Avaglade - Die Hüter von Lavandia (Buch 1)

3. Kapitel - Erin

Ich hatte meine Koffer ausgepackt und die wenigen Sachen, die ich besaß in meinen Schrank gehangen. Die Schulbücher, die mein Onkel mir bereits besorgt hatte, hatte ich ordentlich in das Bücherregal gestellt. Natürlich nicht, ohne vorher einen Blick hineinzuwerfen. 

Theoretisch sollte es für mich nicht allzu schwer werden, an der neuen Schule am Stoff anzuknüpfen. Das Schuljahr begann erst in der kommenden Woche, am siebten September, und ich war schon immer eine gute Schülerin gewesen, die den Lernstoff schnell verstand und verinnerlichte.

Mein Telefon vibrierte auf der Matratze und ich sah aufs Display. Es war Daisy, meine beste Freundin seit Kindertagen, die ich jetzt nicht mehr regelmäßig sehen würde. Sofort nahm ich den Videoanruf entgegen und grinste in die Kamera, als ihr Gesicht erschien. 

„Daisy!", rief ich und meine beste Freundin lächelte. „Erin! Oh Gott wie gut es tut, dich zu sehen!", sagte sie und ich setzte mich auf die gepolsterte Fensterbank und machte es mir bequem. „Wie ist dieses kleine, verträumte Kaff?" 

„Verträumt und klein. Ich bin nur kurz mit dem Taxi durchgefahren. Mein... Onkel wohnt ein Stück von der... Ich nenne es mal einfach Innenstadt... er wohnt ein ganzes Stück weg und das Taxi musste durch ein kleines Wäldchen fahren. Ich schätze, bis zur Schule laufe ich locker eine halbe Stunde", erzählte ich. 

„Und wie ist dein Onkel so? Ist er wenigstens nett?" „Er hat gerade einmal sechs Sätze oder so an mich gerichtet. Nach dem Mittagessen hat mir seine Haushälterin mein Zimmer gezeigt und ich habe bis gerade eben damit verbracht, alles auszupacken und anzukommen", sagte ich und Daisy sah mich mitfühlend an.

„Sicher werdet ihr noch warm. Für ihn ist es ja auch neu, dass du plötzlich bei ihm wohnst!", sagte sie aufmunternd. „Stimmt schon... Aber jetzt erzähl du doch mal. Was sind deine Pläne für die letzte Ferienwoche?" Daisy lächelte. 

„Mal sehen... Shoppen mit Mum steht an. Sie kommt morgen in Heathrow an", erzählte sie glücklich. „Das freut mich so für dich! Also verbringt ihr die Woche damit, shoppen zu gehen und alle möglichen Liebesfilme zu schauen, die gerade im Umlauf sind?" Daisy lachte. „Wahrscheinlich", sagte sie. „Vielleicht schaffe ich es auch, Dad und sie zu überzeugen, wenigsten einen Abend am selben Tisch zu sitzen..." „Das schaffst du locker!" 

Daisys Eltern hatten sich vor einem halben Jahr plötzlich scheiden lassen und meine beste Freundin somit den Boden unter den Füßen weggezogen. Weder ihr Dad noch ihre Mum sagten, was der Grund war. Daisy hatte aber die Vermutung, dass es etwas mit der neuen Arbeitsstelle ihrer Mum in Dublin zu tun hatte. Beziehungsweise mit ihrem Chef dort.

„Weißt du, dass die beiden sich getrennt haben, ist ja vollkommen in Ordnung. Und auch die Möglichkeit, dass Mum oder Dad jemand Neuen an ihrer Seite haben, ist komplett cool. Aber es nervt mich, dass die beiden sich nicht im selben Haus aufhalten können. Als ich Mum vorgeschlagen habe, dass sie ja im Gästezimmer wohnen kann, hat sie gefragt, ob Dad denn nicht da wäre. Als ich verneint habe, meinte sie nur, dass sie dann wohl doch besser ein Hotelzimmer nimmt. Ich meine hallo? Wie wollen die das machen, wenn ich irgendwann mal heirate? Wollen die dann Zeiten ausmachen, wann wer bei der Feier auftaucht?" 

„Du weißt ja nicht, was vorgefallen ist. Sicher legt sich das noch. Und bis du heiratest, ist noch Zeit!" „Na ja... wir sind fünfzehn Erin. Die Zeit vergeht!" „Sofern du nicht mit 18 schon heiraten willst, hast du mindestens noch fünf Jahre!" „Wenn der Richtige kommt... wieso nicht?" Wir kicherten und ich seufzte.

„Ich vermisse dich jetzt schon", sagte ich und sie nickte. „Ich dich auch... Vor allem der erste Schultag wird seltsam... Seit der Grundschule haben wir den ersten Schultag immer gemeinsam überstanden. Und jetzt..." „Ich weiß... Aber wir kriegen das hin", sagte ich um uns beiden Mut zu machen. „Du wirst sehen, in Null-Komma-Nichts sind wieder Ferien. Und dann kommst du mich besuchen!"