Am nächsten Tag bringt man mir Wasser und etwas zu Essen. Man ist so gnädig und nimmt mir die Fesseln wieder ab, während ich esse. Zuerst stürze ich mich auf die Wasserflasche und trinke sie ganz aus. Danach stürze ich mich auf das Essen. Die Typen, die um mich herumstehen und Wache halten, schauen angeekelt weg. Mich juckt das kein bisschen. Wie gesagt, meine Haltung gegenüber Essen hat sich hier drin geändert. Ich bin froh, dass ich endlich etwas zwischen die Zähne bekomme. Bis auf den letzten Krümel esse ich alles, denn wer weiß, wann ich wieder etwas zu Essen bekomme.
Man gewährt mir einen Toilettengang, aber nicht mehr. Als ich meine Hände wasche, schaut mich eine Fremde aus dem Spiegel an. Gestern hatte ich keine Zeit, mein Spiegelbild zu betrachten. Meine Wangenknochen stechen hervor, weg ist das Babyfett und dunkle Schatten breiten sich unter meinen Augen aus. Während man mich wieder auf den Stuhl fesselt, schaue ich voller Verlangen auf das Bett an der Wand und auf die zehn Linien.
Ich erinnere mich noch an den Tag, an dem ich den zehnten Strich in die Wand geritzt habe. An dem Tag ist Zedd verschwunden. Danach ist alles nur noch den Bach runtergegangen.
Wie viele Tage sind es wohl jetzt geworden. Fünfzehn? Zwanzig?
Nachdem die Männer sich verzogen haben, schaue ich zum Horizont. Ich spiele das Gespräch mit Zedd immer und immer wieder in meinem Kopf ab. Immer und immer wieder und analysiere jedes Wort, dass er mir ins Gesicht geworfen hat.
Eins steht fest. Zedd ist nicht mehr Zedd. Alfredo und Cynthia sind seine Puppetmaster und lassen ihn tanzen. Anders kann ich es mir nicht erklären. All diese Jahre hat Zedd friedlich mit uns zusammen gelebt. Dann taucht diese Furie mit ihrem kranken Vater auf und Zedd ist ausgewechselt.
Das schlimmste ist, dass er glaubt mein Vater und ich hätten ihn hintergangen. Dass wir Tante Viktoria vor ihm verstecken. Ich glaube ihm kein einziges Wort. Mein Vater würde niemals so etwas widerwärtiges tun.
Es tut weh, es zerreißt mir das Herz, dass Zedd uns so hintergangen hat. Obwohl wir ihm unser warmes Zuhause geöffnet haben, ihn wie unsere Familie geliebt haben.
Meine einzige Hoffnung ist der Anhaltspunkt, den ich meinem Vater gegeben habe.
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Am nächsten Tag steht Cynthia vor mir, ihre roten Lippen zu einem breiten Grinsen gezogen.
"Guten Morgen." trällert sie.
"Ich habe mich schon gefragt, wann du dich blicken lässt." antworte ich ihr. "Wo bleibt dein Vater? Ist er nicht mitgekommen?"
Sie ignoriert meine Frage und setzt sich auf den Stuhl, den der Stuhlträger vor mich stellt. "So sieht man sich wieder, liebe Skylar."
"Was willst du Cynthia?" wir beide liefern uns einen Blickduell.
"Wie ich sehe, bist du noch nicht gebrochen." sie sieht fast schon enttäuscht aus. "Ich dachte, wenn du die Wahrheit erfährst, wärst du am Boden zerstört. Schade."
"Welche Wahrheit?" frage ich, obwohl ich die Antwort darauf kenne. Sie grinst nur wissend und schlägt die Beine übereinander. Ich bin hier klar im Nachteil. Gefesselt und seit Tagen nicht geduscht sitze ich ihr gegenüber. Sie ist natürlich perfekt geschminkt und der Minirock und die Bluse, die sie trägt, schmeicheln ihrer Figur. Kein Haar sitzt falsch. Dafür sorgen mehrere gut platzierte Haarnadeln. Natürlich ist das alles intendiert. Alles kalkuliert. Cynthia liebt es im Vorteil zu sein und sich überlegen zu fühlen.
"Ich habe dir doch gesagt, dass Zedd nicht auf dich steht. Du hast dir solche Hoffnungen gemacht."
"Ich weiß, dass ihr Zedd diesen Scheiß eingeredet habt. Auf eure Tricks falle ich nicht rein." meine Stimme ist beherrscht, wofür ich dankbar bin, wenn man bedenkt, dass ich ihr liebend gern einen Stuhl in die Fresse schleudern würde. "Du hast mich in dem Freizeitpark angegriffen, oder?"
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My Bodyguard and Me
Romance"Du hast mich entführt!" "Ja, liebe Skylar." Er grinst mich an. Seine dunklen Augen funkeln. "Und es war so einfach." Diese Wahrheit prasselt wie Hagel auf mich nieder. Hagel in Golfballgröße. Meine Brust schnürt sich zu. Ausgerechnet der Mensch, d...