20. Kapitel - Henry

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„Komm schon Alter. Es ist nur eine Party!" Ich seufzte und klemmte mein Telefon zwischen Schulter und Ohr, während ich in meine Hose schlüpfte.

„Ich kann echt nicht. Ist nen Familiending", gab ich zurück und ich hörte Cory am anderen Ende der Leitung genervt stöhnen.

„Du hast immer irgendein Familiending am Laufen Henry. Komm schon, du bist nur einmal jung! Wir müssen Party machen, feiern und Spaß haben! Schleich dich doch einfach weg und komm vorbei", sagte er und so gerne ich genau das tun würde, ich wusste, dass es nicht ging. Nicht heute, wo doch die neue Hüterin ernannt wurde.

„Und solange wird euer Familiending doch sicher nicht gehen. Die Party beginnt um neun. Also? Komm schon Kumpel, wir müssen feiern, dass ich ins Basketballteam gekommen bin!"

Ich knöpfte mir das Hemd zu und strich über den weichen, hellen Leinenstoff. Das traditionelle Hütergewand bestand aus einer beigefarbenen Baumwollhose und einem weißen Leinenhemd. Dazu schlichte Reitstiefel aus Leder. Zum Glück mussten wir das nur zu besonderen Anlässen tragen.

„Henry? Bist du noch da?" Corys Stimme riss mich von dem Anblick im Spiegel los und seufzend fuhr ich mir durchs Haar.

„Hör zu, ich würde echt gerne dabei sein, aber es geht wirklich nicht. Ich freue mich für dich und glaub mir, ich würde liebend gerne mit dir anstoßen, aber... nicht heute", sagte ich und sah förmlich vor mir, wie Cory mich enttäuscht ansah.

„Würdest du großen Ärger bekommen, wenn du dich wegschleichen würdest?" Ich hörte deutlich die Besorgnis in seiner Stimme und wusste, dass er und die anderen mir nicht abgekauft hatte, dass ich vom Pferd gefallen war und deshalb mein Kiefer und die Wange sich bläulich verfärbt hatten.

„Ja, es ist meinem Vater wichtig, dass ich dabei bin", sagte ich und Cory seufzte tief.

„Dann sehen wir uns Montag in der Schule", gab er nach und legte auf, ohne auf eine Antwort von mir zu warten.

Manchmal kotzte mich die ganze Hütersache so dermaßen an. Nie konnte ich machen, was ich wollte. Immer musste ich meine Freunde enttäuschen, sie anlügen und ihnen ausweichend antworten. Nie konnte ich einfach nur Spaß haben. Und Cathie beneidete mich deshalb.

„Henry!"

Ich hörte die Ungeduld in der Stimme meines Vaters und beeilte mich, um ihn nicht noch mehr zu verärgern. Er sah mich missbilligend an, sagte aber nichts, als ich mit ihm zusammen das Haus verließ und wir zum Stall rüber gingen, wo wir unsere Pferde abholten.

„Eine Hüterin... Die letzte Hüterin die wir hatten, ist abgehauen und hat Lavandia damit ins Chaos gestürzt...", murmelte Dad vor sich her, während wir auf das Portal zuritten, durch das wir dann ins Reich kamen.

So wie immer, wenn ich die Grenze übertrat, durchlief mich ein Hochgefühl und ich lächelte zufrieden. Ich spürte, wie die Magie um mich herum stärker wurde und ich hätte Salima am liebsten zu einem Galopp angetrieben.

„Sie weiß nichts über die Geschichte, das Land, die Völker... Sie ist sich nicht einmal ihrer magischen Fähigkeiten bewusst. Und sie soll, gemeinsam mit uns, für Frieden und Gleichgewicht sorgen... Sie wird die Völker nur noch mehr verunsichern!"

Mein Vater wetterte weiter und ich konnte ihn durchaus nachvollziehen. Ich fand es auch sehr riskant, ein Mädchen einzuweihen, die bis vor kurzem noch nicht einmal von all dem hier wusste. Aber Yilva wusste schon, was sie tat.

„Und wir dürfen es ausbaden, wenn sie Fehler macht... Du wirst sie im Auge behalten müssen Henry", sagte er und überrascht sah ich ihn an.

„Schau nicht so blöd. Du hast geschworen Lavandia zu beschützen. Das heißt auch, dass du Lavandia vor ihr schützen musst, sollte sie versagen. Ich will, dass du Erinna im Auge behältst und sie genau beobachtest. Ich bin noch immer skeptisch, weil sie einfach so hier aufgetaucht ist und William erzählt mir leider auch nicht, was mit Ruby passiert ist und wieso sie nicht ebenfalls hier auftaucht. Vielleicht ist das auch ein abgekartetes Spiel, damit sie die Hüterfamilie sind, die bestehen bleibt!"

Avaglade - Die Hüter von Lavandia (Buch 1)Where stories live. Discover now