich schnippisch und fuhr mir durch die zerzausten Haare.

Fynn schmunzelte nur und blickte zu Boden. Anscheinend hatte er auch noch die Dreistigkeit, lieber zu schweigen und mich den Anderen zu überlassen.

Henry äußerte sich als erster von ihnen, wobei er sich geschmeidig an einen Baum lehnte und seine weißen Zähne aufblitzen ließ.
"Was macht ein hübsches Mädchen wie du so allein in diesem dunklen Wald? Und dazu noch in einem so schicken Outfit..."

Ich versteinerte und mir fiel siedend heiß ein, dass ich ja gerade noch in meinem Bett gelegen hatte.

In einer viel zu großen Pyjamahose und einem weiten, weißen T-Shirt.
Ohne BH.

Einen panischen Blick nach unten später atmete ich erleichtert auf und strich mir den dicken Pulli glatt, den ich in letzter Sekunde noch übergestreift hatte. Er war zwar knallgrün und mit mit dem Spruch "Ich bin Doris" verziert, aber ersparte mir eine weitere Peinlichkeit...
Ach herje, wann hatte mir Charlotte denn dieses Modeverbrechen in die Tasche gelegt?

"Schön, dich kennenzulernen... äh, Doris." grinste Henry und ich verzog nur vor Scham mein Gesicht. "Ein außergewöhnlicher Name für ein so schönes Gesicht... Bemerkenswert."

Ich starrte ihn ungläubig an. Was wollte der denn jetzt von mir? Ich hatte keine Ahnung, ob er gerade kläglich an einem ernsthaften Flirt-Versuch scheiterte, oder mich einfach nur auf den Arm nehmen wollte.

"Doris..." betonte Fynn mit einem bedeutungsschwangeren Blick zu Henry, "hat hier gerade absolut nichts zu suchen und anscheinend einen ungesunden Drang, sich nachts irgendwo hinzuschleichen. Und das, obwohl ihr gesundheitlicher Zustand gerade zu wünschen übrig lässt.
Wie war das nochmal mit dem Ohnmächtig-Werden?"

Ich reckte mein Kinn in die Höhe und verschränkte die Arme. "Was macht ihr hier überhaupt?"

Henry räusperte sich, während sich das Pärchen tief in die Augen blickte.

"Wir-" fing Victor an, wurde aber sofort von seiner anhänglichen Freundin zum Schweigen gebracht.
"Ich glaube nicht, dass dich das etwas angeht." entgegnete Lilith süßlich, wobei sie ihre braunen Rehaugen zu mir aufschlug und ein gekünsteltes Lächeln aufsetzte.

Die beiden gaben äußerlich ein perfektes Paar ab: Lilith, das brave, unschuldige Mädchen, dass mit ihren roten Backen und den goldenen Locken für jede Werbekampagne ausgewählt werden würde, und Victor, der geleckte Hemd-Träger, der durch seine Brille und der perfekten Frisur gleichzeitig Vermögenserbe und Intelligenzbestie sein könnte.

Hinter dieser Bilderbuch-Beziehung steckte allerdings, meiner Meinung nach, eine sehr toxische Abhängigkeit, wo Lilith ganz klar die Zügel in der Hand hielt, sich aber trotzdem gerne als die Schutzbedürftige ausgab.

"Aber-" wollte ich protestieren, doch Fynn trat einen Schritt nach vorne, packte mich am Handgelenk und senkte seinen Blick.

Mein Atem stockte und ich hob langsam meinen Kopf, um in sein Gesicht schauen zu können. Plötzlich war ich mir jedes Zentimeters meines Körpers bewusst und ich fühlte mein Herz heftig in der Brust hämmern. Obwohl mein Pulli lange Ärmel hatte, ruhten Fynns warme Finger auf der schmalen Stelle, an der meine Haut doch noch hervorblitzte.

"Ich bring dich lieber mal zurück", sagte er leise, "bevor dich deine geistige Verwirrtheit noch in eine andere, viel brenzligere Situation bringt."

"Was soll mir hier im Wald schon begegnen...", antwortete ich ebenso gedämpft und traf endlich seinen durchbohrenden Blick, "außer natürlich Werwölfe, Vampire oder... ich weiß nicht, eine Gruppe mysteriöser Jugendlicher, die nichts Besseres zu tun haben, als fragwürdige Substanzen zu verbrennen, und nebenbei Mitglieder einer Telepathie-Sekte sind."

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