Don't Kill My Vibe // Neymar JR

Zu spät

~Neymar POV~

"Bro, ich dachte, du kreuzt hier heute gar nicht mehr auf.", murmelt Dani Alves, als er die nächste Tür aufstößt und ich meine Tasche auf die nächstbeste Bank in der Umkleide werfe.

"Wir dachten zuerst, wir warten auf dich, aber nach zehn Minuten wurde es irgendwie allen zu blöd.", grinst er. "Ja, tut mir leid, hab irgendwie verpennt und mich dann draußen verquatscht." "Hab ich gesehen.", murmelt Dani mit den Augen auf dem Bildschirm seines iPhones.

"Wer war die Kleine eigentlich?" "Hm?" "Die Süße da draußen auf dem Gang?" Ich sehe zurück zur Tür und erneut tauchen diese dunklen Augen und die dazu passenden fast schwarzen Haare des Mädchens von der Tür vor meinem inneren Auge auf.

"Also entweder ist sie die Schwester von Munir...", antworte ich, während ich die Cappy abnehme und durch meine Haare fahre. "... oder sie hat mich verarscht und stürmt im Augenblick als verrückter Fan das Spielfeld."

Dani grinst. "Das würde dir wenigens mehr Zeit verschaffen, Ney, du bist jetzt nämlich schon fast zehn Minuten zu spät." "Mist.", fluche ich und wühle in der Tasche.

"Die war irgendwie niedlich, hatte keine Ahnung, wer ich bin...", plappere ich gedankenverloren, während ich das Trainingsshirt überstreife. "Ooh, kratzt das an deinem Ego, Junior?", kichert Dani spöttisch.

Ich werfe mit dem Handtuch nach ihm, während er es nur grinsend abwehrt. "Jetzt sind es übrigens schon fast 13 Minuten... ich bin dann mal draußen, ich hab keinen Bock, wegen dir auch auf den Deckel zu kriegen."

"Ja, nicht, dass dich Enrique aus der Stammelf wirft.", rufe ich ihm provokant hinterher und ignoriere seinen Mittelfinger.

"Quatsch nicht und beeil dich lieber, Ney.", mault er und ich mache mich grinsend fertig. Seit Dani nicht mehr im Aufgebot der Selecao steht ist er nur noch ambitionierter im Bezug auf seinen Stammplatz hier bei Barca. Das bestärkt mich allerdings nur noch mehr, ihn damit aufzuziehen.

~*~

Als ich durch den Tunnel die Treppen hoch aufs Spielfeld renne, erblicke ich schon so ziemlich jeden meiner Teamkollegen im pinken Trainingsdress auf dem Rasen. Jedes Mal aufs Neue ist es für mich die Erfüllung eines Traums, hier mit Spielern wie Messi, Xavi und Iniesta trainieren und spielen zu dürfen, die ich zuvor nur von den Fifa-Videospielen kannte.

Besonders zu Beginn meiner ersten Saison war die ganze Situation irgendwie surreal. Dann stand ich plötzlich auf dem Feld und sehe links Leo, rechts Xavi und es war, als wäre ich mitten im Videospiel.

Ich sprinte aufs Feld hinaus und hoffe, der Trainer würde mich nicht bemerken.

Doch da ertönt bereits die Stimme von Luis Enrique.

"Ah, da ist er ja endlich. Haben wir uns auch dazu bequemt, mal aufzutauchen, Señor da Silva Santos?"

Ich bleibe stehen und beiße die Zähne aufeinander. Einige meiner Teamkameraden lachen verhalten, als ich mich umdrehe und in die Augen von Trainer Luis Enrique sehe. Er sieht nicht unbedingt zufrieden aus, doch das tut er ja auch nie so richtig.

"Tut mir leid, ich bin..." "...wieder mal zu spät, ich seh's. Hören sie mal, Neymar, wir hatten noch nicht viele Trainingseinheiten in der neuen Saison. Ich hoffe, sie wissen selbst, wie wichtig jede einzelne ist. Und das bedeutet nicht, hier aufzutauchen, wann einem der Sinn steht." "Ich hab..." "... hoffentlich verstanden, nehme ich an?"

Ich hasse es, wie er die Sätze stets selbst zuendeführt.

"Ja, verstanden.", antworte ich artig und der Trainer nickt. "Gut, dann mal zehn Runden zum Aufwärmen." Hinter mir ist unterdrücktes Lachen zu hören und ich muss mich nichtmal umdrehen, um zu wissen, dass es Dani und Rafinha waren.

"Zehn Runden?", japse ich ungläubig. "Ja, zehn. Um den Platz. Und am besten heute noch, wenn es nicht zu viele Umstände macht."

Als Enrique sich wieder umdreht, kicke ich leicht genervt über den grasbewachsenen Untergrund, ehe ich mich daran mache, schnellstmöglich diese Runden zu rennen um den Trainer nicht noch mehr zu verärgern.

Ich kann mir keine Uneinigkeiten leisten. Wir starten in die Saison und Luis Enrique hatte mehrmals erwähnt, dass er genug Optionen in seinem "Luxuskader" dieses Jahr hatte. Es sitzen einige weltklasse Spieler auf der Bank, dieses Jahr muss jeder um einen Stammplatz kämpfen.

Wenn es etwas gibt, das ich nicht will, dann ist es, bloß Joker zu sein. Ich hasse es, auf der Bank zu sitzen. Aber eigentlich ist es ja ganz einfach. Ich muss dem Trainer einfach nur beweisen, dass ich gut genug für die Stammelf bin.