Kapitel 28 | Meilin

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Einige neugierige Blicke treffen den Ausbildungsleiter, als wir gemeinsam zum Ausgang des Bahnhofs laufen. Zuerst müssen wir durch den Sicherheitsckeck. Moran folgt den Anweisungen der Sicherheitsleute Folge und ich wundere mich, ob er Nasmosisch kann oder rät, was sie sagen. Wir werden wieder länger bei der Passkontrolle aufgehalten, als mir lieb ist, aber sie lassen uns passieren. Die Bahnhofstrasse löst ein Gefühl der Nostalgie in mir aus, als wir aus dem Gebäude treten. Ich suche die Haltestelle, wo die Tramlinie 17 hält, die zum Tiefbauamt fährt. Es ist 16:27, das nächste Tram sollte in drei Minuten fahren. In dieser Zeit sollte ich die Haltestelle schleunigst finden. Mein Begleiter hält auch nach der Ausschau, ich entdecke sie schlussendlich zuerst. Ohne ein Wort an ihn zu richten, laufe ich los und bereue dabei, nicht den rollenden Koffer mitgenommen zu haben, denn meine Sporttasche fühlt sich jetzt ziemlich schwer an.

Zwanzig Minuten später hält das Tram vor dem Gebäude des Tiefbauamtes. Ich steige aus, habe die Tasche Moran überlassen, dieser wird noch eine Station weiterfahren. Als ich draussen bin, höre ich seine Stimme aus dem Kopfhörer, die mir viel Erfolg wünscht. Das Teil juckt. Ich könnte antworten, schliesslich habe ich ein Mikrophon an der Innenseite meines Jacketts befestigt, welches mein Schal und Mantel verdeckt, aber das ist nur für Notfälle, hat er mir eingetrichtert.

Schnellen Schrittes gehe ich zur Rezeption des Amtes und krame das richtige Vokabular hervor. Nasmosisch ist zwar meine Muttersprache, da ich sie aber nicht so oft benutze, habe ich einen limitierten Wortschatz.

„Guten Nachmittag, ich suche eine gewisse Meilin Mhebric", meine ich, als ich an den Schalter trete.

„Wir schliessen in zehn Minuten", erwidert die Frau mit der Brille und Perlenkette dahinter.

„Ja, dann habe ich noch zehn Minuten", sage ich. „Ich habe einen Termin."

Die Brillenschlange seufzt und gibt etwas in den Computer ein, bevor sie, ohne zu mir zu schauen, entgegnet: „Bei Meilin Mhebric ist kein Termin eingetragen."

„Was ist mit mir?", fragt auf einmal eine Frauenstimme hinter mir. Ich drehe mich um und schaue eine etwa zwanzig Jahre ältere Meilin Mhebric als die auf dem Foto an. Die schwarzen, von grauen Strähnen durchzogenen Haare sind zu einem Knoten hochgesteckt, ihrer Kleidung nach zu schliessen, scheint sie gehen zu wollen.

„Der junge Herr hier meint, einen Termin mit Ihnen zu haben", sagt die Frau hinter dem Schalter und rückt ihre Brille zurecht. „Er hat offensichtlich keinen."

„Nein, hat er nicht", merkt Meilin an und mustert mich skeptisch. „Wie heisst du?"

„Richard Mhebric. Ich suche meinen Vater."

Ihr Gesichtsausdruck ändert sich, ob zum Guten oder Schlechten weiss ich nicht, aber der Name scheint etwas in ihr auszulösen. Eine Regung.

„Vielleicht ist das ein schlechter Ort, um die Sache auszudiskutieren", meine ich. „Wollen wir in die Seerose gehen?"

Die Frau mittleren Alters schaut zuerst zum Empfang, dann zu mir. Sie nickt. „In Ordnung."

Ohne dass ein Wort zwischen uns fällt, gehen wir aus dem Gebäude. Sie scheint zu wissen, wo das Café liegt und geht voran, ich versuche an ihrer Seite zu bleiben. Sie ist etwas kleiner als ich, selbst mit den Absätzen. Wir treten ins Warme des Ladens und ich lasse meine Blick durchs Lokal streifen, um nach dem Ausbildungsleiter Ausschau zu halten. Er sitzt hinten in der Ecke und hat Kopfhörer drin, womit er vermutlich unsere Konversation abhört.

Wir lassen uns zwei Tische von ihm entfernt nieder und ich versuche, ihn möglichst zu ignorieren. Sofort kommt eine Kellnerin und fragt uns nach der Bestellung. Ich nehme einen Espresso, sie einen Chai-Tee. Schnell verschwindet die Bedienung wieder. Ich ziehe meinen Mantel aus und hänge diesen über die Lehne des Stuhles. Die Frau faltet ihre Hände und schaut mich mit ihren dunklen Augen ernst an. Ihre Haut zieren einige blasse Sommersprossen, die sie versucht hat zu überschminken.

Am Abgrund der Zeit | Band Iजहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें