Kapitel 8 | Alte Geheimnisse

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Verdammte Scheisse!

„Einsteigen", befiehlt mir eine tiefe, männliche Stimme. Ich fasse mir an die Stirn und seufze. Warum zum Teufel? Ich wollte durch nur ins Sunshine und eine Sekunde später versucht man, mich zu kidnappen. Was ist das denn für eine verrückte Welt? Da mir keine andere Wahl bleibt – naja, eigentlich habe ich immer die Wahl, aber ich habe nur nicht so Lust, wie ein Spaghettisieb auszusehen – öffne ich die Tür und steige in den schicken Schlitten ein. Ist das ein Modell, welches überdurchschnittlich von Entführern benutzt wird, oder warum sehe ich solche Wagen immer in Filmen?

„Ich habe keine Ahnung, was Sie von mir wollen, aber von meiner Alten werdet ihr kein Lösegeld erpressen können", brumme ich und schnalle mich an. Das ist das erste, was ich mache, nachdem ich in einen Wagen eingestiegen bin. Falls Idioten doch mal gegen einen Pfosten fahren. Nun sehe ich endlich ins Gesicht meines Kidnappers. Glatzkopf, Totenkopftattoo an der Schläfe, mindestens zwei Meter gross. Heuern sie denn schon MMA-Champions für die Drecksarbeit an? Denn ich könnte schwören, dass ich den Typ schon mal im Boxring im Fernsehen gesehen habe.

Natürlich habe ich Angst, aber was bringt mir das? Hätten sie mich tot sehen wollen, hätten sie mir einfach einige Kugeln im Vorbeifahren verpassen können. Und ja (wenn ich gerade für eine Erpressung entführt werde) ich sehe aus wie ein verdammter Sohn von einem reichen Schnösel, zumindest von hinten. Aber dann könnte ich einfach Sergio dazu überreden, das Lösegeld in MDMA-Pillen zu bezahlen. Er hat ja unzählige davon. Okay. Halt. Nein. Was male ich mir denn für bizarre Szenarien aus? Als wäre Sergio zu meinem Boyfriend geworden oder so.

Der MMA-Champion hat immer noch nichts gesagt, weshalb ich einfach mal annehme, dass er nicht in mein Gebrabbel interessiert ist. Mir auch lieber so. Ich hätte besseres zu tun, als Drohungen anzuhören. Ich habe einfach keinen Bock mehr auf die Scheisse! Irgendwelche verdammten Einbrüche, kryptische Nachrichten von einem Verstorbenen, das wird mir alles zu viel. Mein Blick huscht zur Tür und ich frage mich, wie Stuntleute einen Sturz aus einem fahrenden Wagen überleben. Rollen sie sich ab oder was?

„Verdammte Scheisse, was wollt ihr Idioten von mir?", platzt es aus mir heraus. „Jagt mir doch eine Kugel durch den Kopf, ich habe sowieso niemanden, der für mich Geld bezahlen würde!"

Dass diese Worte jemals aus meinem Mund kommen, hätte ich nicht gedacht, aber irgendwie ist es die Wahrheit. Sergio ist aktuell die Person, die mir am nächsten steht und ich bezweifle, dass er seine Karriere als Hobbychemiker und Drogendealer für einen dahergelaufenen Jungen wie mich aufs Spiel setzen würde. Es macht mich unfassbar wütend, dass diese zwei Männer mich in einen Wagen gedrängt haben. Alles, was ich jemals wollte, war ein Leben in Frieden, ohne Gedanken an den Krieg, ohne die langen Abende im Black Jack, wo ich Bücher gelesen habe statt für Prüfungen zu lernen. Diese Zeiten sind vorbei und ich wollte sie definitiv nicht in meinem neuen Leben haben. Und jetzt... hocke ich in einem kack Wagen und weiss nicht einmal, was die von mir wollen.

Wieder bekomme ich keine Antwort. Ich atme tief durch und schliesse meine Augen. Falls sie mich doch erschiessen wollen, weil ich ihnen zu sehr auf den Nerv gehe. Aber es passiert nichts. Als ich meine Augen öffne, sehe ich, dass der Glatzkopf die Waffe weggesteckt hat. Beide haben bisher auf der Fahrt kein einziges Wort mit mir gesprochen. Ich frage mich, was mit ihnen falschläuft. Ob sie bei der Geburt fallengelassen worden sind und sich den Kopf angeschlagen haben. Das möchte ich nämlich glauben.

Ich kneife die Augen zusammen. Es bereitet mir Kopfschmerzen, so starke, dass die Angst irgendwann verfliegt. Warum sollte ich überhaupt Angst haben? Was kann mir geschehen, wenn ich noch am Leben bin? Seufzend reibe ich mir über die Schläfen. Ich hätte es wissen müssen. Mein Leben lief seit gestern Abend wie am Schnürchen, natürlich musste es irgendwann eine andere Richtung einschlagen. Oder ist es Schicksal? So wie es meinem Vater den Tod gebracht hat, so soll es mir nun das Unheil bringen? Lächerlich.

Am Abgrund der Zeit | Band IWhere stories live. Discover now