Eltern!

4.1K 125 16
                                    

Die nächsten Tage nach unserem "Gespräch" - was viel mehr ein Streit- und Anschrei-Duell gewesen war, um ehrlich zu sein - herrscht ziemlich eisige Stimmung zwischen mir und meinem Bruder.

Unser Wohnzimmer hat sich schlagartig nach meinem Eintreffen am Vormittag zur Arktis umgewandelt. Bis auf ein halbherziges "Morgen" und einem mehr als genuschelten "Alles klar?" - "Mhm" - Wortwechsel war nicht viel mehr zwischen uns entwickelbar gewesen. Selbstverständlich geht das hauptsächlich von meiner Warte aus.

Er hatte mich belauscht und außerdem wie der strenge, beschützerisch-veranlagte Bruder agiert, den ich nie haben wollte. Er ist genauso wie meine Eltern. Und dabei habe ich insgeheim eher gehofft, er würde mich unterstützen.

Munir kannte Aziz nicht gut, aber als er herausfand, was passiert war, muss sich wohl ein Schalter in ihm umgelegt haben, der ihn zu Mum und Dad's persönlichem Wachhund gemacht hat, der nur darauf abgerichtet ist, jeglichen Feindkontakt meinerseits zu potenziellen "Interessenten" des anderen Geschlechts zu melden.

Jedenfalls sitze ich nun äußerst schweigsam am Esstisch und schaufle Müsli in mich hinein, ohne meinen Bruder eines Blickes zu würdigen, der wohl krampfhaft versucht, eben jenen Blickkontakt herzustellen. Bisher ohne Erfolg, wie ich anmerken will.

Was soll ich sagen? Ich bin eben sauer auf ihn! Und ich bin teuflisch gut darin, sauer zu sein. Oftmals zeige ich anderen sogar solange die kalte Schulter, bis diese gar nicht mehr wissen, wegen was genau ich sie ignoriere und entschuldigen sich zerknirscht ein wenig später.

Äußerst unangenehm ist die Situation natürlich für Hassan, Lana und Zahmira, welche ebenso am Tisch sitzen müssen und die frostige Stimmung hautnah miterleben. Sie wissen ganz genau, um was es geht. Hassan hat es gestern mitangehört und hat es hundertpro seiner besseren Hälfte Lana berichtet, welche es dann haarklein ihrer besten Freundin Zahmira erzählt hat.

Als ich fertig bin mit dem Frühstück schnappe ich mir die Schüssel und verschwinde in die Küche, wohlwissend, dass Munir mir folgen wird, um ein Gespräch anzufangen, doch ohne auf ihn zu achten verschwinde ich in Richtung Treppe.

"Fa!", höre ich seine jammernde Stimme hinter mir und um nicht ganz die kleine, schmollende Schwester abzugeben, drehe ich mich seufzend um. "Ja?" "Du kannst nicht ewig sauer sein. Ich hab mich gestern schon entschuldigt, was willst du denn noch?", murmelt Munir gequält am unteren Treppenabsatz.

Ich rolle charakteristisch mit den Augen.

"Ich bin nicht sauer..." "Das kannst du unserer Urgroßmutter erzählen, Fa, ich bin dein Bruder, ich seh dir doch an, dass du wütend auf mich bist..." "Achso, du bist mein Bruder? Dann tu mir doch mal einen Gefallen und verhalte dich auch wie einer!", gifte ich und höre Munirs Seufzen, als ich die letzten Treppenstufen erklimme.

Anhand seines verkniffenen, teilweise schuldigen Gesichtsausdrucks erwarte ich keine Reaktion mehr von ihm, als er doch noch hinterherruft. "Ich bin beim Training, okay? Und... Fa?" Ich schweige daraufhin nur und starre auf die oberste Treppenstufe, auf der ich soeben stehengeblieben bin.

Munir scheint zu zögern, einige Sekunden lang, bis er leise seufzt. Dann höre ich Schleifen seiner Trainingstasche und das Quietschen seiner Sneaker und er verlässt das Haus.

Ich für meinen Teil bleibe nachdenklich stehen und überlege angestrengt, wegen was er so gezögert hatte. Es klang beinahe so, als hätte er noch etwas sagen wollen. Schließlich drehe ich mich auf den Hacken um und gehe zurück in mein Zimmer, als schon die Tudelei eine eingehende Nachricht ankündigt.

Mein Herz macht augenblicklich einen Satz - Dummes Herz - und ich werfe einen Blick auf das Display. Doch als ich daraufhin nur den Namen meines Bruders lese, verfinstert sich meine Stimmung merklich.

Don't Kill My Vibe // Neymar JRWo Geschichten leben. Entdecke jetzt