8. Kapitel - Henry

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Die Nacht war dunkel und es hatte sich eine dichte Wolkenwand gebildet, die den Sternenhimmel verdeckte. Es würde bald anfangen zu regnen und ich nahm bereits den Geruch von frischem Regen wahr. Ein lauer Wind wehte durch das dichte Geäst und ließ die Blätter leise rascheln. In weiter Ferne hörte man das leise Donnergrollen und ich lächelte.

Ich liebte Regen und Gewitter einfach. Vor allem im Sommer, wenn die Welt danach so neu und frisch roch. Ich liebte es nachts am Fenster zu stehen und Blitze zu beobachten, die die Welt dann für einen kurzen Augenblick erleuchteten. Und allein die Tatsache, dass hinter diesem wunderschönen Naturschauspiel, so viel Kraft, Energier und Gefahr steckte, machte es nur noch besser. Ja, ich liebte diese Art Wetter wirklich.

Ich stand an meinem weit geöffneten Fenster und hatte meine Arme auf der Fensterbank abgestützt. Mein Kinn ruhte auf meiner Handfläche und ich sah abwartend gen Himmel. Als die ersten Regentropfen ihren Weg zur Erde fanden und kurz darauf das gleichmäßige Geräusch von fallendem Regen zu hören war, richtete ich mich lächelnd auf. 

Das Donnergrollen war dichter gekommen und die ersten Blitze machten sich als Lichtflackern bemerkbar. In etwa fünf Minuten würde das Gewitter ganz hier sein.

Am Waldrand tauchte eine Gestalt auf, die zu mir hochsah und als ein Blitz über den Himmel zuckte, erkannte ich Yilva. Sofort war ich alarmiert. Wenn die Elfenkönigin in die Menschenwelt kam, musste etwas passiert sein. Ich verließ sofort mein Zimmer und rannte die Treppe runter, was meinen Vater auf den Plan rief, der aus seinem Arbeitszimmer gepoltert kam.

„Henry! Wieso zum Teufel bist du noch wach!?", rief er aufgebracht. „Yilva steht draußen. Irgendwas muss passiert sein", sagte ich und im selben Moment, in dem ich die Tür öffnen wollte, klopfte es. Doch Yilva kam nicht allein. 

Zu unserer Überraschung stand McAlistair, völlig durchnässt neben Yilva, die ebenfalls völlig durchnässt war. Ihre langen Haare hingen nass an ihr herunter und mir entging nicht, dass sie leicht zitterte. Ich spähte an ihr vorbei nach draußen, konnte aber nicht erkennen, ob ihre Leibwächter irgendwo waren.

„Yilva, was ist passiert?", fragte mein Vater und führte unsere Gäste in den Salon. Ich folgte ihnen und als ich in den Salon trat, war mein Vater gerade dabei den Kamin anzuzünden, während McAlistair den Sessel zum Feuer schob und Yilva anbot, sich zu setzen.

Da Miss Finchley bereits Feierabend hatte und auch meine Mutter und meine Schwester in ihren Betten lagen, ging ich in die Küche und kochte Tee für unsere Gäste, denn ich anschließend mit in den Salon nahm.

„Wie konnte so etwas passieren?", sagte mein Vater gerade, als ich Yilva eine Tasse anbot, die sie mir lächelnd abnahm. Mein Vater lief nachdenklich im Wohnzimmer auf und ab und ich beschloss Handtücher für unsere Gäste zu holen, damit sie sich wenigstens ein wenig abtrocknen konnten. Auch wenn McAlistair bereits anfing zu trocknen. Ein Hoch auf Elementbasierende Magie. 

Dankbar nahm Yilva mir das Handtuch ab, als ich ihr eines reichte. Sie legte es sich um die Schultern und sah meinen Vater und McAlistair an, der mir ebenfalls das Handtuch abnahm, auch wenn er es kaum noch benötigte. Eine Feueraffinität war schon etwas Tolles...

„Was genau ist denn passiert?", fragte ich schließlich zögernd, weil noch immer niemand weitersprach und alle nur nachdenklich dreinsahen. Alle drei sahen mich an und mein Vater seufzte. 

Ich sah ihm an, dass er mich da am liebsten raus gehalten hätte. Nicht, weil er fand ich sei zu jung oder hätte andere Dinge zu tun. Er wollte mich einfach nur aushalten, weil ich es war. Aber ich war auch ein Hüter und somit musste er mich einweihen.

„Es gab einen Anschlag auf das Volk der Nymphen. Es gibt keine Verletzten aber... leider kam bei dem Anschlag eine Nymphe ums Leben", erklärte Yilva leise und schluckte. „Lenori...", sie bracht erneut ab und ich schüttelte den Kopf. 

Avaglade - Die Hüter von Lavandia (Buch 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt