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Park Jimin
Freitag, 7:30

«Wusstet ihr, dass Mr. Min Yoongis Vater ist?»
«Natürlich.»
Ich sah etwas verdattert zu Hoseok, der gerade die Tür aufstiess und sie für unsere kleine Truppe aufhielt, während wir alle hindurchschlüpften.
«Wusstest du das etwa nicht?», wollte Jungkook mit geneigtem Kopf wissen.
Ich warf die Hände in die Luft. «Woher denn auch?»
Die kühle Luft des Schulflurs umhüllte uns und kühlte meinen erhitzten Körper angenehm herunter. Trotz der frühen Morgenstunde brannte die Sonne auf mich nieder, als ich in die Schule getrampelt war. Ein leichter Schweissfilm hatte sich über meinen Oberkörper gelegt und mein Gesicht sah bestimmt nicht besser aus, geschweige denn meine Haare. Ich musste unbedingt vor der ersten Stunde noch einen Blick in den Spiegel werfen.

«Na ja, als er unsere Klasse übernahm, hatte er es einmal erwähnt.»
Ich sah zu dem Jüngeren. «Und du merkst dir so was?»
«Natürlich, er war so stolz», Jungkook zuckte mit der Schulter und zog sein Handy aus der Hosentasche. Nicht zum ersten Mal, wie mir auffiel, liess er den Bildschirm aufleuchten, steckte das Smartphone jedoch etwas geknickt wieder weg, als er wohl nicht das zu sehen bekam, was er sich erhofft hatte.
Ich zischte verächtlich. «Trotzdem hätte mich Yoongi gerne vorwarnen können. Es war verdammt unangenehm, an diesem Küchentisch zu sitzen und zu essen.»
«Mit Yoongi oder mit Mr. Min?» Jin grinste mich auf eine Weise an, die mir sagte, dass er sich Mal wieder Dinge einbildete, die er sich besser zügig wieder aus dem Kopf wischen sollte.

«Mit beiden», schnaubte ich, sah meine Freunde dabei jedoch nicht an, denn um ehrlich zu sein, war die Zeit mit Yoongi alles andere als unangenehm gewesen. Auch wenn ich mich selbst dagegen sträubte, musste ich mir dennoch eingestehen, dass ich es genossen hatte, mit dem Älteren zusammen zu sitzen und die Ruhe in seinem gemütlichen Zimmer und die des Jungen selbst auf mich wirken zu lassen. Darum zermarterte ich mir auch mehr als mir lieb war den Kopf darüber, wie es zu einem solch rapiden Ende des Nachmittags kommen konnte. Ich ging in meinem Bett immer wieder unsere Unterhaltung durch, konnte mir jedoch keinen Reim darauf machen, warum Yoonigs Stimmung so urplötzlich gekippt war.

«Hallo? Erde an Jimin», ein Fuchteln vor meinem Gesicht riss mich aus meinen Gedanken. Ich ordnete die schlanken, mit Ringen geschmückten Fingern Jungkook zu, der rückwärts vor mir her ging und mir wohl gerade eine Frage gestellt hatte, die jedoch nicht bis zu mir durchgekommen war.
Ich räusperte mich und umfasste fest die Riemen meines Rucksacks, als könnte ich so mein Gehirn davon abhalten, wieder in die Weiten meiner seit gestern umso wirreren Gedanken einzutauchen, und dort um einen schwarzhaarigen Jungen herum zu tänzeln, nur um sich zu fragen, warum ausgerechnet jener auf einmal den Mittelpunkt meines Denkens bildete. «Was ist los?»

«Ob du etwas von Taehyung gehört hast, habe ich gefragt?», wiederholte sich Jungkook.
Ich schüttelte den Kopf. «Er hat mir nur geschrieben, dass er sich nicht so gut fühlt und heute lieber Zuhause bleibt.»
«Also hast du doch etwas von ihm gehört.»
Ich verdrehte schnaubend die Augen und boxte dem dämlich grinsenden Besserwisser, namentlich Kim Seokjin, in den Oberarm. Der Ältere zischte, vergass den Schmerz jedoch schon im nächsten Moment, da Namjoon ihm den Arm um die Hüfte legte und ihn tadelnd durch die Haare wuschelte.
«Klugscheisser», murmelte er und beobachtete entzückt, wie die Wangen seines Freundes eine rosige Farbe annahmen.

«Also wird er wohl morgen auch nicht kommen. Schade, gestern ging es Tae Tae doch noch gut.» Jungkook liess die Schultern hängen und am liebsten hätte ich den Jüngeren an eben diesen gepackt und einmal ordentlich durchgeschüttelt, ihm dabei zu erklären versucht, warum Tae sich heute nicht gut fühlte und von der Schule fernblieb.
Ein Blick zu meinem besten Freund verriet mir, dass der Rothaarige wohl gerade das gleiche dachte. Hoseok schüttelte den Kopf und warf mir einen ratlosen Blick zu, was ich nur mit einem Schulterzucken quittieren konnte.

«Wir sehen uns in der Pause.» Jin und Namjoon schlugen mit uns ein, bevor sie in ihrem Klassenzimmer verschwanden, welches kurz vor der Jungs Toilette war, die wir Verbliebenen nun betraten. Ich stiess die Tür auf und knallte beinahe mit jemandem zusammen.
«Machst du das etwa mit Absicht Jimin?»

Die Stimme erkannte ich sofort. Ich sah hoch und begegnete Min Yoongis dunklen Augen. Sie hüllten mich ein und ich bekam nur nebenbei mit, wie sich Hobi und Jungkook bedeutungsvolle Blicke zuwarfen und sich in die Kabinen verzogen.
«Tauchst du mit Absicht immer da auf, wo ich bin?», ich wollte dem Älteren gar nicht so dumm kommen, doch meine Worte klangen wütender als gewollt, woran meine Erinnerungen an gestern Abend wohl nicht ganz unschuldig waren.

Yoongi zischte genervt und wollte sich an mir vorbei zur Tür drängen, doch ich hielt ihn davon ab, indem ich ihn am Oberarm festhielt. «Was ist los?», fragte ich, jetzt etwas leiser und vorsichtiger.
Der Junge spannte sich unmerklich an. Der Wut war Erschöpfung gewichen und mein Gefühl sagte mir, dass ausnahmsweise nicht ich daran schuld war.

«Ist etwas passiert?», ich dachte daran, dass Mr. Min sich Gestern mit Neuigkeiten bei seinem Sohn angekündigt hatte und Yoongi auf einmal gewirkt hatte, als hätte er Angst vor dem Gespräch, das sein Vater mit ihm führen wollte. Waren es schlechte Neuigkeiten? Stimmte etwas nicht? Und warum wollte ich das genau wissen? Min Yoongis Leben konnte mir egal sein. Doch wieso hatte ich auf einmal das Bedürfnis, den Jungen in den Arm zu nehmen, um ihm somit zu sagen, dass alles wieder gut wurde.

Ich krallte mich in die Riemen meines Rucksacks, um meine zuckenden Fingern davon abzuhalten, dem Älteren die schwarzen Strähnen aus den Augen zu streichen.
Kurz glaubte ich, Yoongi würde sich mir tatsächlich anvertrauen, doch als die Klospühlung erklang, zuckte er zusammen und funkelte mich wieder wie zuvor mit dunklen Augen an. «Was interessiert es dich, Park Jimin?»

Jungkook trat aus der Kabine und sah gebannt zwischen Yoongi und mir hin und her, als wäre er bereit für einen grosse Show. Bestimmt hatte er, während er auf Toilette war, sich bemüht, nichts von unserer Unterhaltung zu verpassen, wollte jetzt aber auch noch Augenzeuge für einen unserer erneuten Streite werden.
Mein Blick zuckte hin und her. Von der surrenden Neonröhre an der Decke, über meine Finger zu Yoongi und wieder zurück auf meine Hände. So viele Worte lagen mir auf der Zunge, doch ich wagte es nicht, sie entweichen zu lassen. Denn gesprochen war gesprochen und beim Versuch, sie wieder einzufangen und zurückzunehmen, würden sie mir nur durch die Finger gleiten und umso deutlicher zwischen uns schweben.Verhöhnend, da ich noch nicht einmal selber wusste, was sie zu bedeuten hatten.

Also marschierte ich stumm an dem Älteren vorbei und verschwand in der frei gewordenen Kabine. Ich warf die Tür hinter mir zu und lehnte mich daran, während ich mir durch meine ohnehin viel zu wirren Haare fuhr.

Die Worte, die vorher noch in meinem Kopf herum gesurrt hatten, waren auf einmal verschwunden und zurück blieb nur ein einziger Gedanke, auf den ich vergeblich nach einer zufriedenstellenden Antwort suchte.
Das wüsste ich zu gern, Min Yoongi. Warum interessiert es mich?


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Ein kurzes Kapitel, das an meinem viel zu kurzen (!) Wochenende entstanden ist ...

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