Kapitel 24

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Sie haben dich gesehen, Sue.

Dumpf hallten Fynns Worte in meinen Ohren nach.

Wie du dort mitten im Hof standest, kurz bevor sich der Tod ausgebreitete.

Ich kniff die Augen zusammen und hoffte, damit alle Bilder der verstörten Gesichter meiner Mitschüler ausblenden zu können.

Nervös zuckte mein rechtes Knie immer wieder hoch, als ich das Gesicht in meinen kalten, nass geschwitzten Händen vergrub.

Den Geruch der abgestandenden Luft noch immer in der Nase, war es mir selbst in dieser gekrümmten Position nicht möglich, den Ereignissen zu entkommen, die sich vor wenigen Stunden ereignet hatten.

Natürlich half es mir auch nicht, seit einer halben Ewigkeit in diesem trostlosen Raum warten zu müssen, bis ich die Konsequenzen meiner angeblichen Tat erfahren würde. Na ja, Zelle traf es besser.

Die Wände waren kahl, weiß und Projektionsfläche für die vielen Szenarien, die ich mir bereits ausmalte. Die Oberfläche der Liege, auf der ich nun saß, brannte sich eiskalt durch meine dünne Kleidung und hielt mich hellwach.

Ich hatte nur einmal an der schweren Metalltür gerüttelt, kurz nachdem mich ein wie immer emotionsloser Fynn hier abgeliefert hatte. Sie war verriegelt gewesen.

Also ja, ich befand mich in einer Zelle.

Für etwas, dass ich nicht einmal selbst begangen hatte.

Also war es wohl kein Wunder, dass mein Bewusstsein konstant nach einer Erklärung für dieses offensichtliche Missverständnis suchte.

Was sollte das überhaupt bedeuten, Sie haben dich gesehen?
Hatten die Anwesenden wirklich mein Gesicht erkannt, oder war da nur jemand gewesen, der mir ähnelte?

Und wie kam es, dass sich zufällig niemand in dem sonst so belebten Garten draußen aufgehalten hatte, als "ich" meinen Anschlag verübt hatte?

Je länger ich grübelte, desto sicherer wurde ich mir, dass ich mir absolut nichts vorzuwerfen hatte. Egal, was irgendjemand gesehen haben sollte - ich konnte physisch nicht dort gewesen sein.

Ich versuchte meinen schnellen Herzschlag mit tiefen Atemzügen zu beruhigen.

Ich wusste gar nicht, was das hier sollte. Warum wurde ich hier festgehalten, eingesperrt?
Ich war doch keine Kriminelle, Professor Kingsley konnte es bezeugen. Und er war doch derjenige, der hier das Sagen hatte.

Doch was war, wenn ich zwar nicht physisch zu so etwas im Stande war, aber-

Mein Blick schnellte nach oben und wurde von dem grellen Licht an der Decke geblendet. Meine Augen, mein Gehör und alles andere sensible an mir war überreizt und gleichzeitig todmüde.

Ein lautes Klacken schallte durch die Zelle und ich war schneller als gedacht auf meinen Beinen und nicht sicher, was mich wohl erwartete.

Ich schluckte und sagte mir immer wieder, dass ich nichts falsch gemacht hatte. Sie würden mich ja wohl nicht bestrafen, ohne sich meine Seite der Geschichte anzuhören.

Komisch, dachte ich mir, dass mir auf einmal so viel an meinem Schicksal lag. Dass mir mein Ansehen an dieser merkwürdigen Schule doch irgendwie wichtig war.

In meiner Vergangenheit hatten mir die zahlreichen Disziplinarverfahren immer recht wenig ausgemacht. Ich hatte keine Hobbys, die ich durch Nachsitzen verpasst hätte. Keine Freunde, die ich bei Hausarrest vermissen würde.
Deswegen hatten mich Situationen wie diese hier immer relativ kalt gelassen.

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