Kapitel 12

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Wir standen schon eine Weile in der Nähe meines Hauses und sprachen kein einziges Wort miteinander. Toll. Echt. Ich verdrehte die Augen und hätte am liebsten geschrien. Ich lief nur immer wieder nach links und rechts und stieß irgendwelche Steine mit den Schuhen an, die gar nicht existierten. Mein Kopf hatte eine Beule abbekommen, aber die Wunde war nicht groß, somit erinnerte mich am morgigen Tag nur noch eine kleine Schürfwunde daran, dass ich nicht einmal richtig laufen konnte. Ungeachtet dessen war das für mich nichts Schlechtes, denn dann stand ich am Morgen vor dem Spiegel, sah es und wurde daran erinnert, dass das alles tatsächlich passierte. Das es ihn gab. Edan. Damit konnte er mir nicht wieder irgendetwas vom Pferd erzählen. 

Wir befanden uns weiterhin am gleichen Ort. Ich, die immer wieder unsicher hin und her wanderte und dieser Mann, der mich dabei beobachtete, wobei mir immer unwohler wurde. Vor allem da wir kein weiteres Wort miteinander wechselten. Die Schule war mittlerweile vorbei. Nun ja. Eher schon eine Weile. Dort vermisste mich sowieso niemand, aber was war mit ihm? Sollte ich nun einfach ins Haus gehen? Wenn ich das aber machte, sah ich ihn wieder? Ich wollte, dass er in meiner Nähe blieb. Schon aus dem Grund, dass er nicht wieder so tun konnte, als würde er mich nicht kennen und hinzukommend brauchte ich die Gewissheit, dass er tatsächlich existierte und keine Einbildung war. Edan stand bei mir und da war mir auch egal, ob wir noch Stunden an diesem Ort verweilten oder ich mir langsam total dämlich vorkam.

»Bist du nicht etwas zu alt für die Schule?«, wollte ich schließlich von ihm wissen und versuchte ihm ein Gespräch ans Knie zu nageln, wenn er sich schon in meiner Nähe befand. Als er die Jungs wegschickte, die mich quälten, fragte ich mich das ebenso. »Man ist nie zu alt, um in die Schule zu gehen«, lachte er unverhofft. Prompt verharrte ich in meiner Bewegung und musterte ihn eindringlich. Klar konnte jeder in die Schule gehen. Es gab immer mal ältere Jungen und Mädchen, aber wie zwanzig sah er dann nun doch nicht mehr aus. Er hätte ein junger Lehrer sein können, aber kein Mitschüler? »Jetzt mal im Ernst. Du bist doch viel zu alt dafür!«, sagte ich erneut und starrte Edan genau in die Augen. »Ach so? Bin ich das? Woher willst du das denn wissen? Hast du eine Ahnung davon, wann ich geboren wurde?«, sprach er erstaunt über meine Aussage, als wäre es nicht der Rede wert darüber überhaupt zu sprechen.

Aber auf seine Antwort zurückzukommen: Nein. Selbstverständlich wusste ich es nicht. Allerdings war ich auch nicht blind. Möglicherweise verriet er es mir ja irgendwann, doch wenn ich daran dachte, dass dieser Mann manchmal auftauchte und schließlich verschwand, ich ihn vergaß und er mich dann wieder verleugnete, wusste ich nicht, was das alles sollte. Er sagte auch nichts dazu, als ich ihn aufforderte mich zu küssen und den ganzen Weg bis zu meinem Zuhause, sprach er ebenso kein einziges Wort. Mir ging natürlich das was ich von ihm verlangte, die ganze Zeit im Kopf herum und auch wenn es mir peinlich war, wäre es angebracht gewesen sich wenigstens kurz zu äußern. Ich selbst konnte es auf den Sturz schieben. Aber die Reaktion seinerseits wirkte, als wäre das alles nicht passiert. Die ganze Zeit hoffte ich vergeblich, dass er das Thema selbst anschnitt. Leider passierte das nicht. Und auch in diesem Moment wirkte es, als müsse ich ihm alles aus der Nase ziehen. Gehen wollte er aber scheinbar auch nicht.

»Du siehst jedenfalls aus wie ein Student oder so!«, sprach ich geradeaus und versuchte mich wieder abzulenken. Ich wollte nicht daran denken, wie blöd ich gewesen bin. »Danke!«, griente Edan unverhofft, als wäre es der Witz des Jahrhunderts, aber sagte sonst nichts weiter dazu. Toll. Das war eine Konversation, die ich mir anders ausmalte. Er sollte nicht so sein. Er musste mit mir reden. Ich wollte alles über ihn erfahren, aber er war genauso geheimnisvoll, wie bei Henry. Auch im Anschluss sprach niemand groß über sich, was die ganze Sache bloß noch eigenartiger machte. Aus diesem Grund wurde ich schon wieder wütend. Was war bloß mit mir los?  Jedoch tauchte auch die Frage auf: Was ist mit ihm los?  Was bedeutete das, dass er sich von mir wahrscheinlich fernhalten wollte, aber nun bei mir stand und keine Anstalten machte gehen zu wollen. »Du kannst gern gehen. Du musst nicht hier bei mir sein«, flüsterte ich etwas später, obwohl mich mein Innerstes anschrie, wie bescheuert ich war und so etwas nicht sagen sollte.

Someday I - I looked into your eyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt