24 | Gedanken- und Stromfetzen

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Jetzt ist es offiziell.

Glasklar bin ich einem Wahn verfallen. Einem, der mich mit jedem Mal dem Boden näherbringen und mich Stück für Stück auseinandernehmen will. Der mich entschlossen bis zum letzten Kraftakt zermürbt, bis nichts als irre Gedankenfetzen übrig bleiben.

Was dann wird überdauern, ist versteckt hinter Mauern?

Ain't No Sunshine mit dieser Stimme und diesem Text zu hören ... Ohne dass eine Musikanlage in der Nähe steht – mal abgesehen der Jukebox nebenan. Das kann doch nur irre sein.

Eindeutig habe ich ›he‹ statt ›she‹ gehört, ich bin doch nicht bekloppt. Na ja ... Offensichtlich schon, aber doch nicht so.

Jetzt, als alle Kräfte mehr oder weniger meinen, sich wieder in meinem Körper zu bündeln, wäre es doch mal an der Zeit, sich vom Boden aufzurappeln. Ich drücke mich mit beiden Händen ab. Et voilà. Geht doch. Natürlich stehe ich an derselben Stelle, an der dieser Kakao eben gerade losging.

Meinem Zeit-Gefühl nach kann ich zumindest nicht lange auf dem Boden gelegen haben. Noch immer scheine ich davon genug zu haben. Ob ich das gut oder schlecht finde, weiß ich selbst nicht so genau.

Vorsichtig strecke ich meine Hand aus. Entweder sehne ich mich danach, mich selbst zu ruinieren oder meine Neugier ist zu groß.

Das eine schließt das andere ja nicht aus, ne? Also befreien wir mal die Fracht aus der Staubkiste.

Wenn es denn überhaupt dort drin liegt und ich nicht vorher wieder wie vom Blitz erschlagen auf dem Grund lande. Steif, als würde meine Hand nicht mehr zu mir gehören; ich sie eher bedienen, umschließt sie den Knauf der Schublade. Kein Zucken, keine in mich hineinjagenden Abermillionen Ampere übermannen mich.

Drei, zwei, ei–

»Nein, warte!«, schreie ich meiner eigenen inneren Stimme zu. Gleichzeitig bin ich zwei Schritte zurück geschritten, den Griff noch immer fest umschlossen, sodass ich nun über dem Boden gestreckt da stehe. Puh. Okay. Jetzt.

Ich zähle von drei abwärts runter und nähere mich dabei sowohl der Kommode, als dass ich sie auch aufziehe. Wir treffen uns quasi in der Mitte. Auf das Kommando Go luge ich hinein. Nur eine Sache befindet sich in der Schublade.

Ein rotes breites Band, worin eine glänzende Fläche in der Mitte integriert wurde. Es ist mein Armband. An dem einen Ende hebe ich es mit nur zwei Fingern ganz vorsichtig hoch. Als wäre es etwas fürchterlich Miefiges.

Aber wer weiß, was gleich noch passiert; ob es mir irgendetwas antut. Momentan weiß ich so gut wie nichts mehr.

Doch es geschieht nichts. Nicht mal minimale Stromfetzen. Kein Rumgekribbel, keine Emotionsregung, einfach nichts. Keine Ahnung, was ich gedacht habe, was dadurch in Gang gesetzt werden soll, aber ich habe mit einem Feuerwerk oder einer Explosion gerechnet – ob in mir oder außerhalb, da war ich mir bis zuletzt unschlüssig.

Achselzuckend stecke ich es mir in die Hosentasche. Vielleicht kann es mir in einer der Fragerunden mit Myst nützlich werden, damit ich sie zur Ruhe bringen kann. Das wäre ja mal was. Vor allem ein Fortschritt – für mich auf der Zielgeraden in puncto Körbe.

Wie Krause-Stirn das nur so locker hinbekommt?

»Myst! Nicht Krause-Stirn.« Wie sie das klargestellt hatte – köstlich. Myst. Mystisch. Mysteriös. Mysterium. Wieso ist ihr Name Myst? Rätselhaft.

Seitdem ist unglaublich viel passiert. Ist es nun wirklich schon der fünfte Schwellenreich-Tag mit ihr? Freaky. Mit meinem Hintern schiebe ich die Schublade wieder zu, vor der ich solche Angst hatte ... Ich schüttle mit dem Kopf. Zurecht – ich nicke mir zu – hatte ich Angst.

Chino und T-Shirt läuft? Ja, das passt. Nun wird es allerhöchste Zeit für die Bar. Mal sehen, ob Stirni damit rechnet, wenn ich ihr gleich die Schürze überreiche. Ich möchte sie auch einmal so richtig erwischen.

Gerade als ich den Lichtschalter betätige, ertönt das von mir erwartete Klopfen. Womit sie bei mir ein Kopfschütteln, aber auch ein Schmunzeln auslöst. Die Wut scheint erst einmal verraucht. Eventuell habe ich zu viel Energie bei dem Strom-Blitz-Dings-Fiasko lassen müssen und die Batterien müssen erst einmal wieder neu aufgeladen werden.

Lächelnd schwinge ich die Schürze von dem Haken und gehe nach vorne durch, um ihr die Tür zu öffnen. Lächelnd? Geht es mir gut? Vermutlich nicht, aber was solls.

»Gut–« Abrupt halte ich inne. Der nächste Schlag in die Fresse.

»Dir auch Wy, falls du guten Morgen sagen wolltest«, begrüßt mich Riesen-Ohr grinsend.

»Ja, na klar«, ich ringe nach meiner Fassung, »wünsche ich dir einen guten Morgen.« Er geht an mir vorbei, während ich immer noch nach draußen spähe.

»Links-Auge und Claus kommen auch gleich. Sie brauchten etwas länger«, informiert er mich.

Aha. Die Tür schnappt zu, denn ich folge ihm, gehe dabei extra langsam durch den Raum, falls er mir bezüglich jemand anderem auch eine Info geben will, aber er scheint nichts mehr zu sagen zu haben. Mein Blick gleitet zu dem grünen Etwas zwischen meinen Fingern, die es mehr und mehr zerknüllen.

Merkwürdig?! Was ist bloß mit Krause-Stirn? 

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