Alkohol und nasse Shirts

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Nachdenklich stehe ich vor dem raumhohen Wandspiegel und beschäftige mich mit der Frage, die sich wohl jedes Mädchen im gesamten Universum wohl öfter als einmal stellen muss: Was-soll-ich-anziehen?

Eigentlich hab ich null Lust auf Feiern, doch alleine zuhause rumzusitzen kommt mir dann doch zu spießig vor. Also schlüpfe ich in eine hautenge, schwarze Skinny-Jeans und ein knappes, weißes, fließendes Top, fahre mir mit einer Bürste durch meine langen Haare und zwinge mich zu einem blendenden Party-Grinsen.

~*~

"Siehst gut aus, Brüderchen.", rufe ich, als ich meine schwarzen Ankle Boots zuschnüre und tippe Munir im Vorbeigehen auf die Schulter. Er ist versunken in sein Smartphone, sein Blick ist gesenkt. Er trägt dunkle Bluejeans, weiße Jordans und ein helles Shirt.

"Ich bin ehrlich gesagt ziemlich überrascht, dass du überhaupt mitkommst, Fa.", murmelt er, ohne vom Bildschirm aufzusehen.

"Ja, ich glaub's auch nicht.", antworte ich mit leiser Stimme.

"Wer schreibst dir?"

"Sandro." Munir lässt das Handy in seiner Tasche verschwinden. "Er fragt, wo wir bleiben. Und - Zitat - dass du ja nicht kneifen sollst, da er sonst persönlich vorbeikommt."

Ich rolle mit den Augen und deute zur Tür. "Sollen wir dann, der Herr?" "Das Taxi ist noch nicht da, das weißt du schon?" "Taxi? Ich dachte, du fährst mit deinem Wagen?", eriwidere ich verwirrt.

Munir schüttelt den Kopf. "Seit Sandros Unfall fahr ich nicht mehr dicht nach Hause." "Stimmt ja." Ich schlage mir selbst auf die Stirn. Vor einigen Monaten erst hatte Sandro einen Autounfall nach einer Partynacht. Schlau auch noch, Fa, mannomann. Ich muss wieder anfangen, mitzudenken, sonst würde dieser Abend noch Überraschungen bringen.

Aber ich habe irgendwie das Gefühl, das lässt sich sowieso nicht vermeiden.

~*~

Der Bass der Lautsprecher dröhnt mir in den sowieso schon durch Fangekreische geschundenen Ohren und ich blinzele, um mich an die dämmrige, von Stroboskoplichtern durchzuckte Atmosphäre im Inneren des Clubs zu gewöhnen.

Erneut frage ich mich, wieso ich mich dafür entschieden habe, mitzukommen, doch da ich es Sandro wirklich zutraue, persönlich vorbeizuschneien, war es sicher die richtige Entscheidung.

Munir tippt mir auf die Schulter und deutet zu einer Gruppe von Leuten, die wohl zum Team gehören. Ich kann ihn nicht verstehen, doch nicke bloß, als er auf sie zusteuert und bemerke erst danach, dass ich somit wie ein Schluck Wasser in der Kurve stehengelassen worden bin.

Unschlüssig sehe ich mich um und steuere erstmal die Bar an, um nicht ganz so dumm dazustehen.

"Hey, Schnecke! Ich wusste ja, dass du nicht kneifst.", ertönt Sandros laute Stimme neben mir und ich fahre herum. Er lehnt sich an die Bar und ruft dem Barkeeper eine Bestellung zu, bevor mich mit leicht glasigem Blick angrinst.

"Hätte ich nicht gewagt.", gebe ich grinsend zurück. Vor uns landen zwei Chupitos und ich mustere Sandro mit einem bedeutsamen Blick. Er ist bekannt dafür, in Sachen Alkohol etwas über die Strenge zu schlagen, doch das scheint ihn nicht zu kümmern, als er den hochprozentigen Shot runterkippt als wäre es Wasser.

Ich überdrehe die Augen, tue es ihm gleich und spüre das bekannte Brennen im Rachen, versuche krampfhaft, das Gesicht nicht zu verziehen.

"Kommst du mit zu den anderen?", fragt Sandro leicht lallend und ich nicke. Sandro dreht sich schwungvoll um und entfernt sich durch die Menge von mir.

In dem Moment, in dem ich vom Barhocker rutsche und mich umdrehe, rempelt mich jemand so dermaßen heftig, dass ich das Gleichgewicht verliere und - dank des vorhergegangenen Shots - auch nicht mehr finde.

Hätte ich je die Hoffnung gehabt, jemand würde mich auffangen, hätte ich sie spätestens dann verloren, als ich am Boden aufpralle. Zusätzlich spüre ich den eiskalten Drink, der sich in meinem Shirt vollgesogen hat, als der Typ mir sein Glas praktisch entgegengeworfen hat.

"Kannst du nicht aufpassen, wo du hintorkelst, du...?!" Meine Stimme versiegt, als ich in grünbraune Augen blicke und noch dazu die rotschwarze Snapback, auf denen die Buchstaben NJR prangen.

"Ups.", murmelt er etwas benommen und ein schiefes Grinsen zieht sich über sein Gesicht. Ich - die schlagfertige Fatima El Haddadi - bringe doch immer noch am Boden sitzend tatsächlich keinen Ton mehr raus, sondern forme meinen Mund zu lautlosen Worten.

Neymar lehnt sich zurück an die Bar, deutet dem Barkeeper mit einer Handgeste und nimmt den ihm prompt zugeschobenen Drink in die Hand, bevor er und Dani Alves, der neben ihm aufgetaucht ist, durch die Menge verschwinden.

Das ist jetzt nicht passiert. Das meint dieser Samba-Kicker doch nicht im Ernst?!

Immer noch fassungslos starre ich ihm hinterher, als plötzlich zwei Hände unter meinen Armen sind und ich wieder auf die Beine gestellt wurde. "Na, Süße, was sitzt du so auf dem Boden herum, hm?", ertönt eine lallende Stimme, doch ich reiße mich bloß genervt los, als er mir noch dichter auf die Pelle rückt.

"Bleib mir vom Leib.", zische ich, während ich im Atem des Typen deutlich den Alkohol riechen kann und drehe mich schwungvoll um, sodass meine Haare herumfliegen.

Mein Top klebt an mir und ich fühle, wie mein Puls erneut hochgeht, als mir Neymars Gesicht vor Augen erscheint. Was hat dieser Typ für ein Problem? Ist er des sich Entschuldigens nicht mächtig oder so?

"Hey! Da bist du ja. Wo bleibst du denn?", vernehme ich die dumpfe Stimme von Sandro an meinen Ohren, als er hinter mit auftaucht und um mich herumschreitet, um mich an den Schultern durch die Menge zu schieben.

"Was zur Hölle ist denn mit dir passiert?", fragt er mit einem amüsierten Blick auf mein durchnässtes Shirt. "Ich bin sicher, du hast keinen Wet-T-Shirt-Contest nötig, um die Jungs auf dich aufmerksam zu machen, Schnecke." "Wirklich sehr witzig.", brumme ich unzufrieden, doch ich bezweifele, dass Sandro die Bemerkung durch den lauten Sound der Musik im Hintergrund überhaupt gehört hat.

Inzwischen hat mich Sandro einigermaßen wohlbehalten durch die Menge an Leuten gelotst, bis zur Traube an Barca-Spielern, deren Gesichter mir nicht das Geringste sagen. Sandro stellt mich knapp vor, doch seine sowieso recht undeutlich-lallende Stimme geht im Geräuschpegel völlig unter, also erspare ich mir einen Gruß, sondern nicke ihnen bloß grüßend zu.

Sie heben ihrerseits ihre Gläser zum Gruß.

"Hey, Fatima, richtig? Wusste gar nicht, dass du auch da bist.", höre ich eine freundliche Stimme und drehe mich um. Marc Bartra taucht aus der Menge auf, deutet der Truppe, mit der er soeben unterwegs gewesen ist, sie sollen weitergehen und gesellt sich zu uns.

Ich will soeben die Begrüßung erwidern, als ein Typ mit braunen, längeren Haaren den Arm um den Hals von Marc hängt. Er ruft irgendetwas, das ich kaum verstehe und Marc lacht. "Ich komm ja gleich, Sergi.", antwortet er.

Mir schießt der Name Sergi Roberto durch den Kopf und tätschele mir selbst mental die Schulter, dass ich mich erinnert hab. Ich lerne ja wenigstens dazu.

"Ey, wieso ist dein Shirt nass?", fragt Sergi und deutet an mir herab, gefolgt von einem breiten Grinsen. "Nicht, dass es mich stört, aber..." "Ja, weißt du, mir war warm, also hab ich mir den nächstbesten Drink übers Oberteil gekippt...", rufe ich mit Sarkasmus in der Stimme.

Doch da betrunkene Gehirne nicht mehr fähig sind, Sarkasmus anzuwenden oder zu verstehen, mustert mich Sergi bloß weiterhin grinsend und lässt stattdessen Marc wieder los.

Da die zwei weiterhin nur herumblödeln, beschließe ich nach kurzem Überlegen erstmal die Toilette aufzusuchen, um mein Top vielleicht notdürftig zu trocknen, um nicht weiterhin von der gesamten männlichen Gesellschaft angestarrt zu werden.

Sowas kann immerhin auch nur mir passieren. Und daran ist einzig und allein dieser Neymar schuld! Und mir wird erneut bewusst, dass er mir wieder - wahrscheinlich bis in alle Ewigkeit andauernd - eine Entschuldigung schuldig bleibt.

Don't Kill My Vibe // Neymar JRWhere stories live. Discover now