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Park Jimin
Mittwoch, 06:30

Wie ein Irrer klammerte ich mich an meine Kaffeetasse. Die Sonne war zwar schon über den Horizont gekrochen und tauchte die kleine Küche in goldenes Licht, doch der Schlaf nagte noch immer an meinen Knochen.

Nachdem ich mich gestern Nacht von der einen Seite auf die andere gedreht hatte, ein Abstecher vor den Kühlschrank gemacht hatte und schliesslich wieder ruhelos im Bett gelandet war – jetzt aber mit Schokoladencreme im Magen - brachte mich Rosés Nachricht endlich auf andere Gedanken.
Es war ein einfaches Hey, doch ich stürzte mich auf dieses kleine Wort wie ein Ertrinkender auf dessen Rettungsanker. Wir schrieben bis tief in die Nacht und unterhielten uns über allerlei. Der Nachmittag wich langsam aus meinen Gedanken und Müdigkeit nistete sich an dessen Stelle ein.

«Na guten Morgen Jimin», erklang die trällernde Stimme meiner Mutter, kurz bevor sie mir durch die Haare wuschelte und einen Schmatzer auf dem Kopf platzierte.
Ich war zu müde, um zu protestieren und liess es geschehen.

«Bist du bereit für die grosse Prüfung?», plapperte sie weiter und räumte laut scheppernd eine Pfanne aus dem Küchenschrank.
«Mhm», grummelte ich bloss.
«Du solltest Yoongi zum Essen einladen. Er ist so ein lieber Junge.», sie zwinkerte mir zu und ich verdrehte bloss die Augen. Ich wusste doch gar nicht, ob Yoongi überhaupt noch Zeit mit mir verbringen wollte. Auch wenn er mir gestern mit Ach und Krach gesagt hatte, er würde sich zu Mittag an unseren Tisch setzen, hiess das noch lange nicht, dass es zwischen uns so war wie vorher. Verzweifelt strich ich mir eine nervige Haarsträhne aus der Stirn und schüttete mir den letzten Schluck Kaffee in den Mund.

Ich stellte die Tasse auf den Tisch, im gleichen Moment klingelte mein Handy und der Bildschirm leuchtete auf. Ehe meine Mutter einen neugierigen Blick darauf werfen konnte, hatte ich es schon in der Hand und war auf direktem Weg zur Haustür.
«Tschüss!», rief ich meiner Mutter noch zu und schlüpfte in meine Schuhe.
«Viel Glück Jimin, hab dich lieb!», rief sie zurück, und nach dem ich ihre Worte erwidert hatte, liess ich die Tür hinter mir zufallen. Auf dem Weg zum Fahrrad öffnete ich Rosés Nachricht.

Rosé:
Guten Morgen Jimin, hast du gut geschlafen?
06:40

Ich grinste und bevor ich auf mein Rad stieg, schickte ich dem Mädchen eilig eine Antwort.

Wunderbar, wie sollte es auch anders sein.
6:42

Ich verstaute mein Handy in der Hosentasche und trat in die Pedale. Die Bewegung tat meinen Muskeln gut und der Fahrtwind schien meinem Kopf einen Moment eine Pause zu gönnen. In Gedanken ging ich jede Matheformel durch, die ich in den letzten Tagen gepaukt hatte und war erstaunt darüber, an wie viele davon ich mich tatsächlich noch erinnerte.

Viel zu schnell tauchte das grosse, triste Schulgelände vor mir auf und ein breit grinsender Taehyung erwartete mich an den Fahrradständern.
«Was gibt's da zu grinsen?», Ich schloss mein Rad ab und merkte, wie mich die gute Laune meines Freundes ansteckte.
«Tu nicht so, als wüsstest du es nicht», mein braunhaariger Freund wackelte mit den Augenbrauen, doch ich guckte ihn bloss verständnislos an.
Tae legte mir seufzend den Arm um die Schulter und führte mich Richtung Eingangstür.

«Ich habe heute Morgen gehört, wie Kai aus Namjoons Klasse mit Jisoo darüber geredet hat, dass Lisa erfahren hat, dass du und Rosé am Samstag ein Rendezvous habt. Wann wolltest du mir davon erzählen, du kleiner Schlawiner.» Mein Freund schmollte, konnte das Grinsen dennoch nicht verbergen, als ich baff mitten im Schulflur stehen blieb. Tatsächlich hatte ich am Abend zuvor das Mädchen gefragt, ob sie mit mir ausgehen wolle, doch dass sich diese Neuigkeit innerhalb wenigen Stunden wie ein Lauffeuer verbreiten würde, hätte ich nicht erwartet.

«Zuerst möchte ich betonen, dass wir nur ins Kino gehen und zweitens, mein Lieber», ich wand mich aus den Fängen meines Kumpels, «hast du geschwiegen wie ein Grab, während du dich nach und nach immer mehr in deinen besten Freund verschossen hast.»
Taehyungs Mund ploppte auf, doch sofort begann der Junge wieder zu strahlend und hakte sich dämlich lächelnd bei mir unter. «Das ist nicht zu vergleichen. Ich hatte eine Existenz-Krise und hinterfragte meine ganze Freundschaft zu Jungkook. Aber du, Chim, gehst mit dem heissesten Mädchen der Schule aus!»
Ich schüttelte bloss lachend den Kopf.

Auf dem Weg zum Klassenzimmer klopfte mir ein Junge aus der unteren Stufe – Jun? Jong? Wie hiess er noch gleich? – auf die Schulter und meinte zwinkernd: «Wie fühlt es sich an, im Spiel des Lebens ganz vorne zu sein?»
Ich zuckte bloss bemüht lässig mit der Schulter und bog um die Ecke.

«Chim, Taetae!», ein dunkelhaariger Wirbelwind stürmte auf uns zu und schon warf sich Jungkook seinem Freund in die Arme. «Ihr glaubt nicht, was passiert ist!», sprudelte der Jüngere sofort los.
«Lass mich raten: Jimin hat ein Date! Und bevor du fragst. Ja, das stimmt, aber nein, es ist kein Rendezvous, sondern nur ein Kinofilm», warf ich ein und Jungkook sah mich verständnislos an.
«Ähm nein. Meine Katze erwartet Junge.»
Taehyung kicherte und platzierte seinem Freund einen verträumten Schmatzer auf die Wange, während ich mir verlegen durch die Haare fuhr. «Naja, das wäre mein zweiter Tipp gewesen.»

Tae zwickte mir belustigt in die Seite. Ich quiekte auf und mein Freund wandte sich kopfschüttelnd an den Jüngeren und fragte ihn über die heissesten Neuigkeiten aus.
Ich spürte, wie sich meine Wangen erhitzen und senkte schnell den Blick, bis mir plötzlich Jungkook in die Seite stiess. «Ich glaube, da will dich jemand sprechen.»

«Rosé?» Ich hob den Kopf, doch neben unserer Klassenzimmertür stand nicht die blonde Schönheit, sondern Yoongi. Er trug wie immer dunkle Jeans und eine graue Kapuzenjacke, darunter ein weisses Shirt mit der Aufschrift Nevermind. Bei dem Anblick musste ich leicht schmunzeln, und dennoch hüpfte mir das Herz beinahe aus der Brust. Wartete Yoongi wirklich auf mich? Was hatte er mir zu sagen?

Langsam schritt ich auf ihn zu und musterte den Jungen. In der einen Hand hielt er eine kleine Papiertüte und die andere hatte er in den Taschen seiner Jacke verborgen. Die Haare waren leicht zerzaust und er sah aus, als wäre auch ihm nicht viel Schlaf vergönnt gewesen.
«Hey Yoongi», grüsste ich und hob zögerlich die Hand.
«Hallo Jimin»
Kurz herrschte schweigen und ich räusperte mich. «Ich habe jetzt meine Geschichtsprüfung.» Mit dem Kopf deutete ich auf das Klassenzimmer und der Schwarzhaarige nickte.
«Ja», war alles, was er sagte.

Innerlich rang ich mit mir, da waren so viele Fragen. Doch einmal ausgesprochen konnte man sie nicht mehr zurücknehmen. «Wie geht es deinem Knie?», fragte ich also stattdessen.
«Gut, es hat aufgehört zu bluten.»
Diesmal war ich derjenige, der einfach nur nickte.

Der Ältere hob die Hand mit der Tasche und reichte sie mir. Ich runzelte die Stirn. «Was ist das?»
«Dein Shirt von gestern. Gewaschen», meinte er und versuchte sich an einem zögerlichen Lächeln. «Und Namjoons Hoodie, welcher er mir an seiner Party geliehen hat.»
Leise musste ich kichern. «Mein Shirt steht die besser als mir, du solltest es behalten», platzte es aus mir heraus und kaum hatte ich die Worte gesprochen, weiteten sich meine Augen.
Yoongi hüstelte verlegen und senkte seinen leicht erröteten Kopf.

«Also dann», versuchte ich mich hastig zu retten, «bald fängt die erste Stunde an.»
«Ja», Yoongi räusperte sich. Er nahm die andere Hand aus der Jackentasche und drückte mir einen kleinen Zettel in die Finger. Noch bevor ich ihn fragen konnte, was das war, war er mit einem knappen Nicken um die Ecke verschwunden.

Ich sah mich um, der Flur war leer, also öffnete ich mit erhitzen Wangen das Papier und las die mit Kugelschreiber gekritzelten Worte:

Viel Glück du Hohlbirne.
Denk dran, Columbus war Italiener, nicht Spanier!
PS: ich freue mich auf die Pizza ;)

Ich hob den Blick und sah auf die Stelle, an der der Junge eben noch stand.
Oh Yoongi, wie lange wirst du noch ein Mysterium für mich bleiben?

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