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Min Yoongi
Mittwoch, 12:00

Ich zog meine Schutzbrille aus und platzierte sie ordentlich neben der meines Laborpartners. Mein Kopf dröhnte leicht aufgrund des Rauches unseres letzten Experimentes - mehr Rauch als im Chemiebuch stand– und mein Bauch knurrte, als verlange er lautstark nach Aufmerksamkeit.

Jung Hoseok grinste mich amüsiert an. «Da braucht wohl dringend jemand etwas Zuneigung.»
Ich schnaubte bloss und schlüpfte aus meinem Laborkittel. Hoseok als Laborpartner zu haben war Fluch und Segen zugleich. Der Junge hatte wohl die reinste Seele der Welt und schon ein Zucken seiner Mundwinkel liess meine Stimmung heben, doch was Chemie anging, hatte mein Gegenüber noch einiges zu lernen.
Dennoch konnte ich nicht leugnen, wie dankbar ich dem Rothaarigen war, als er sich heute bereitwillig als meinen Partner zur Verfügung stellte und mich somit nicht wie viele Male zuvor allein dastehen liess.

«Ich glaube eher, er beklagt sich über die zu grosse Menge Schwefel, die du in unser Reagenz gemischt hast» und somit den ganzen Raum zum Stinken gebracht hast. Doch die Worte musste ich nicht aussprechen. Der Junge wusste genau, wovon ich sprach. Roch es selbst.

Der Rothaarige brach in schallendes Gelächter aus und auch ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. «Chemie war noch nie meine Stärke, doch so etwas ist selbst mir noch nie passiert», brachte er keuchend hervor, während er sich dem weissen Kittel entledigte und ihn an den dafür vorgesehen Haken aufhängte.

Der Grossteil der Klasse war bereits aus dem Labor gestürmt, gelockt von dem himmlischen Gedanken an Mittagessen und als selbst Hoseoks Magen lautstark knurrte, meinte dieser immer noch grinsend: «Wir sollten schleunigst unsere Bäuche zufriedenstellten. Komm, die anderen warten bestimmt schon auf uns.»

Uns. Bloss ein kleines Wort und dennoch zergingen die drei Buchstaben auf meiner Zunge wie zarte Schokolade. Der Gedanke, dass Hobi mich so selbstverständlich in der Freundesgruppe dazuzählte, bedeutet mir mehr, als ich mir zugestehen konnte. Trotzdem liess sich der Kloss im Hals nicht vermeiden, als wir nebeneinander den Raum verliessen. Ein Kloss aus Zweifeln und schlechtem Gewissen.

Kurz vor der Mensa hielt uns eine vertraute Stimme davon ab, den Raum zu betreten. «Yoongi, Hobi!», Jimin eilte an den Schülern vorbei, die orangen Haare zerzaust. Leicht musste ich schmunzeln. Ich sah den Jungen förmlich vor mir, wie er sich während der Prüfung regelmässig die Haare raufte.

Der Jüngere stiess zu uns und sein ernster Blick liess mein Grinsen jedoch sofort schwinden. Er schlug mit Hobi ein und sein Freund nickte knapp, als hätten sich die beiden ohne Worte unterhalten und betrat die Mensa. «Ich reservier euch eine Portion Reis», warf er noch über die Schulter und dann waren wir allein.

Der aufgelöste Junge hielt mir ein Zettelchen vor die Nase. «Ist das ein Ja?»
Ich verstaute nervös die Hände in der Hosentasche. Wollte er das jetzt hier klären? Vor all den anderen Schülern?

Ich wollte zum Sprechen ansetzten, doch Jimin unterbrach mich sofort. «Wenn ja, dann treffen wir uns am Sonntag bei mir, die andern kommen auch. Wir stopfen uns mit Chips voll, Essen so viel Pizza wie wir können und mit etwas Glück führe ich dich in meine liebsten Marvel Filme ein.»

Ich war sprachlos, musste dennoch leicht schmunzeln. Hauptsächlich um das verräterische Brennen meiner Augen zu überspielen.
«Bleibt mir bei diesem Angebot überhaupt noch etwas anderes übrig?», versuchte ich möglichst locker zu antworten, doch Jimin hatte mich durchschaut und grinste breit.
«Ich wusste, du würdest dich darüber freuen», er boxte mich spielerisch in die Schulter und drehte sich zur Mensa. «Um 15:00 Uhr bei mir!»

Ich blieb reglos im Flur zurück. Mein Herz raste und meine Hände waren schweissig, zum Glück hielt ich sie in meiner Hosentasche verborgen. Hatte ich tatsächlich in Jimin einen Freund gefunden? Der Junge, der bloss Basketball und Videogames im Kopf zu haben schien, hatte tatsächlich meine ganze Welt umgekrempelt und gezeigt, wie schön es sein konnte, einfach zu leben. Und ebendieser Junge blieb im Türrahmen stehen und meinte grinsend: «Kommst du Yoongs, oder willst du, dass Tae sich an unserem Mittagessen vergreift?"

--- Freitag, 22:00 ---

Die restliche Woche verlief ruhig. Ohne die Nachhilfestunden mit Jimin ging ich nach der Schule immer direkt nach Hause., auch wenn mich Jimins Freunde fragten, ob ich mit ihnen noch etwas auf dem Basketballplatz abhängen wollte. Aber ich wusste, dass ich klein anfangen sollte. Ich durfte mich nicht in die Sache reinstürzen und am Schluss enttäuscht sein. Sie enttäuschen.

Doch die Mittagessen und Pausen mit den Jungs taten mir gut. Nach und nach verstand ich, wie sie tickten, wurde warm mit Jins dämlichen Dad-Jokes und gewöhnte mich daran, die Zeit in der Schule nicht mehr allein zu verbringen.

Doch auch Jimin und seine Freunde schienen sich immer mehr an meine Anwesenheit zu gewöhnen. Sie drängten mich nicht dazu, ihnen etwas aus meinem Leben zu erzählen, doch wenn sie merkten, dass ich etwas zu sagen hatte, hörten sie mir zu und gaben mir so das Gefühlt, wichtig zu sein.

Am Freitagabend verbrachte ich die meiste Zeit mit Lesen, merkte jedoch, wie ich immer mehr mit den Gedanken abschweifte. Morgen würde ich die neue Freundin meines Vaters kennenlernen. Und es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, Jimins aufmunternde Ich-drück-dir-die-Daumen-Nachricht hätte mich nicht etwas beruhigt, aber dennoch wollte ich mich am liebsten unter der Decke verkriechen und so tun, als würde das Ganze nie passieren.

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