Zweiter Zwischenteil

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Zähneknirschend schleppte sich Mr Moran die letzten paar Meter zu seinem Privatwagen, welcher auf einem der vielen Parkplätze bei den Fabrikgebäuden stand. Es war nicht die Tatsache, dass er verwundet war, welche ihn aufregte, sondern die, dass er fahrlässige Fehler begangen hatte. Fehler, die von einem Ersttag-Auszubildenden stammen könnte. Und das führte zu seiner Verletzung. Diese war zwar nur oberflächlich, bereitete dem grossen Mann trotzdem Schmerzen beim Gehen. Vor allem jetzt, da das Adrenalin seine Wirkung verlor.

Ächzend liess er sich auf den Fahrersitz des bereits etwas in die Jahre gekommenen, silbernen Occasionswagen fallen, nachdem er die Tür geöffnet hatte. Er schaute auf sich hinab. Sein Mantel war ruiniert, vermutlich auch sein darunterliegendes Jackett und Hemd, doch dies war seine kleinste Sorge. Er hatte seinen Hut auf seiner Flucht verloren. Ein Fehler, der nicht einmal einem Ersttag-Auszubildenden stammen könnte, korrigierte er sich in Gedanken. Warum hatte er diesen mitgenommen? Er wusste es nicht recht. Vielleicht kam es davon, dass er es sich gewohnt war, immer eine Kopfbedeckung zu tragen. Er fühlte sich sicherer damit, auch wenn es hier nun nicht mehr darauf ankam.

Den Hut hatte er in einem kleinem Laden in der Altstadt von Lizburry gekauft, ein Unikat, handgefertigt. Mit diesem würde sich vermutlich relativ leicht herausfinden lassen, dass er der Besitzer war. Normalerweise hätte er sich nie sowas gekauft – schon gar nicht persönlich – und ihn dann noch auf eine Mission mitzunehmen, das schrie ja förmlich nach Dummheit. Trotzdem versuchte Moran eine Erklärung für sein bizarres Verhalten zu finden. Wahrscheinlich lag es daran, dass er seit Jahren auf keiner Mission war und seine Kenntnisse in Vergessenheit gerieten. Es war eine inoffizielle, aber es war eine. Und irgendwie hat es alte Erinnerungen in ihn aufgeweckt. Schöne, aber auch nicht so schöne.

Rasch schob er sie beiseite. Als erstes würde er sich darum kümmern, dass er seine Wunde versorgen liess. Um alles andere, so auch die Konsequenzen seiner Unachtsamkeit, würde er sich später Gedanken machen. Er hatte nicht einmal das Ziel seiner Mission erreicht. Eigentlich gab es also nicht viel. Wobei er sagen musste, dass er nicht einkalkuliert hatte, dass Richard tatsächlich in der Gaststätte wohnte. Sein Agent hatte ihm also nicht die ganze Wahrheit mitgeteilt. Nur konnte er sich nicht erklären, warum Wyatt dies nicht tat. Er hatte zwar kein besonders gutes Verhältnis zu ihm, er empfand seinen neuen Agenten nicht als besonders zuverlässig. Disziplin fehlte ihm auch. Aber er war der einzige gewesen, welcher zur Verfügung stand. Nun hatte er den Salat.

Der grosse Mann drehte den Schlüssel um und startete den Motor, bevor er den Weg zum Headquarter der AII einschlug, welcher im Vorort Reeve von Lizburry lag.

Eine halbe Stunde später fuhr er durch das grosse Eingangstor des Hauptquartiers der Agency for Intelligence Investigation. Noch war er gut in der Zeit dran, allerdings wusste er nicht, wie lange die Versorgung seiner Wunde dauern würde. Schliesslich hatte er noch ein Treffen mit dem Leiter der Operation Seastorm, James Murphy. Dies würde in einer halben Stunde sein.

Gähnend parkte er seinen Privatwagen in der Tiefgarage der Agency und machte sich auf den Weg nach oben, um die Krankenstation aufzusuchen, während er seinen Schal auf die Wunde am Bauch presste. Jetzt wusste er nicht, was unangenehmer war. Die Müdigkeit, welche ihn überfiel, oder die Verletzung. Schliesslich war er seit etwas mehr als 20 Stunden auf den Beinen und hatte keinen einzigen Kaffee getrunken. Der Tag war definitiv zu viel und zu lang, selbst für ihn.

Die Krankenstation war im Westflügel des riesigen Gebäudekomplexes einquartiert, aber meist war sowieso tote Hose dort. Von den Kapazitäten her waren die Spitäler in Lizburry nicht überlastet, ausserdem befand sich direkt eine Meile vom HQ entfernt das Militärspital, in welchem die meisten behandelt wurden, von denen die Öffentlichkeit nicht wissen sollte. Politische Gegner, Schwerverbrecher.

Am Abgrund der Zeit | Band IWhere stories live. Discover now