23. Kapitel - Erin

48 9 9
                                    

Ich fror entsetzlich, als ich Yilva nach drinnen folgte und mit ihr die Stufen nach oben in den Turm stieg. Ich zog die Decke fester um mich und versuchte mich auf etwas anderes als die Kälte zu konzentrieren, die mir in den Gliedern steckte.

Also sah ich mich neugierig um, auch wenn wir nur die schmale Wendeltreppe nach oben stiegen. Durch die Fenster erhaschte ich immer wieder einen kurzen Blick nach draußen und ich sah auch das erste Mal die Stadt, von der mein Onkel gesprochen hatte.

Viele Wesen waren in den Straßen unterwegs und ich machte vor allem Elfen aus, die fröhlich durch die engen Gassen liefen. Am liebsten wäre ich stehen geblieben und hätte das Treiben beobachtet, aber Yilva ging unbeirrt weiter und ich folgte ihr.

Am Ende der Treppe angekommen öffnete sie eine schmale, alte Holztür und ließ mir den Vortritt. Unsicher betrat ich das Turmzimmer und sah mich suchend um.

Durch das Turmfenster drang der letzte Rest des Tageslichts hindurch, was den Raum nur spärlich beleuchtete. Vor dem Fenster stand ein altes Bett mit einem Holzrahmen. Die Matratze war, so wie es aussah, mit Stroh gefüllt und ich musste sofort an die ganzen mittelalterlichen Geschichten denken, die ich so gehört hatte.

In Lavandia war es gefühlt wie zu dieser Zeit. Nur mit weniger Krankheiten und Hexenverbrennungen.

Ein kleiner Tisch stand neben der Tür und auf diesem stapelten sich so viele Bücher, dass die Platte schon ein klein wenig durchhing und so aussah, als würde sie jeden Moment durchbrechen.

Ein Bücherregal stand gleich rechts an der Wand, wobei die meisten Bücher wohl auf dem Tisch lagen und das Regal vor allem als Aufbewahrungsort für Pergamentrollen diente.

Der Stuhl, der zum Tisch gehörte stand am Kopfende des Bettes und auf der Sitzfläche lag ein dickes, rotes Buch, auf dem eine Kerze stand und fröhlich vor sich hin flackerte.

Obwohl eine rege Unordnung herrschte, wirkte der Raum auf seine ganz eigene Art und Weise als gemütlich, was mich verwunderte. Normalerweise war ich ein Fan von Ordnung.

„Der alte Gambitz ist dort oben. Ich warte draußen. Sobald du fertig bist, kommst du wieder zu mir", sagte Yilva und deutete auf eine Holzleiter, die an der Wand links neben der Tür stand und noch ein wenig höher führte.

Yilva verließ den Raum und zögernd ergriff ich die Sprossen und stieg nach oben. Hier, direkt unter dem Dach, was es deutlich dunkler und der kleine Dachboden, wie ich es nannte, wurde nur durch das Licht von Kerzen erhellt.

Ich weiß nicht, ob ich so entspannt sein könnte, bei der Menge an Kerzen. Es muss nur eine umfallen und es würde hier lichterloh brennen...

Auch hier oben lagen überall Bücher und Pergamentrollen. Alte Teppiche lagen auf dem Boden verstreut und ich sah mich um. Und dann sah ich den alten Gambitz auf einem Stuhl in der Ecke sitzen.

Ich hatte am Anfang geglaubt, der alte Gambitz wäre ein alter Elfenmagier, aber was da vor mir auf dem Stuhl saß, war nichts was irgendwie menschlich erschien. Er erinnerte an einen dicken, rosa Wurm, nur mit Armen und Beinen.

Nur durch Zufall war ich gestern Abend in den Büchern über einen Abschnitt gestoßen, der sich komplett um Gambitze drehte.

Gambitze waren so gut wie nicht mehr existent. Zumindest war es unklar, ob es noch irgendwo welche gab, da Gambitze ihr Erscheinungsbild ständig änderten und das, ohne ihr Zutun.

Einen Tag sahen sie noch komplett menschlich aus, an einem anderen Tag konnten sie auch ein Tier oder eine Pflanze sein. Dieser Gambitz war heute eine wirklich abscheuliche Mischung aus Mensch (Arme, Beine, Augen und Mund) und Wurm (der Rest).

Avaglade - Die Hüter von Lavandia (Buch 1)Where stories live. Discover now