30. Kapitel - Henry

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Es hatte mich verwirrt, als Dad mich vor unserem Haus erwartete und mich, ohne mir eine Erklärung zu geben, zum Anwesen von McAlistair schickte. Jetzt wusste ich wieso.

Es war mehr ein Zufall gewesen, dass ich Dr. Day und Erinna noch dabei gesehen hatte, wie sie den Weg an der Koppel entlang gingen. Ich hatte mein Fahrrad ins Gebüsch gelegt und ich hatte mich wirklich nicht gut dabei gefühlt, als ich parallel zu ihnen in dem kleinen Wäldchen lief.

Ich hatte jedes einzelne Wort gehört, was sie besprochen hatten und anfangs fand ich es noch nicht ansatzweise so schlimm, wie jetzt.

Anfangs ging es auch nur um ihr neues Leben hier. Wie sie sich eingelebt hatte, wie es ihr ging. Doch jetzt...

Noch immer saßen Dr. Day und Erinna im Schatten der Bäume und ich nur wenige Meter hinter ihnen.

Ich sollte gehen. Das geht mich – und vor allem Dad – nichts an!

Aber ich konnte mich nicht bewegen. Regungslos blieb ich in meinem Versteck, während Erinna langsam weiter sprach.

„Ich weiß, sicher werden Sie jetzt sagen, dass ich mich nicht so zu fühlen brauche. Und das ich akzeptieren muss, was passiert ist", sagte sie und in ihrer Stimme schwang Ärger mich.

Dr. Day blieb ruhig.

„Tatsächlich kann ich verstehen, wieso du dich so fühlst und du hast auch jedes Recht dazu. Du darfst wütend sein. Du darfst trauern. Ich verstehe, wieso du denkst, dass es nicht fair ist", sagte sie und an Erinna's Körpersprache sah ich deutlich, wie überrascht sie war.

„Es ist normal, dass du dich so fühlst und niemand sollte dir das absprechen, oder diese Gefühle relativieren. Ich möchte, dass du etwas versuchst, in Ordnung?"

Erinna nickte zögernd und Dr. Day fuhr fort.

„Wann immer du wieder diese Gefühle hast und mit dem Gedanken spielst, dass du nicht hier sein solltest, möchte ich, dass du genau aufschreibst was dir durch den Kopf geht, in Ordnung?"

Erinna nickte.

„Gut, dann lass uns zurück gehen. Oder gibt es noch etwas, über was du sprechen möchtest?"

„Nein... Im Moment nicht", antwortete Erinna und die beiden standen langsam auf.

Ich blieb sitzen und erst, als die beiden schon lange weg waren, stand ich auf.

Deshalb war Erinna alleine hier. Ruby und ihr Mann waren tot.

Deshalb hat Erinna sich nicht über die Feueraffinität gefreut. Verständlicher Weise.

Gott, ihre Eltern sind bei einem verdammten Feuer ums Leben gekommen. Ein Feuer, welches sie selbst überlebt hat. Beinahe unverletzt, wie es sich für mich angehört hatte.

Und wieder ein Genträger, der durch einen Unfall gestorben ist...

Der Gedanke kam völlig von selbst und es schauderte mich.

Es war wirklich keine Seltenheit, dass Familienmitglieder aus unseren Familien durch Unfälle starben, oder nie lange genug lebten, um sicher sagen zu können, ob sie ein Genträger waren.

Ganze Familienstränge waren ausgelöscht, aufgrund von irgendwelchen Unfällen, oder Krankheiten. Tante Michelle sagte einmal (bevor sie friedlich einschlief) dass auf unseren Familien ein Fluch lag.

Ich hielt es für ein Schauermärchen, ein grausamer Versuch, mit den Toden klarzukommen. Aber jetzt...

Konnte es wirklich ein Zufall sein, dass die zweite Genträgerin der McAlistairs starb?

Avaglade - Die Hüter von Lavandia (Buch 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt