Verirrt?

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~ Fatimas POV~

So groß kann doch so ein verdammtes Stadion gar nicht sein. Ich meine, das war doch nur Rasen und Tribünen, das Gebäude an sich kann doch niemals so viel Umfang haben...

Doch offenbar genug, um sich endgültig darin zu verlaufen. Großartig, ich und mein Orientierungssinn mal wieder.

Ich versuche mich an sämtlichen Türen, doch fast alle sind verschlossen. Irgendwann sieht für mich jeder Korridor gleich aus. Das ist doch verrückt.

Vielleicht hätte ich doch mit diesem Ney-... mist, ich hatte nichtmal seinen Namen behalten können. Ich hätte ihm folgen sollen, auch wenn das anhänglich gewesen wäre, er wusste wahrscheinlich, wo mein Bruder ist.

Gerade, als ich mich selbst frage, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, wieder rausgeworfen zu werden, wenn ich diese Pappnasen von Security-Typen nach dem Weg fragen würde, gerate ich durch die nächste Tür mitten in eine der Umkleiden.

Sie ist augenscheinlich leer, doch einige Taschen stehen herum. Mein Blick fällt auf eine schwarze Snapback mit den Buchstaben NJR auf einer der Bänke ... Neymar Junior! Bingo, mir ist der Name wieder eingefallen. Dann muss er hier durch die Tür gelaufen sein. Vielleicht hatte ich ja jetzt endlich den richtigen Weg entdeckt.

Und anscheinend verlässt mich auch diesmal mein Glück nicht, denn ich nehme wie durch Zauberhand den richtigen Korridor, welcher hinaus ins Freie führt. Über mir ist leicht bewölkter Himmel, doch im Stadion ist es windstill. Die leeren Tribünen wirken fast friedlich, irgendwie beruhigend.

Nur am Rasen befinden sich einige Spieler in pinken Trainingsklamotten, welche offensichtlich trainieren. Während ich durch die Tribünenreihen schreite, schweift mein Blick über die einzelnen Spieler. Mir sagen die Gesichter kaum etwas, kein einziger. Natürlich würden meine Freunde in jedem Gesicht eine kleine Berühmtheit des Sports erkennen, ich jedoch nicht.

Oder doch...! Lionel Messi kenne ich. Jackpot!

Ohne es vorher zu bemerken scanne ich die Gesichter nach einem ganz bestimmten, mit gebräunter Haut, dunklen Haaren und grünbraunen Augen... warum suche ich eigentlich nach diesem... ähm... Ney-... verdammt, was ist mit mir los, jetzt hab ich seinen Namen schon wieder vergessen?

Ich laufe die Treppen hinunter bis zur Umsperrung des Feldes und beuge mich darüber. Für einen Augenblick überlege ich wirklich, hinabzuspringen, aber dann wäre vermutlich die Security hinter mir her. Außerdem ist es nicht gerade niedrig.

"Suchst du irgendwas?", ertönt in dem Augenblick eine fragende Stimme und ich fahre herum, doch hinter mir steht kein Mensch. Bin ich jetzt schon verrückt? Vermutlich, denn ich hätte schwören können...

"Äh, hier unten.", lacht die amüsiert klingende Stimme erneut und diesmal blicke ich über den Rand der Absperrung. Darunter steht einer der Spieler in pinkem Shirt, dunklen, fast schwarzen Haaren und hellen Augen.

"Oh... hey", lächele ich und verfluche mich gleichzeitig dafür. Ich muss gerade wirken wie eine Geistesgestörte. Doch das Grinsen des Jungen lässt diesen Gedanken schnell wieder verfliegen.

Ich richte meine Gedanken wieder auf die Tatsache, dass er mich kurz zuvor was gefragt hat. "Ähm, ich suche meinen Bruder, Munir... El Haddadi?" Kurz war das Gesicht des Typen ratlos, ehe seine Augen bei der Erkenntnis aufleuchten.

"Munir, na klar. Er spielt doch gewöhnlich in der B-Mannschaft, seit kurzem trainiert er bei uns mit.", murmelt er nachdenklich und dreht sich um. "Er steht irgendwo da drüben. Warte... spring einfach runter." "Da runter?" "Soll ich dir helfen?" "Nein, geht schon."

Ich stütze mich mit einer Hand am Geländer ab und schwinge beide Beine darüber, ehe ich einen Satz nach unten mache. Der Typ mit den intensiven Augen lächelt und hält mir eine Hand hin. "Ich bin übrigens Marc, Marc Bartra. Freut mich." "Fatima." Ich schüttele lächelnd seine Hand.

Ich blicke an Marc vorbei aufs Spielfeld. Etwas weiter entfernt als ich vermutet habe erblicke ich endlich meinen Bruder nahe eines Mannes mittleren Alters, mit dem er redete.

Mein Bruder und ich sehen uns eigentlich ziemlich ähnlich. Olivfarbene Haut, grüne Augen, dunkle Haare - Halbmarokkaner eben. Aber wir leben schon eine Ewigkeit in Spanien.

"Munir!", rufe ich mit lauter Stimme und mein Bruder wirbelt beinahe erschrocken herum. Er kneift die Augen zusammen, als er mich sieht. "Fatima?" "Nein, Cornelia... natürlich bin ich es! Beweg dich her, mach schon.", brülle ich zurück und rolle mit den Augen.

Kurz entschuldigt sich Munir bei dem Mann neben ihm, ehe er über den Platz auf mich zujoggt. "Was suchst du denn hier?", höre ich seine Stimme und schüttele grinsend den Kopf. "Nett. Es ist auch schön dich zu sehen, Brüderchen." Mit einem Seufzen fische ich sein Handy aus der Tasche.

"Hier, das hast du zuhause vergessen. Mum hat mehrmals darauf bestanden, dass ich es dir bringe." Munir nimmt mir das Handy zögerlich aus der Hand. "Du bist hier einfach reinspaziert?" "Ha. Einfach reinspaziert ist gut. Schön wärs! Diese Klitschko-Brüder am Haupteingang haben auf meine Fragen nicht reagiert und am Nebeneingang hat mich Pappnase Nummero Drei partout nicht ohne VIP-Pass reinlassen wollen. Ich meine, was ist das hier, Area 51 oder so? Warum ist hier so ein Sicherheitspersonal?"

"Du bist zu süß, wenn du dich aufregst, Schwesterchen." "Süß? Ich geb dir gleich süß. Ich hör nichtmal ein Danke?" "Dankeschön vielmals.", grinst Munir und wuschelt mir durchs Haar. "Gern geschehen.", lächele ich gnädig und versuche halbherzig , meine zerstörte Frisur zu bändigen.

"Ich hoffe, dieser kleine Gefallen hat meiner werten Schwester keine Unannehmlichkeiten gemacht?", fragt Munir immer noch spöttisch und ich schiebe schmollend die Unterlippe vor. Meine Freunde bezeichnen unsere kleinen Streiterein als "Typische-Bruder-Schwester-Konversationen" und irgendwie haben sie recht.

"Das war echt unheimlich, ich hab mich da drin gleich mehrmals verlaufen. Ich wäre auch gar nicht reingekommen ohne die Hilfe von... von... mir fällt der Name nicht ein." Munir seufzt grinsend. "Vorname? Nachname? Anfangsbuchstabe? Komm schon, Fatima..." "Du weißt, ich kann mir keine Namen einprägen. Er ist Brasilianer, irgendwas mit N-" "Neymar!" "Genau der!", grinse ich erfreut und versuche mir innerlich den Namen endlich in meinen Hirnwindungen zu verankern.

Ein Wunder, dass ich noch den Namen von Marc weiß, der inzwischen schon zurück aufs Feld gelaufen ist.

"Sis, der FC Barcelona ist der Heimclub unserer Stadt, noch dazu einer der besten auf der ganzen Welt. Vielleicht spiel ich irgendwann mal als Stammspieler in der Mannschaft? Es wäre keine schlechte Idee, dir endlich mal ein paar der wichtigsten Spieler zu merken.", seufzt Munir und ich verschränke stur die Arme.

Was geht mich der FC Barcelona an? Fußball ist nicht so mein Sport. Im Gegensatz zu meinem Bruder bin ich eher untalentiert mit Fußbällen... oder generell mit Bällen... jeglicher Art, Form und Größe. Selbst mit Golfbällen.

"Ich kenne immerhin Messi." "Jeder kennt Lionel Messi, der zählt nicht. Dass du nicht mal Neymar Jr kennst enttäuscht mich, Schwesterchen." Ich zucke unbeeindruckt mit den Schultern. So von sich selbst überzeugt, wie ich diesen Brasilianer in Errinnerung habe, ist er es nicht wert, dann man ihn auf offener Straße erkennt. 

"Brasilianischer Hoffnungsträger? Brutal aus der WM gefoult? Ist die ganze Weltmeisterschaft in Brasilien eigentlich an dir vorbeigerauscht, wo bist du letzten Monat gewesen?", fragte Munir feixend.

"Hier, in Spanien, genau wie du übrigens." Munir grinst erneut. "Irgendwann spiel ich für die spanische Nationalmannschaft und dann wirst du dir die Spiele ansehen müssen." "El Haddadi!", ruft plötzlich die Stimme des Mannes am Spielfeldrand, der genervt in unsere Richtung winkt.

"Hast du vor, bis morgen da rumzustehen oder schließt du dich wieder unserem Training an?" "Sofort, Coach!", antwortet Munir schnell. "Das ist unser Trainer, Luis Enrique. Ziemlich strenger Typ." "Sieht mir auch so aus... Ist der immer so...?" "Humorlos? Ja, so ziemlich.", grinst Munir und deutet in Richtung Tribünen.

"In ungefähr eineinhalb Stunden bin ich hier fertig, dann fahr ich dich nach Hause, wenn du willst?" "Eineinhalb Stunden?!", japse ich entsetzt. "Und was soll ich bis dahin machen?" "Keine Ahnung. Mach, wozu dir der Sinn steht. Aber verirr dich nicht!" "Ha Ha, ich lach mich tot, Bruderherz.", maule ich mies gelaunt und laufe in Richtung der Tribünen.

Scheint, als würde das hier ein ziemlich langer Tag werden...

Don't Kill My Vibe // Neymar JRWhere stories live. Discover now