Dritter Zwischenteil

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Róis erschrak, als sie auf die Uhr schaute. Es war fast zehn. Eigentlich hatte sie sich vorgenommen, früher schlafen zu gehen, nach dem langen Arbeitstag. Allerdings musste sie unbedingt noch ein ernstes Wörtchen mit Wyatt reden. Deshalb musste der Schlaf noch ein wenig warten.

Ihren Sohn fand sie in seinem Zimmer. Er sass vor dem Computer und schien gerade Mails zu schreiben. Als die Mutter gerade den Mund aufmachen wollte, wurde sie von ihm unterbrochen.

„Wir müssen reden", sagte er, ohne sie anzuschauen. Er tippte die letzten paar Wörter und schickte die Mail ab, bevor er sich zu ihr wandte.

„Das müssen wir", erwiderte Róis und verschränkte ihre Arme.

„Ich drehe ihm persönlich den Hals um, wenn du ihn noch einmal in dieses Haus bringst", knurrte Wyatt mit dunkler Stimme, während er sie feindselig anstierte. Sie hob ihre Arme beschwichtigend, doch sie hatte nicht vor, sich in irgendeiner Weise für ihr Handeln zu entschuldigen.

„Ich musste es tun", sagte sie mit fester Stimme. „Anders kann ich ihn nicht überzeugen."

„Ach ja?"

Er schnaufte. „Wie kannst du dir sicher sein, dass er nicht ablehnt?"

Sie seufzte und fasste sich an die Stirn. Vielleicht war sie manchmal zu optimistisch. Aber dieses Mal war sie sich sicher, dass ihr Sohn falsch lag. Er war viel zu pessimistisch und blind vor Stolz.

„Ich habe ihm klargemacht, warum er einen Grund zum Leben hat."

„Und dafür musstest du ihn zum Essen einladen."

„Es hat geholfen. Du verstehst nicht, wer er ist. Vorletztes Jahr hat er seinen Vater verloren, die Situation bei ihm zuhause ist mehr als angespannt. Nichts von dem, was ihm widerfahren ist, wäre jemals ein Grund zum Leben. Ich wollte ihm zeigen, dass es in dieser Welt nicht nur Hass gibt, sondern auch wahre, aufrichtige Liebe. Für diese es sich lohnt, zu kämpfen."

Wyatt presste die Lippen aufeinander. Róis seufzte und lehnte sich gegen seinen Schreibtisch. Sie konnte verstehen, dass er es nicht wollte. Sie wollte es doch auch nicht. Doch auch ihm musste bewusst sein, dass den beiden die Hände gebunden waren. Sie hatten keine andere Wahl. Irgendjemand wollte – sie wusste, es war Gerard – dass Richard dem Programm beitrat. Eine wirkliche Rechtfertigung sah die Mutter darin nicht.

Vielleicht war es auch ein Fehler von ihr, überhaupt auf ihn zugegangen zu sein. Aber dass ein unschuldiger Jugendlicher starb, das würde sie sich nicht verzeihen können. Vermutlich war das der Grund, warum sie es getan hatte. Im Nachhinein betrachtet.

Ihre Tochter sprach viel von ihm. Es erwärmte ihr Herz, ihre Katherine so glücklich mit dieser Freundschaft zu sehen. Sie wollte ihr den Tod eines guten Freundes nicht antun. Damit hatte sie Kat jedoch in Gefahr gebracht... sie war in einer Zwickmühle. Jetzt war Wyatt auch noch sauer auf sie. Völlig gerechtfertigt, wie die Frau fand. Allerdings brachte dies nun nicht mehr viel. Die Sache war beschlossen. Sie hatte es in seinen Augen gesehen, die Entschlossenheit, auch wenn sie seine Motive nicht kannte.

Aus ihren Gedanken wurde Róis geworfen, als die Zimmertür aufgemacht wurde. Förmlich aufgerissen sogar. Im Türrahmen stand Katherine, sie schnaufte und schaute die beiden mit einem düsterem Blick an. Sofort sprang der junge Mann auf.

„Was ist los?", fragte er völlig durch den Wind. In ihr machte sich ein ungutes Gefühl breit. Hatte die AII trotz ihrem Befehl das Feuer eröffnet? Lag Richard vor ihrem Haus im Schnee, in einer Blutlache? Ihr wich das Blut aus dem Gesicht, als sie diese Möglichkeit in Erwägung zog.

„Warum lügt ihr mich immer an?", schrie das Mädchen mit stockender Stimme. Sie konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten, welche ihr nun über die Wangen liefen. „Ich bin kein Kind mehr, auf das man aufpassen muss! Zum Teufel, ich bin fast 18, und trotzdem wollt ihr mich nicht selbst entscheiden lassen!"

Am Abgrund der Zeit | Band Iजहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें