Kapitel 1

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»Bewege deinen Arsch aus dem Bett. Du kommst schon wieder zu spät. Jeden Morgen das gleiche Theater«, hörte ich von weiter Ferne meine Mutter schreien. Verdammt. War ich nicht gerade noch auf einer warmen Sommerwiese und genoss das weiche Gras unter meinen nackten Fußsohlen? Irgendwie schon. Doch schneller wie gedacht, wurde ich in die Realität gerissen, raus aus meinem Traum. Denn binnen weniger Sekunden traf mich der Schlag. Kalt. Nass. Scheiße...

Das kühle Wasser brachte mich schneller aus dem Bett, wie ich eigentlich wollte. Meine Knochen fühlten sich steif an und schmerzten auf Anhieb. Ich verlor sogar fast das Gleichgewicht, weil ich mich noch immer im Halbschlaf befand. Am liebsten hätte ich mich an einen anderen Ort teleportiert; nur um ein einziges Mal in ein Leben zu tauchen, was einen Sinn meines Daseins beinhaltete.

»Sag mal: Was soll der Mist? Wie soll ich die Scheiße denn jetzt wieder trocken bekommen?«, schnauzte ich meine Mutter an, riss auf Anhieb die Decke aus meinem Bett, um wenigstens diese etwas zu retten, bevor sie komplett nass wurde. Am liebsten hätte ich ihr eine gescheuert. Wie konnte sie es nur wagen? Aber sie war meine Mutter und auch wenn sie irgendwo niemals eine richtige für mich gewesen war, bedeutete sie mir doch etwas. Respekt hatte ich trotz dessen vor ihr, obwohl sie es nicht einmal annähernd verdiente und ich ihr hin und wieder meine Meinung geigte. Wenn sie es wenigstens verstehen würde.

»Das ist mir doch schnuppe. Mach das du raus kommst. Peter kreuzt dann gleich auf und da will ich dich nicht hier haben. Hast du das kapiert? Ich will meine Ruhe. Wir wollen es!« Wutentbrannt nahm sie ihre Beine in die Hand, hetzte aus meinem Zimmer und knallte die Tür lautstark hinter sich zu, sodass die Wände erzitterten. Ich konnte nur noch ihre polternden Schritte hören, die sich immer weiter nach unten entfernten.

Das war wieder typisch für sie. Wenn ihr Freund kam, war ich erst recht nicht mehr interessant. Nicht einmal, wenn dieser Penner überhaupt nicht existieren würde. Da fragt man sich echt, wieso manche Leute Kinder in die Welt setzen. Als ich sie schon einmal darüber ausquetschte, warum sie mich geboren hatte, meinte sie bloß, dass mein Vater mich damals wollte und sie regelrecht anflehte mich zu bekommen. Da wusste allerdings noch niemand, dass er ein Jahr später an Leukämie starb. Natürlich konnte ich mich nicht an ihn erinnert. Das einzige was mir blieb: Ein Foto, wo er mich stolz auf seinem Arm hält.

Wie er wohl gewesen ist? Ich hätte gern den Mann auf dem Bild kennengelernt. Ich glaubte schon, dass er nett war, denn meine Mutter sprach manchmal von ihm, wenn sie wie so oft einen über den Durst trank. Möglicherweise wäre sie gar nicht so geworden, wenn es ihn noch gäbe. Zumindest glaubte ich fest daran. Sie hatte mit Sicherheit den Tod niemals von ihm überwunden und suchte im Alkohol ihren Tost. Dabei vergaß sie mich. Doch nur, weil ich ihm extrem ähnlich sah, konnte ich nichts dafür und es war auch nichts an der ganzen Situation zu ändern, dass er weg war. Sie musste endlich damit klar kommen. Schon für mich.

Vor ungefähr einem Jahr lernte sie schließlich Peter kennen. Er war einer der vielen Typen, den sie anschleppte und das waren echt genügend. Manche schienen sogar tatsächlich in Ordnung zu sein. Andere wiederum waren für den Arsch. So wie ihr jetziger Schwachmat. Ständig sagte sie mir, dass es für die Ewigkeit wäre. Allerdings sagte sie das bei dem davor schon und bei den anderen auch und davor auch... Und um ehrlich zu sein, wollte ich dieses Arschloch nicht länger ertragen. Meine Mutter war ja schon schlimm, aber Peter?

»Es ist Sonntag!«, brüllte ich ihr noch hinterher und hoffe, dass sie nicht weit genug entfernt war, um es zu hören. Immerhin musste ich sie wohl daran erinnern, dass am Wochenende kein Unterricht stattfand. Bei was sollte ich also bitte schön zu spät kommen? Oder hatte sie ihr kleines bisschen Hirn komplett versoffen? »Dann gehe halt irgendwo anders hin. Hauptsache wir haben unsere Ruhe«, blaffte sie die Treppe hinauf. Zumindest war sie nicht taub. Das brachte mich leider aber auch nicht weiter. »Beim Vögeln oder was?«, murrte ich und ließ mich rückwärts auf die klatschnasse Matratze sinken. »Boar, das kann echt nicht wahr sein!« zischte ich sauer und kam wieder ruckartig zum Stehen, weil sich augenblicklich die Feuchte an meinem Hintern breit machte. Es war echt frustrierend. Das alles war beschissen. Meine Mutter. Die Schule. Ja mein ganzes Leben.

Someday I - I looked into your eyesWhere stories live. Discover now