Kapitel 2 | Nichts ist so, wie es war

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Eine knappe halbe Stunde später, zugeschneit und kaputt, trete ich ins Black Jack ein. Natürlich begrüsst mich der Zigarettenqualm als erstes. Und das klapprige Klavier, auf welchem ein alter Mann, dessen Namen ich nicht kenne, spielt. Die Bar versetzt mich direkt einige Jahre in die Vergangenheit. Die schwach ausgeleuchteten Tische, die alte Theke, noch aus Holz, die stickige Luft. Alles erinnert mich an früher. Aber vielleicht ist es auch gut so.

Den Koffer und die Gitarre stelle ich neben dem Eingang hin und hoffe, dass niemand darüber stolpert, bevor ich auf den Tresen zusteuere, hinter dem ein Mann gerade einige Gläser in die Regale einräumt.

„Was darf's sein?", fragt er und wendet sich zu mir. Sein Gesicht ist mir neu. Davor, wobei ich das letzte Mal vor zwei Jahren hier war, stand jemand anderes hinter der Theke. Thorne. Ich frage mich, wo der wohl ist, und lasse mich auf einen Hocker nieder, als mein Blick hinter ihn auf die Auswahl der Spirituosen fällt.

„Ein grosses Dunkles vielleicht", erwidere ich, wobei ich merke, wie meine Stimme versagt. Ich schüttle den Kopf und rolle mit den Schultern. „Ja... ja, das nehme ich."

Der Barkeeper hebt eine Augenbraue, sagt aber nichts und schnappt sich ein Glas, welches er unter den Zapfhahn hält, um ihn zu füllen. Die Musik vom Klavier im Hintergrund wird schneller, ehe sie langsam wieder an Tempo abnimmt. Ich schliesse meine Augen. Bin ich echt verdammt müde! Ich gähne und lege meinen schweren Kopf auf den Tresen. Hier und jetzt könnte ich einschlafen.

„Hallo?", fragt die Stimme des Bartenders auf einmal und schreckt mich aus meinem Sekundenschlaf. Ich richte mich auf, woraufhin er mein Getränk hinstellt. Direkt schnappe ich es mir und trinke hastig einige Schlucke. Das lange Laufen hat mich durstig gemacht. Und so schwindet die Hälfte meines Glases.

Ich kratze mich am Hinterkopf, als ich es vor mich hinstelle. Was genau wollte ich noch hier? Mit meiner Stirn in Falten gelegt versuche ich krampfhaft herauszufinden, was ich vergessen habe. Wobei, vergessen ist wohl das falsche Wort. Was ich vorhatte, ja, das ist es. Glaube ich. Wo bin ich nochmals steckengeblieben, mit den Gedanken.

In diesem Moment hätte ich meinen Kopf am liebsten vor mir auf die Theke gehauen. Mensch, ich soll doch nicht so viel trinken! Vielleicht war es eine falsche Entscheidung, nochmals ein Bier zu bestellen. Was habe ich vorhin getrunken? Ich kneife meine Augen zusammen. Irgendetwas Starkes.

Mein Blick fällt auf die Aktentasche, die ich auf den Boden gestellt habe. Der Hals einer durchsichtigen Flasche schaut heraus. Ach, ja. Schnaps. Viel zu viel.

Ich kippe einige weitere Schlucke in mich. Das hätte ich auch sicherlich günstiger an einem Kiosk bekommen können. Aber immerhin ist es hier nicht ganz so kalt und nass wie draussen. Ich erschaudere, wenn ich daran denke, wie kalt es gewesen wäre, hätte ich nichts getrunken.

„Ja. Das Leben ist nicht leicht", murmle ich leise vor mich hin, während ich mit den Fingern aufs Glas trommle. „Ganz und gar nicht. Immer diese Probleme. Dabei bin ich noch so jung!"

Im Hintergrund läutet ein Glöckchen. Ein neuer Gast. Wie erfreulich. Ich drehe mich nicht um, sondern starre weiter auf den dunklen Inhalt meines Glases. Irgendwie ekelt es mich, wenn ich daran denke, wie ich den Rest auch noch runterwürgen muss. Der neue Gast lässt sich neben mich auf den Hocker fallen. Eine grosse, nein, riesige, Gestalt. Dichtes, schwarzes Haar, breite Schultern. Ein markantes Gesicht mit scharfen, dunklen Augen.

„Schön", spreche ich meine Gedanken aus, wobei ich mir nicht sicher bin, an wen das jetzt gerichtet ist. Der Mann schaut zu mir.

„Bist aber verdammt jung", meine ich und grinse. Er hebt seine Augenbrauen.

Am Abgrund der Zeit | Band IWhere stories live. Discover now