Kapitel 41

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Eingehüllt in meine Winterjacke und meinen Schal gehe ich zum Friedhof. Wir sind aus unserem Urlaub seit etwas mehr als einer Woche wieder zurück und die Jungs sind zum trainieren weggefahren, während ich in Monaco geblieben bin. Was soll ich schon dabei, wenn sie trainieren den ganzen Tag? Nein, da bleibe ich lieber zuhause. Heute werde ich Jules Grab besuchen. Seit Weihnachten war ich nicht mehr dort und langsam fühle ich mich ein bisschen schuldig deswegen.

Die ganze letzte Woche ging es mir nicht so gut, wenn ich ehrlich sein soll. Irgendwie fühle ich mich deprimiert, müde und lustlos. Die Jungs bezeichnen es als Winterdepression, aber das ist es nicht. Viel mehr liegt es an meinem Freund Greg, dem Reporter. Er verfolgt mich immer mehr in letzter Zeit, was mir wirklich auf die Nerven geht. Die letzte Woche hab ich das Haus kaum verlassen, aber jedes Mal wenn ich ihn gesehen habe, ging er mir nicht aus dem Weg.

Da es leider zu kalt ist, bleibe ich am Grab stehen, nachdem ich wieder ein paar Blätter entfernt habe. Wie immer starre ich auf den Marmorstein mit seinem Namen eingraviert. Seit langem weine ich hier mal wieder. Ohne Kontrolle laufen die Tränen über meine Wangen.

"Ich vermisse dich so sehr", flüstere ich. "Du kannst es dir nicht vorstellen. In letzter Zeit ist es wieder besonders schlimm. Anna sagt zwar, dass das normal ist, aber kann ich nicht irgendwann mal damit abschließen? Oh Jules."

Ich bleibe noch eine ganze Weile so stehen, bevor ich mich dann losreißen kann und wieder gehe. Da wir fast nichts zu essen zuhause haben, laufe ich noch eine Runde über den Markt und kauf ein bisschen was ein. Mit einem vollen Korb gehe ich dann wieder nach Hause, wo ich die Einkäufe verräume und dann ins Wohnzimmer gehe. Automatisch mache ich den Fernseher an, damit Hintergrundgeräusche da sind, wenn ich hier schon alleine bin, bevor ich anfange zu putzen.

Wenn wir hier sind, dann kümmere ich mich selber um die Wohnung. Nur wenn wir unterwegs sind, kommt einmal die Woche jemand und macht ein bisschen sauber. Erst wische ich den Flur, bevor ich anfange die Regale mal wieder abzustauben. Im Wohnzimmer stutze ich allerdings. Die Bilder stehen anders. Normalerweise kommt ein Bild von Jules, ein Bild von uns vieren gemeinsam, ein Bild von Pierre und Charles, ein Bild von uns dreien, ein Bild von mir alleine, dann ein Bild von Charles mit seiner Familie, von mir und meiner Familie, von Pierre mit seiner Familie.

Jetzt steht erst das Bild von Charles mit seiner Familie, dann das Bild von uns vieren, dann das Bild mit Pierres Familie, meiner Familie, in der Mitte steht das Bild von Jules und dann die anderen Bilder. Merkwürdig, ich dachte heute morgen standen sie noch richtig da. Vielleicht hat sie Pierre umgestellt um ein bisschen Abwechslung reinzubekommen.

Auch in meinem Zimmer hat sich etwas verändert. Auf meinem Bett liegen normalerweise vor meinen Kissen ein Teddybär und eine kleine Sonne, die ich mal von Jules bekommen habe. Aber die beiden liegen jetzt am Fußende des Bettes. Das war ganz sicher noch nicht so, als ich gegangen bin heute Morgen.

Ein ungutes Gefühl beschleicht mich. Jemand war hier. Jemand war in meiner Wohnung, in meinem Zimmer. Nervös gehe ich in Pierres Zimmer und auch hier haben sich Sachen verändert. Seine Pokale von früher stehen anders und seine Schranktür ist nicht ganz geschlossen.

Mit zitternden Fingern ziehe ich mein Handy aus der Hand und wähle Pierres Nummer. Schon nach dem dritten Klingeln nimmt er keuchend ab. "Was gibt's?"

"Du bist immer noch in Italien oder?", gehe ich sicher und selbst ich kann das Zittern in meiner Stimme hören.

"Ja, bis Ende nächster Woche, warum?"

Okay, damit stirbt auch meine letzte Hoffnung, dass er früher nach Hause gekommen ist. "Pierre, ich glaube jemand war in unserer Wohnung."

Mein ganzer Körper steht unter Anspannung, als ich aus seinem Zimmer gehe. Mit größerer Aufmerksamkeit sehe ich mich um ob vielleicht noch etwas umgestellt worden ist oder anders ist.

You were there for me - Lando Norris FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt