Immer noch keine Entschuldigung

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Seufzend lehne ich mich gegen das Waschbecken im Toilettenraum. Mein Shirt ist durch die Hilfe des Gebläses wieder einigermaßen trocken, sodass es nicht mehr nass und aufreizend durchsichtig an meiner Haut klebt.

Bis jetzt scheint mir der Abend eine Katatrophe zu sein. Mir ist speiübel, veranlasst durch die stickige, warme Luft gepaart mit der Wirkung des Chupitos, ich sehe schrecklich aus, ich wurde blöd angemacht, kenne bis auf meinen Bruder, Sandro und einen gewissen brasilianischen Arsch kein Schwein, und wurde zur Krönung bereits mit einem Drink übergossen. Aber hey! Ab jetzt kann es eigentlich nur noch schlimmer werden!

Ich streiche mir also ein paar verschwitzte Strähnen aus dem Gesicht und atme tief durch, bevor ich den Raum wieder verlasse und in die dämmrige, verschwommene, von Lichtern getünchte Atmosphäre des Clubs eintauche, die manchmal wie eine fremde Welt wirkt. Eine Welt, in der Menschen feiern, als existiere kein Morgen, in der alles egal ist und in der kleine Worte und Sünden einfach untergehen.

Auf der Tanzfläche drängen sich die Feierwütigen eng aneinandergepresst zu den Bässen der Musik und ich suche mir angestrengt einen Weg daran vorbei, doch es ist so vollgestopft, dass es kein Durchkommen für mich gibt.

Also beginne ich gezielt meine Ellenbogen einzusetzen, um mich zwischen den schwitzenden Leibern hindurchzuzwängen, doch bald wird mir klar, ich würde meinen Ellenbogen noch einem ganz bestimmten Typen in die Seiten rammen müssen.

Ich spüre, wie sich Finger um mein Handgelenk schließen und versuche mich schlagartig loszureißen, doch werde einfach aus der Menge herausgezerrt und spüre die kühle Mauer im Rücken.

"Oi. Wen haben wir denn da?", höre ich eine mir sehr bekannte, amüsierte Stimme und blicke in grün-braune Augen. Neymar lehnt sich neben mir an die Wand und hebt die Snapback, um mit einer Hand durch seine Haare zu fahren.

"Oh, laber jemand Anderen voll, Idiot.", schnauze ich gestresst und tauche geschickt unter seinem Arm hindurch, um mich zu verziehen, doch da taucht er wieder vor meiner Nase auf und ich stoppe ruckartig, um ihm nicht zu nahe zu kommen.

Schwacher Fluchtversuch, Fatima.

Neymar grinst nur schief, seine Zähne glühen durch die Stroboskoplichter weiß, ebenso sein weißes Shirt. "Dachtest du, du könntest abhauen?"

Ich seufze genervt. "Hatte ich irgendwie gehofft, ja!"

"Kläglicher Versuch.", lacht er und lehnt sich etwas vor, um seine Hand neben meinem Kopf an der Wand abzustützen. Sein leicht schwankender Gang zeugt davon, dass er sich vermutlich nicht mehr alleine auf den Beinen halten kann, weshalb er permanent die Hilfe der Mauer zu benötigen scheint.

Ich rolle mit den Augen.

Sein Blick ist trüb, durch den Alkohol, doch immernoch elektrisierend. Das Discolicht lässt seine Augen seltsam strahlen. "Wie fandest du mein Spiel heute?" "Kurz.", folgt meine pampige Antwort und ich amüsiere mich köstlich über seine kurz entglittenen Gesichtszüge. "Außerdem hab ich am Allerwenigsten auf dich geachtet."

Er grinst "Das kaufe ich dir nicht ab." "Ach, nein?" Er schüttelt den Kopf. In dem Moment wird Neymar von hinten angerempelt und stolpert den fehlenden Schritt nach vorne, sodass sich sein Körper an meinen presst. Sein Gesicht gleitet nur knapp neben meinem vorbei und ich schnappe nach Luft.

Mein Herz beginnt aus mir unerklärlichen Gründen zu rasen. So nah ist er mir bis jetzt nur einmal im Handyshop gewesen, als er mich zwischen den Regale gezerrt hat, um den Blicken der Paparazzi zu entgehen. Und damals schon hat mein Herz einen Satz gemacht. Vielleicht soll ich deshalb mal zum Arzt gehen...

Neymar dreht den Kopf, um zu sehen, wer ihn geschubst hat. "Ei, cuidado!", bellt er, bevor ich meine Handfächen gegen seine Brust presse und ihn von mir wegdrücke.

"Beweg dich.", knurre ich genervt und will mich erneut verziehen, doch Neymar stoppt mich, indem er auch die zweite Hand neben meinem Kopf abstützt, sodass ich mehr oder minder gefangen bin.

"Werden wir leicht aggressiv?", haucht er.

"Hör ich eigentlich keine Entschuldigung für vorhin? Kennst du das Wort überhaupt?", schnauze ich ihm entgegen und er runzelt kurz die Stirn. "Tut mir leid? Ich weiß nur nicht, wieso?" "Dummkopf.", murmele ich. "Für den Drink, der mitten auf meinem Shirt gelandet ist, vielleicht? Du hast mich einfach umgerempelt!"

Erneut ein verwirrter Blick seinerseits. "Ich hab was?" "Tu nicht so. An der Bar?" Plötzlich erhellt sich sein Blick. "Das warst du? Hab dich gar nicht erkannt." "Nicht erkannt? Das ist jetzt deine Ausrede? Du hast..." Ich stoppe mich in meinem Redefluss und unterbreche mich selbst. "Weißt du, bei deinem momentanigen Zustand wundert mich das gar nicht so sehr."

"Sehe ich das jetzt richtig, dass du deshalb sauer bist?" "Fein erkannt, Futbolista. Und wenn du nichts dagegen hast, würde ich mich jetzt gern verziehen." "Und wenn ich etwas dagegen hätte?", haucht er erneut und sein heißer Atem streicht mir übers Gesicht.

Für einen Moment ist sein Gesicht mir so nah, so verdammt nah, und er leckt sich über die Lippen, bevor seine Augen meine fixieren und schließlich zu meinen Lippen rutschen. Meine Gedanken sind kurz wie vernebelt.

Rasselnd hole ich Luft.  "Dann würde ich sagen, Pech gehabt.", antworte ich. Ein Grinsen huscht über sein Gesicht. "Beim nächsten Mal dann, Princesa.", flüstert er, zwinkert noch, bevor er die beiden Arme von der Wand wegnimmt und im nächsten Moment im drängelnden Menschenstrom verschwunden ist.

Ich stehe immer noch an der Wand, wie bestellt und nicht abgeholt und starre auf die tanzende Masse, bevor das fragende Gesicht meines Bruders vor meiner Nase auftaucht.

"Da bist du. Ich hab dich schon überall gesucht, Fa.", meint Munir und deutet über seine Schulter nach hinten. "Ich dachte, du wärst bei Sandro?" "War ich auch. Bis vor kurzem jedenfalls.", antworte ich, bevor ich den Kopf schüttele.

"Hey, lass uns heim fahren. Ich hab keinen Bock mehr.", meine ich und Munir nickt einsichtig. "Ist alles okay?" "Alles bestens." Ich grinse, doch es fühlt sich an, als würde sich mein Gesicht zu einer Fratze verziehen.

"Lass uns gehen, ich bin müde.", jammere ich und weiß, dass dieser "Kleine-leidende-Schwester"-Trick bei Munir immer funktioniert. So auch diesmal.

Ein paar Minuten später sitzen wir in einem Taxi nach Hause und ich starre durch die Scheibe nach draußen. Die blinkenden Lichter der Stadt ziehen daran vorbei, mein gesamter Kopf dröhnt.

"Ist wirklich alles okay?", hörte ich die Stimme meines Bruders erneut und warf ihm einen schlitzäugigen Blick zu. "Ja doch!" Ich nickte bekräftigend. "War ja nur eine Frage. Du siehst nämlich echt fertig aus." "Ach, tu ich das?" "Ja. Tust du. Ist irgendwas passiert?"

"Nein. Gott! Was soll überhaupt der Verhör?" Munir zieht überrascht die Augenbrauen hoch. "T-Tut mir leid. Ich bin nur furchtbar müde, Muni.", stöhne ich und stütze meinen Kopf träge an seiner Schulter ab.

"Ich hab dich ungefähr 5-mal versucht, zu erreichen, ist dein Handy überhaupt an?", murmelt er mit Blick auf das Display seines Smartphones. "Ja, ich denke schon.", murmele ich träge. "Ich hab den ganzen Abend nicht draufgesehen und hören konnte ich es ja schlecht."

Prüfend fährt meine Hand zu meiner Hosentasche, wo mein nigelnagelneues Smartphone eingesteckt ist und ich weiß mit einem Schlag, was hier so falsch läuft.

Ich hatte mein Handy verloren...

Don't Kill My Vibe // Neymar JRWhere stories live. Discover now