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Min Yoongi
Samstag, 18:00

Die Klingel ertönte und ich warf meinem Vater einen nervösen Blick zu. Dieser lächelte aufmunternd und stand vom Sofa auf, um Mira die Tür zu öffnen. Jetzt war es also so weit. Ich würde sie kennenlernen. Die Frau, die meinem Vater neuerdings den Kopf verdrehte.

Ich hatte am Nachmittag ein langes Gespräch mit meinem Vater geführt, bei dem ich ihm alles erzählte, wieso ich am Samstag so überstürzt das Haus verlassen hatte und auch heute schon den ganzen Tag nervös im Haus herum tigerte. Der Mann hatte mich nur traurig angeschaut und mich in eine feste Umarmung geschlossen. Er hatte sich entschuldigt, dass es mir so schlecht ergangen war mit seiner letzten Freundin, mich aber auch gerügt, warum ich ihm nicht schon früher davon erzählt hatte. Zum Schluss hat er mir noch das Versprechen abgerungen, sofort zu ihm zu kommen, wenn etwas dergleichen wieder vorkommen sollte.

Im Flur war eine Frauenstimme zu vernehmen. Sie war warm und freundlich und liess mich sogar das zerknautschte Zierkissen loslassen, welche ich die letzten zehn Minuten makaber bearbeitet hatte.

Ich stand langsam auf und gerade in dem Moment betrat mein Vater das Wohnzimmer, eine braunhaarige Frau neben ihm. Sie war etwas kleiner als er, trugt Jeans und eine mit bunten Farben geblümte Bluse. Sie reichte mir die Hand und ich verneigte mich eilig.

«Hallo Yoongi, freut mich, dich endlich kennenzulernen», meinte sie, als sie meine Hand wieder losliess. «Dein Vater hat mir viel von dir erzählt.»
Ich sah mit erhobener Braue zu dem Mann neben ihr, doch dieser hob nur abwehrend die Hände. «Du bist mein voller Stolz, was sollte ich deiner Meinung nach sonst tun?»

Ich schüttelte den Kopf und drückte meinen Rücken durch. «Möchtest du dich setzten?», fragte ich an unseren Besuch gewandt. Sie nickte lächelnd und folgte mir zu der Sofaecke. Hinter ihr nickte mir mein Vater dankend zu und ich schenkte ihm ein vorsichtiges Lächeln.

«Ich hole uns etwas zu trinken», brummte er und ich war mit der Frau allein. Ich liess mich ihr gegenüber auf dem Sessel nieder und betrachtete verlegen meine Hände.
«Dein Vater hat mir erzählt, du liest gerne», begann Mira das Gespräch, «ich habe früher Tag und nach mit Büchern verbracht.»
Froh über dieses Thema liess ich meine Schultern etwas sinken. «Mein Vater hat mich von klein auf mit Büchern aufgezogen. Und jetzt sind sie kaum noch wegzudenken.»

Die Frau lächelte und nickte dann. «Harry Potter kann ich fast auswendig.»
Ich richtete mich auf. «Das sind meine Lieblingsbücher.»
«Ach ja?» Mira sah mich überrascht an und begann dann verschmitzt zu grinsen. Sie neigte sich etwas nach vorne und stütze das Kinn auf ihre Hände. «Team Harry oder Team Malfoy?»
«Malfoy!», meine Antwort kam ohne zu zögern. Mein Gegenüber hob zustimmend den Daumen und sie war mir sofort sympathisch.

«Da habt ihr wohl schon ein gemeinsames Thema gefunden, auch wenn mir Malfoy Anhänger nicht so ganz geheuer sind.» Mein Vater betrat das Wohnzimmer mit einer Flasche Wein unter dem Arm und drei Gläsern in der Hand. «Ausnahmsweise kriegst du auch etwas», meinte er zwinkernd zu mir, während er eins der Gläser auf dem Couchtisch vor mir platzierte. Er schenkte uns allen ein und zu dritt stiessen wir an. Irgendwie fühlte es sich gar nicht so falsch an, wie ich erwartet hatte.

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«Ich kann nicht mehr», beklagte sich Mira seufzend und lehnte sich auf dem Stuhl zurück, die Hände auf dem gefüllten Bauch verschränkt. Mir ging es nicht anders. Mein Vater hatte sich heute ordentlich ins Zeug gelegt und ein prächtiges Abendessen aufgetischt. Wie ich Miras Blick entnehmen konnte, hatte sie sich bei dem Anblick von neuem in den Mann verliebt. Das Essen verlief entspannt und Mira erzählte viel von ihrer Arbeit als Lektorin, berichtete von spannenden Manuskripten, die es nie bis zur Veröffentlichung schafften oder lustigen Fanfictions, die auf ihrem Pult gelandet waren.

Entweder hatte mein Vater ihr erzählt, wie sie mich für sich gewinnen konnte – mit Büchern – oder der Draht, den wir beide ziemlich schnell zueinander hatten, sollte so sein. Ich sah meinem Vater an, wie froh er darüber war, dass wir uns verstanden.
Doch auch wenn es sich richtig anfühlte, zu dritt in der kleinen Küche zu sitzen und über dies und das zu plaudern, war noch immer dieser kleine, nagende Zweifel. Was ist, wenn sie mich nicht so akzeptiert wie ich bin?

Mein Vater hatte mir versprochen, dass Mira kein Problem mit meinen sexuellen Interessen haben wird, aber trotzdem war da noch immer diese offene Wunde, über die ich mit niemandem sprach, die mich zweifeln liess. Genäht, aber nicht verheilt.
Ich schüttelte den Kopf. Der Rotwein schien meine Gedanken zu trüben. Jetzt wollte ich bestimmt nicht an das zurückdenken.

Ein Blick auf die Küchenuhr verriet mir, dass schon kurz vor elf war und auch Mira schien es eben aufgefallen zu sein.
«Oje, schon so spät», sie richtete sich auf und stellte ihr leeres Geschirr zusammen. «Ich helfe dir noch aufzuräumen und dann sollte ich meinen Bauch in Frieden verdauen lassen.»

Sie blieb nicht über Nacht bei uns? Ich wusste, ich würde dies noch bereuen - und es war sicherlich auf den Rotwein zurückzuführen, von dem ich definitiv zu viel hatte - aber hallo! Ich sah auffordernd meinen Vater an und er neigte erst verwirrt den Kopf. Erst als ich unauffällig auf die Frau deutete, die die Spülmaschine einräumte, als wohne sie schon seit Jahren hier, schien er zu begreifen. Der Mann stand auf und nahm ihr das Geschirr ab. «Ich werde das morgen machen», meinte er und stellte es hinter sich auf die Küchenablage. «Und du hast zu viel Wein getrunken, als dass ich dich jetzt noch nach Hause fahren lasse.»

Mira kicherte, schien aber dennoch etwas unsicher. Beide blickten sie fragen zu mir.
«Ihr seid erwachsene Menschen und müsst bestimmt nicht meine Erlaubnis dafür einholen», ich hob die Hände und stand auf.
Mein Vater lachte und warf mir einen dankbaren Blick zu.
«Gute Nacht ihr zwei.» Ich war mir sicher, ab heute Mira öfters in unseren vier Wänden anzutreffen.

Ich schleppte mich die Treppe in mein Zimmer hoch – dieser Wein setzte mir deutlich zu - und legte mich schliesslich seufzend auf mein Bett, schloss meine Augen und hoffte auf den Schlaf.
Doch er kam nicht. Plötzlich war ich hellwach und nachdem ich meine Zähne geputzt hatte und wieder unter der Decke lag, war das Letzte, was ich wollte, zu schlafen.

Verzweifelt drehte ich mich auf den Rücken und betrachtete die Dielen. War es wirklich so einfach? War mein Leben tatsächlich wieder auf die richtige Schiene gekommen? Erst Jimin, der unverhofft und plötzlich in mein Leben purzelte, gefolgt von seinen quirligen Freunden und jetzt Mira, die nicht nur die Augen meines Vaters endlich wieder zum Strahlen brachte, sondern auch mir das Gefühl gab, angekommen zu sein.
Ohne gross darüber nachzudenken, griff ich nach meinem Handy und öffnete Jimins Chat.

Ich habe sie kennengelernt.
23:20

Jimin
Wie ist es gelaufen?
Bist du zuhause?
Darf ich dich anrufen?
23:21

Ich zögerte nicht und tippte atemlos meine Antwort

Ja
23:21

Ich nahm den Anruf mit belegter Stimme entgegen. «Hallo Jimin»

Scheisse, zu viel Wein.

«Hallo Yoongi, geht's dir gut?»

Eindeutig zu viel ...

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