Kapitel 1

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15.03.2019, Melbourne, Australien

Angelique

Ein letztes Mal überprüfe ich mein Aussehen im Spiegel. Meine braunen Haare habe ich in einen Pferdeschwanz gebunden. Passend zu den sommerlichen Temperaturen hier in Australien trage ich eine kurze Jeans, Sneaker und eine blau-weiß gestreifte kurze Bluse. Meine wichtigsten Dinge habe ich in meiner braunen Lederhandtasche gepackt und meine Sonnenbrille hab ich direkt in meine Haare hochgeschoben. Um meinen Hals hängt meine goldene Halskette mit meinen vier Herzanhängern. Es ist die gleiche Halskette wie ich damals zum 16. Geburtstag geschenkt bekommen habe, nur mit einem Anhänger mehr. Den hab ich von Pierre und Charles zu meinem 17. Geburtstag geschenkt bekommen. Darauf ist das Unfall- und Sterbedatum von Jules eingraviert.

Den Tod von meinem großen Bruder habe ich nie wirklich verwunden. Jeder Gedanke an ihn schmerzt mich immer noch so sehr, aber ich hab meinen Weg zurück ins Leben gefunden. Seit diesem schrecklichen Unfall sind mittlerweile beinahe 5 Jahre vergangen. Pierre, Charles und ich sind immer noch die besten Freunde. Wir haben uns gegenseitig aus der Trauer geholfen, sind immer füreinander da und ich begleite die zwei zu jedem ihrer F1 Rennen.

Die Jungs haben es tatsächlich geschafft und auch wenn mir jedes Mal anders wird wenn sie in diesen Wagen steigen, vertraue ich auf ihr Können. Bei Charles schlimmen Crash in Spa letztes Jahr hatte ich einen kleinen Zusammenbruch. Doch Gott sei Dank gibt es den Halo mittlerweile. Es ist furchtbar, dass mein Bruder erst dafür sterben musste, dass der Halo eingeführt wurde, aber so ist es halt gekommen.

Ich begleiten die beiden zu jedem Rennen. Meine Eltern sind zwar nicht so begeistert davon, dass ich mein ganzes Leben in dieses Leben an der Rennstrecke investiere, aber sie halten mich auch nicht auf. Nach Jules Tod bin ich in ein tiefes Loch gefallen, aus dem ich zwei Jahre nicht wirklich raus gekommen bin. Ich hatte schlimme Depressionen, war deswegen mehr als einmal in einer Klinik.

Pierre und Charles haben mir am meisten da raus geholfen. Sie haben mich mit zu ihren Rennen in der F2 und F3 genommen. Da ich volljährig war, konnte ich auch mit ins Ausland reisen. Irgendwie hat es sich so festgesetzt, dass ich die beiden seitdem immer begleite. Natürlich habe ich meinen Schulabschluss gemacht, aber ich hab auf ein Studium verzichtet, sehr zum Verdrieß meiner Eltern.

Gerade klopfe ich an Charles Zimmertür. Wir müssen eigentlich schon losgefahren sein jetzt. "Charles, komm schon! Du hast in einer halben Stunde einen Termin! Beweg endlich deinen Hintern aus dem Zimmer!"

Hinter mir läuft Carlos lachend vorbei. "Mal wieder spät dran, was?"

"Ach halt die Klappe, Carlos! Als ob du grade pünktlich dran bist", rufe ich ihm nach.

Lachend steigt er in den Aufzug und winkt mir noch einmal zu. Carlos und ich verstehen uns eigentlich wirklich gut, aber manchmal kann er eine kleine spanische Nervensäge sein.

"Charles!" Erneut klopfe ich gegen seine Tür, die er dann auch mal aufreißt. "Endlich. Was hat so lange gedauert? Es ist das erste Rennwochenende und wir machen genau da weiter, wo wir letztes Jahr aufgehört haben!"

Ich mag mich ja jetzt etwas lästig anhören, aber ich kann gerade nicht anders. Wir sind so oft fast zu spät dran, nur weil er nicht fertig wird. Das hasse ich extrem, da ich ein sehr pünktlicher Mensch bin. Letztes Jahr hat das manchmal für richtig Ärger gesorgt und ich hab mir geschworen, es dieses Jahr nicht mehr so weit kommen zu lassen.

Gut gelaunt schlingt Charles einen Arm um meine Schulter. "Ach Angie, wir sind nicht zu spät dran. Wir kommen genau rechtzeitig an die Strecke."

Grummelnd folge ich ihm nach draußen, wo schon ein Van auf uns wartet, der uns an die Rennstrecke fährt. Pierre ist schon lange dort. Ich wechsle meistens zwischen den beiden ein bisschen hin und her, wen ich mehr begleite. Sie sind mir nie böse, wenn ich mal mehr Zeit mit einem von ihnen verbringe.

You were there for me - Lando Norris FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt