Kapitel 40- Eine schwere Entscheidung

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Es hatte eine beinahe unendlich lange Stille gegeben, die zwischen den beiden Brüdern gehangen hatte wie ein Damoklesschwert. Sasuke hatte still geradeaus gestarrt, auf die grünen Wiesen und Hügel, die sich vor ihm ausbreiteten. Es wurde Frühling, man merkte es überall. Die ersten Blüten sprossen aus dem Boden und es war mittlerweile so warm, dass er seinen ewigen Umhang eigentlich hätte abnehmen können. 

Aber irgendwie wollte sich kein Muskel von ihm rühren. Als wollte er abwarten, ob von Itachi zu dem Thema noch etwas kommen würde. Es war beinahe... als würde trotz des warmen Wetters ein ewiger Winter zwischen ihnen liegen, der einfach nicht schmelzen wollte. 

Ob das die Folgen von dem Schock waren...? Sakura war erschüttert gewesen, als er ausgepackt hatte... Alles was er als achtjähriger mitbekommen hatte. Seitdem sie Medizin und Psychatrie studiert und sich mit den Vorgängen im menschlichen Gehirn beschäftigt hatte, sah sie eigentlich erst, wie tief traumatisiert sowohl Naruto als auch Sasuke ihr ganzes Leben lang durch die Gegend gelaufen waren. Und niemand hatte ihnen geholfen, einfach nur wegen ihrer Stellung und weil die Dorfleute sie als Gefahr gesehen hatten.

Das war für Sakura der springende Grund gewesen, warum sie Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hatte, um psychologische Hilfe für all die durch den vierten großen Ninjakrieg traumatisierten Kinder zu unterstützten. Damit sie nicht dasselbe durchmachen mussten, wie Naruto und Sasuke. 

Natürlich war die Idee nicht direkt auf Begeisterung gestoßen, denn die meisten Ninja waren tief traumatisiert, aber wollten es nicht wahrhaben und hatten das Gefühl "schwach" zu sein, wenn sie hilfe annahmen, um mit ihren Gefühlen fertig zu werden. Doch ein Glück, dass Kakashi Hokage geworden war. Er hatte an seinem eigenen Päckchen zu knacken, wegen seinem Vater, der dem Druck, den seinen Kollegen gemacht hatten, nicht stand gehalten hatte. 

Und er war ziemlich ausgeflippt, als die Dorfältesten sich gesträubt hatten, war aufgesprungen und hatte (ziemlich Kakashi untypisch) durch den ganzen Raum gebrüllt, dass die werten Dorfältesten einen an der Klatsche hätten, ihre Sturheit schon Grund für das Uchiha-Massaker gewesen wäre und jetzt damit schluss wäre, er würde nicht noch mehr Leute das Schicksal seines Vaters durchmachen lassen. 

Damit war das Schlusswort in dem Bezug gefallen und Kakashi und Sakura hatten unermüdlich an ihren Plänen gearbeitet. Naruto hatte mit Begeisterung mitgeholfen und selbst Sasuke war überrascht gewesen, wie sehr es ihm geholfen hatte zu wissen, warum er sich manchmal so komisch benahm. 

Ptsd. Davon hatte er vorher noch nie etwas gehört gehabt. Aber natürlich. Dass die eigene Familie eines Nachts vom eigenen Bruder dem Erdboden gleich gemacht wird, ist nichts, was nicht mal so eben schnell ein Trauma auslöst. Und genau dieses Trauma ließ ihn gerade in Schockstarre auf eine ziemlich hässliche, von Maulwürfen eroberte Parkwiese starren, als ginge es um sein Leben. Er war sich nicht sicher, ob er die Frage hatte stellen wollen und so wie Itachi reagiert hatte, war dieser sich auch nicht sicher, ob er sie hatte gestellt bekommen wollen. 

Nun endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit drehte Sasuke mit Mühe den Kopf zur Seite und sah Itachi an. Und mit einigem Erstaunen sah er, dass es Itachi nicht besser ging als ihm. Er zittert... schoss es ihm durch den Kopf und plötzlich bekam er irrationale Angst. Was, wenn er zu weit gegangen war? Was wenn das für Itachi zu viel war, und er wieder wegrennen und Naruto vollheulen würde? Was wenn-

Ein trockenes Schluchzen riss ihn aus seinen Gedanken. Itachi schlug entsetzt die Hände von den Mund und versuchte um himmels willen nicht laut loszuflennen, aber wie immer waren die Gesetzte der Natur gegen ihn. 

Und plötzlich war da Sasuke, der ihn einfach in den Arm nahm und an sich drückte. "Schhh- Es ist okay, zu weinen", wisperte sein kleiner- aber älterer Bruder leise. "Es tut mir so leid, dass ich nicht da sein konnte für dich. Ich wünschte, ich wäre älter gewesen und hätte mehr für dich da sein können." Itachi heulte und heulte und Sasuke wartete einfach. 

"Warum macht dir das nichts aus?", schluchzte Itachi irgendwann. "Warum kannst du einfach- Vater-"

"Ich weiß, er war viel zu streng zu dir", wisperte Sasuke. "Er hat so viel von dir erwartet. Und du hast dir solche Mühe gegeben es zu schaffen und dich nur überarbeitet, bis du-"

"Zum wahnsinnigen Massenmörder geworden bist?", schluchzte Itachi weiter und Sasuke schüttelte mitleidig den Kopf. "Du warst dreizehn, Itachi. Kein Dreizehnjähriger hätte das überblicken können, auch du nicht. Du musst nicht dafür gerade stehen, dass ein paar halsstarrige Erwachsenen mit ihrer eigenen Angst nicht fertig geworden sind und dich so lange manipuliert haben, bis du geglaubt hast, dass das die einzige Möglichkeit wäre."

"ES WAR DIE EINZIGE MÖGLICHKEIT!", fuhr Itachi Sasuke an und versuchte sich aus seinem Griff zu befreien. 

"Für dich war es das", sagte Sasuke ruhig und ließ vorsichtig los, bis er nurnoch Itachis Hände in seinen hielt. "Weil Danzo alles getan hat, um es so wirken zu lassen. Er hat dir permanent weiter unter Druck gesetzt. Immer weiter und weiter. Er hat dein Anbu-Team halb abgeschlachtet, er hat deinen besten Freund vor deinen Augen dazu getrieben Selbstmord zu begehen und er hat dich erpresst."

"MEINST DU DAS WEIß ICH NICHT?!", schrie Itachi außer sich vor Wut und hörte vor lauter Empörung wieder auf zu weinen. 

"Natürlich weiß ich das dir das klar ist", erwiderte Sasuke heftiger als er wollte. "Aber Sakura sagt, du denkst trotzdem es ist deine Schuld! Und das ist es nicht!"

"WARUM?", fragte Itachi mittlerweile einfach nurnoch verzweifelt. "Hör auf mir zu vergeben, hass mich doch ein klitzekleines bisschen!"

"DU HASST DICH NICHT ICH; DAS IST JA DAS PROBLEM!", schrie Sasuke jetzt einfach zurück. Er konnte nicht mehr. Er hasste Itachis Hass auf sich selbst. "Du. Warst dreizeihn, seit circa neun Jahren tief traumatisiert von Kriegsschlachtfeldern und deine Panik vor einem neuen Krieg hat dich so panisch werden lassen, dass du Danzo alles geglaubt hast! Du hast ihm geglaubt, dass es deine Verantwortung wäre! Warum ist es deine Scheiß verantwortung wenn zwei Regierungen beschließen, dass sie Krieg führen wollen!"

"Weil du dann nicht-"

"JA, GENAU! Weil ich dann keine schöne Kindheit gehabt hätte! Meinst du meine Kindheit mutterseelenallein und gemieden aber bemitleidet von allen im Dorf war schön?! Meinst du ich bin dir auch noch dankbar dafür, dass du dein Leben weggeworfen und uns getrennt hast?"

"Meinst du ich habe das gern gemacht?!", keifte Itachi zurück und Sasuke nahm rigoros Itachis Gesicht in beide Handflächen, damit er ihn ansehen musste. "Du- tust nie wieder irgendwas für mein Wohl, ohne es mit mir abzusprechen, ist das klar?"

Itachi sah Sasuke geschockt an und für einen Moment sah er nicht Sasuke, sondern seinen Vater. Und plötzlich ging ihm auf, warum dieser gesagt hatte, er sei stolz auf seinen Sohn, auch wenn sie nicht auf einer Seite standen und warum er sich hatte umbringen lassen. Er hatte nicht gegen seinen Sohn agieren wollen. 

Er hatte alles gewusst. Und er hatte Itachi nicht aufgehalten. Weil er wusste, dass er seinen Sohn zu weit getrieben hatte. Itachi holte zittrig luft und nickte dann. Und als die Verantwortung alles allein tragen zu sollen von seinen Schultern genommen war, hatte er zum ersten Mal wieder das Gefühl richtig atmen zu können. 

Sasuke seufzte erleichtert. "So. Und jetzt ziehst du bei uns ein." Er schnappte sich einfach Itachis Hand und zog seinen sprachlosen älteren Bruder mit sich.

Itachi ReturnsWhere stories live. Discover now