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Park Jimin
Montag, 12:05

Mein Herz donnerte gegen meine Brust. Was sich wie eine Ewigkeit anfühlte, mussten nur ein paar Sekunden gewesen sein. Ich löste mich von dem Jungen und blickte in seine weit geöffneten Augen. Schockiert berührte ich meine Lippen mit den Fingerspitzen. Da war immer noch das Kribbeln, die weichen Knie, das Flattern in meinem Bauch.

«Jimin», hauchte Yoongi. Der Junge hatte einen Schritt rückwärts gemacht und hielt sich mit der einen Hand an dem noch immer geöffneten Spind fest.
«Ich -», mir fehlten die Worte. Hart und unnachgiebig setzte die Realität sein. Hatte ich alles kaputtgemacht? «Tut mir leid», nuschelte ich und wie der grösste Feigling drehte ich mich um und rannte aus dem Korridor.

Ich hatte Yoongi geküsst!

Die Spinde neben mir verschwammen, als ich mich durch die Gänge schlängelte, bis endlich eine Tür vor mir auftauchte, die mich ins Freie führte. Frische Luft füllte meine Lungen, klärte jedoch nicht meine Gedanken. Ich rannte einfach weiter. Es war mir egal, ob mich jemand sah. Sollten sie sich doch denken, was sie wollten!

Am Rande des Pausenhofs machte ich Halt und setzte mich hinter eine grosse Eiche auf den von der Sonne und Hitze getrockneten Rasen.
Ich zog meine Beine an und verbarg mein Gesicht in den Händen. Erst als ich etwas Nasses zwischen meinen Fingern spürte, merkte ich, dass mir eine Träne entwichen war. Hatte ich jetzt einen Freund verloren?

Ich wusste nicht, wie viel Zeit verstrichen war. Das Summen meines Handys ignorierte ich, bestimmt waren es meine Freunde, die sich fragten, wo ich abblieb.
Irgendwann hörte ich das Knirschen von Schritten auf dem dürren Gras. «Jimin?»

Ich zuckte zusammen, war aber dennoch erleichtert, als es Hobi war, der sich neben mich setzte und den Arm um mich legte. Wenn es jemanden gab, den ich jetzt an meiner Seite brauchte, dann meinen besten Freund.

«Möchtest du mir sagen, was passiert ist?», fragte er vorsichtig.
Ich schüttelte den Kopf, das Gesicht immer noch verborgen von meinen Händen. «Ja... nein...», meine Stimme war gedämpft und ich wusste nicht, ob mein Freund mich überhaupt hören konnte, also hob ich den Kopf. «Ich weiss nicht», schniefte ich.

Hobi lächelte sanft und wischte mir eine weitere Träne von der Wange. «Ist etwas mit Yoongi vorgefallen?»
Ich nickte. «Hast du ihn gesehen?»
«Er hat vorhin ziemlich überstürzt die Schule verlassen.»

Ich strich mir mit dem Unterarm über die Augen, setzte mich in den Schneidersitz und zupfte frustriert einzelne Grashalme aus der Erde. «Ich habe ihn geküsst.»
Mein Freund schien nicht allzu überrascht, er nickte bloss und sah mich abwartend an.

«Und jetzt ist alles zerstört. Er wird nie wieder mit mir reden wollen.» Wieder kullerte eine Träne über meine Wange und wütend wischte ich sie mir vom Gesicht.

«Hat er denn etwas in diese Richtung gesagt?» Hobis Stimme war gefasst und er sah mich ernst an.
«Er hat gar nichts gesagt. Ich bin einfach weggerannt», mein Verhalten war mir auf einmal schrecklich peinlich. «Wie kann ich das wieder gutmachen, Hobi?»

«Ich glaube, du solltest herausfinden, was du willst.»
Ein weiteres Grasbüschel landete vor meinen Füssen. «Ich will das nicht. Ich will einfach, dass es wieder so wird wie am Anfang.»
Hobi nahm mich erneut in den Arm und meinte ruhig. «Wir wissen beide, dass das nicht mehr geht. Vielleicht ist es Zeit, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen.»
Ich schüttelte den Kopf. «Das trau ich mich nicht.»

Wir sassen noch einige weitere Minuten schweigen nebeneinander, bis sich mein Freund erhob und mich mit sich auf die Füsse zog. Nachdem er mir versichert hatte, dass man mir meine dämlichen Tränen nicht anmerkte, betraten wir die Mensa und gesellten uns zu unseren Freunden.
Ich würgte mein Mittagessen runter, die Gespräche der Jungs nur Hintergrundmusik meiner flatternden Gedanken.

Herausfinden, was ich will ...
Ich wollte mich dieser Frage nicht stellen, also drängte ich sie in den Hintergrund meines Denkens.

—-

«Tschüss Chim, bis morgen», Jungkook hastete zum wartenden Bus und liess mich an den Fahrradständern zurück. Der Nachmittag war an mir vorbei gestrichen, ohne das mir wirklich bewusst war, was passierte. Das Einzige, woran ich dachte, war die Tatsache, dass Yoongi gemäss Hobis Nachricht nicht mehr in der Schule aufgetaucht war. Und das nur wegen mir ...

Ich wollte nur noch nach Hause, mich unter meiner Bettdecke verkriechen und mit niemandem mehr sprechen, doch gerade als ich mich auf mein Rad setzen wollte, sprach mich eine weibliche Stimme an.

Innerlich zuckte ich zusammen. Rosé hatte ich in dem ganzen Durcheinander ganz vergessen. Ich wusste nicht, ob ich dieses Gespräch wirklich jetzt führen konnte, doch schon stand das blonde Mädchen vor mir. Sie schloss mich in eine Umarmung und fing sofort an zu plappern. «Wie geht es dir? Ich habe noch viel über letzten Samstag nachgedacht. Wir sollten uns wieder treffen. Es war so schön mit dir.»

Das schlechte Gewissen setzte wieder ein und ich beschloss, ehrlich zu sein. «Rosé, ich glaube, das wird nichts.»
Sie weitete ihre Augen, die dazu noch verräterisch zu glitzern begannen. «Was meinst du damit?»
Wenn sie jetzt weinte, wie konnte ich ihr noch eine Abfuhr erteilen? «Versteh mich nicht falsch. Unser Date war wirklich nett, aber ...» falsches Wort, begriff ich, als sich Rosés Stirn krauste.

«Ich verstehe», murmelte sie und eine Träne kullerte über ihre Wange.
«Bitte weine nicht», ich machte einen Schritt auf das Mädchen zu, doch sie wich zur Seite.
«Wer ist es?», schniefte die Blondine.
«Da ist niemand», versuchte ich verzweifelt das Mädchen zu besänftigen, doch jetzt überliefen ihre Tränen und sie schluchzte leise. Verzweifelt sah ich mich um und bemerkte die anklagenden Blicke der anderen Schüler.

«Dann ist das zwischen uns wohl vorbei», ihre Stimme zitterte und ich nickte leicht, hielt meinen Blick jedoch gesenkt. Darum sah ich auch nicht kommen, was Rosé als nächstes tat. Gerade wollte ich erneut zum Sprechen ansetzten, da lagen ihre Lippen schon auf meinen. Ich schreckte zurück und umklammerte mein Rad. «Wofür war das?», keuchte ich.
«Mein auf Wiedersehen», flüsterte sie und dann rannte sie davon, bevor ich noch etwas sagen konnte.

Die Leute um mich herum steckten tuschelnd die Köpfe zusammen. Mit eingezogenem Kopf trat ich in die Pedale. Ich konnte nicht schnell genug zuhause ankommen.

look here - YoonminWhere stories live. Discover now