17 | Devil's Blue Eyes

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Ehrlich gerührt drehe ich mich um. Zu der Meute in meinem Laden. Und blicke in die wohl treuesten Gesichter, die ich je gesehen habe – es sei denn, es ist mir entfallen. Wie sie da stehen in einer Reihe und diese Zeilen augenscheinlich für mich wiederholen, obwohl das Lied vorüber ist.

Selbst Krause-Stirn steht dabei und es stört mich in keiner Weise. Komischerweise ... Wenn ich nicht hier wäre, würde ich das eventuell untersuchen lassen.

»Möchtest du auch einen Drink?«, stellt genau sie mir nun die Frage. »Dann können wir anstoßen«, fügt sie an und hebt ihr Glas hoch, was die anderen nachmachen.

Entweder sie haben alle noch von vorher oder aber Myst hat sich ein weiteres Mal nicht an die Regeln gehalten. Beides denkbar, deswegen sage ich dazu nichts. Ausnahmsweise.

»Klar, ich mache mir schnell einen«, antworte ich daher, freue mich jedoch sehr über diese Geste.

»Oder du zeigst mir gleich, welchen du trinkst und wie der zubereitet wird?«, hakt sie eilig ein und folgt mir prompt zur Theke.

Hat es noch einen Sinn, sie auf die ausgemachte Linie – in Form des Tresens – hinzuweisen? Ich befürchte nicht.

»Wie heißt dein Cocktail?«, fragt sie neugierig nach, als ich mir ein Glas aus dem Regal schnappe.

»Devil's Blue Eyes.«

Sie strahlt genau das aus, was ich dachte, nach dem ich sie zum ersten Mal reden gehört habe. Grauenhafter Zufall. Wäre sie wenigstens engelsgleich, aber nein.

»O-o-okay«, haspelt sie und ich spüre, dass sie sich angesprochen fühlt von meinem Cocktail. Sieht sie sich auch als Teufel? »Und was kommt da alles so rein?«, lenkt sie jedoch ab und stellt sich neben mich. 

Vor ihren eisblauen Augen bereite ich meinen Devil's Blue Eyes zu, sodass sie alles mitbekommen kann. »Und falls du dich das gefragt hast: Alle Drinks sind ohne Alkohol.«

»Finde ich gut«, antwortet sie.

Mit meinem teuflisch blauen Drink in der Hand schlendere ich wieder nach vorne in den Innenraum der Bar, Myst folgt mir.

»Na, dann lasst uns anstoßen«, spreche ich in die Runde. »Und danke für eben«, murmele ich noch dazu und führe das Glas zu meinen Lippen. Jedoch halte ich inne – gerade noch rechtzeitig –, weil wohl auch die anderen noch etwas sagen wollen.

»Wir haben dir zu danken, Wy«, beginnt Links-Auge. »Du bist immer da und hast immer ein offenes Ohr für uns.«

»Da stimme ich zu. Du bist unser persönlicher Piano-Bar-Man.« Das von Riesen-Ohr zu hören, ist einfach wow.

»Azur und ich wünschen dir, dass du auf deinem Weg jede Herausforderung meistern wirst.«

»Ja«, bestätigt Azur sie und schmiegt sich bei Marine an. »Wir sind dir wirklich dankbar.«

Ich bin es nicht gewohnt, im Rampenlicht zu stehen. Okay, das stimmt nicht, ich liebe es sogar, aber nicht auf diese Weise. Mir wird ganz komisch, auch wenn es megaschön ist.

»Wy. Das, was ich dir eigentlich alles sagen wollen würde, bringe ich gerade nicht raus. Deswegen danke.«

»Das–«, will ich ansetzen, doch Clausi ist noch nicht fertig.

»Für deine Geduld und dein Verständnis, von denen du mir auch etwas abgibst, damit ich besser mit der Situation zurechtkommen kann; für das Zuhören natürlich und auch für die Drinks und deinen Witz.«

Ich bin überwältigt. »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll«, bringe ich schließlich aus diesem Grund heraus. »Danke für eure Worte. Aber ich bin gerne hier. Genau hier. Und verbringe absolut gerne meine Zeit mit euch. Also auch danke an euch.«

Myst meldet sich. Ein komisches und süßes Bild. Clausi nickt ihr ermutigend zu. »Ich möchte auch etwas sagen«, piepst sie.

»Na klar.« Wieso auch nicht?!

»Ich danke euch allen, dass ihr mir eine Chance gebt, auch wenn ich sicherlich nicht den besten ersten Eindruck gemacht habe. Darüber bin ich froh und dafür sehr dankbar.«

Sprachlos. Sind. Wir. Alle. Denn ja verdammt, sie hat recht – mit allem, was insbesondere zwischen ihren Worten steckt.

»Du bist nun eine von uns und wir sind eine Gemeinschaft. Füreinander da«, bricht Links-Auge das Schweigen. »Und nun: Lasst uns nun anstoßen.«

Mit einem Lächeln auf den Lippen führe ich mein Glas in die Mitte zu den anderen, wo wir einer nach dem anderen miteinander anstoßen. Ich warte nur darauf, dass jemand den altbekannten Spruch ›Angucken, sonst gibt es sieben Jahre schlechten Sex‹ bringt. Den anderen ergeht es wahrscheinlich ganz genauso, denn es wäre vermutlich mein Part gewesen.

Gedanklich hänge ich noch an all den wundervollen, vor allem an Mysts letzten Worten. Mit einem Grinsen stelle ich fest, dass jemand erneut Piano Man ausgewählt hat.

Den restlichen Tag bleibe ich im Gästebereich mit den anderen. Wir quatschen miteinander, als säßen wir ganz normal – wie Freunde im echten Leben – in einer Bar als Gäste zusammen. Losgelöst. Harmonisch.

Nur um für unseren Nachschub zu sorgen, verschwinde ich hinter der Theke, wohin mir Myst jedes Mal wie ein kleiner Terrier folgt. Um zu lernen und zu helfen. Auch nach dem sich alle Gäste verabschiedet haben, der Arbeitstag vorüber ist, bleibt Myst. Obwohl sie das nicht braucht, will sie mir auch bei den letzten Handgriffen unter die Arme greifen.

Warum, das frage ich mich – eine Antwort wäre echt erstaunlich. Und erfreulich.

Als die Bar blitzblank ist, begleite ich sie zur Tür, um sie herauslassen und hinter ihr wieder abschließen zu können. Bevor sie jedoch geht, stellt sie mir eine Frage, die mich eisblau-kalt trifft.

»Gibt es jemanden in deinem Leben?« 

SonderbarDonde viven las historias. Descúbrelo ahora