Kapitel 34

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05.10.2020, Monte-Carlo, Monaco

6 Jahre ist es her. Vor 6 Jahren war dieser dämliche Unfall.

Gestern war mein Geburtstag, ich bin 22 Jahre alt geworden. Im Gegensatz zu letztem Jahr wurde keine Party oder sowas organisiert, wofür ich dankbar bin. Stattdessen haben wir einen entspannten Tag auf der ‚Sedici', Charles Jacht, verbracht. Es waren einfach nur Charles, Pierre und ich, sonst niemand. Auf etwaige Nachrichten hab ich gar nicht reagiert.

Aber heute bin ich erstmal alleine. Charles ist in Maranello und Pierre ist heute schon früh zum Flughafen gefahren, da er noch nach Faenza geflogen ist, bevor beide in Deutschland sind. Auch zu diesem Grand Prix werde ich nicht fahren. Auf Social Media hab ich schon Nachrichten bekommen, wo ich bin, wieso ich nicht bei den Rennen bin. Die Jungs wurden in Sotschi schon gefragt, wieso ich nicht dabei bin. Es ist schon irgendwie süß, wie besorgt alle sind, aber ich kann gerade einfach nicht.

Gerade mache ich mich fertig, damit ich zum Friedhof gehen kann. Im Gegensatz zu letztem Jahr hab ich es nicht vergessen, was heute für ein Tag ist. Passend zu meinem Gemütszustand, ist der Himmel wolkenverhangen. Seit diesem Moment in diesem Auto, ist Jules wieder die ganze Zeit in meinen Gedanken. In den letzten Wochen hier in Monaco hab ich mich eher zuhause versteckt und bin nicht wirklich raus gegangen. Die meiste Zeit hab ich in unserer Wohnung verbracht und als die Jungs in Sotschi waren, haben sie regelmäßig Kontrollanrufe bei mir gemacht.

In Jeans, Sneaker und einem etwas dickeren Pulli laufe ich dann Richtung Friedhof. Bei einem kleinen Blumenladen kaufe ich wie immer einen kleinen Strauß, den ich dann in die Vase stelle, als ich am Grab ankomme. Ein paar Blätter der umliegenden Bäume sind darauf gefallen, die ich weg mache. Dann sitze ich einfach da und starre den Grabstein an. Meine Arme hab ich um meine Beine geschlungen, mein Kopf liegt auf meinen Knien. Merkwürdigerweise hab ich mal nicht das Bedürfnis mit ihm zu reden, wie sonst immer. Stattdessen starre ich einfach nach vorne und schwelge in Erinnerungen.

Mein großer Bruder Jules hat mich auf dem Arm, während er glücklich strahlt. Er ist gerade Meister in der Formel Renault geworden. Meine Eltern und ich sind extra mit meinen besten Freunden Charles und Pierre gekommen. Auch wenn er immer sagt, dass ich mit 9 Jahren zu alt bin um auf den Arm genommen zu werden, hat er mich glücklich hochgehoben und mit mir auf dem Arm den Preis entgegen genommen.

Diese Meisterschaft hat ihm unglaublich viel bedeutet und ich denke mit einem leichten Lächeln daran zurück.

„Jules", rufe ich meinem Bruder zu, der an sein Auto gelehnt vor meiner Schule steht. Er ist wieder zuhause und holt mich heute von der Schule ab, damit wir Charles und Pierre gemeinsam bei ihrem Training besuchen fahren können.

„Hi Soleil." Er breitet die Arme aus, in die ich mich direkt hinein stürze. Sonnenschein, so nennt er mich schon mein ganzes Leben lang. „Du hast mir gefehlt."

„Du mir auch. Lass uns fahren, die Jungs haben mir schon lauter Nachrichten geschickt wo wir bleiben."

Zusammen setzen wir uns ins Auto und fahren zur Trainingsstrecke, wo auch meine Freundin Madeline ist und ihrem Bruder Esteban zusieht. Jules und ich stellen uns an die Bande und warten darauf, dass sie mal Pause machen. Jules war jetzt in Zandvoort und ich löchere ihn schon die ganze Zeit wie es denn war, aber er will es erst erzählen, wenn die Jungs da sind.

Als sie dann endlich ihre Karts abstellen, winke ich ihnen ungeduldig zu. „Macht schon!"

Charles wirft sich auf Jules, der gleichzeitig sein Patenonkel ist. Die beiden verstehen sich beinahe blind. Nachdem auch Pierre ihn begrüßt hat, sehe ich ihn erwartungsvoll an und endlich erzählt er: „Poleposition, beide Rennen gewonnen und die schnellste Runde. Ich hab mir vorzeitig die Meisterschaft gesichert!"

You were there for me - Lando Norris FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt