Kapitel 16

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Der Weg nach Hause verlief trotz der weiten Strecke ziemlich kurz, obwohl wir gemeinsam gingen oder zumindest schien das wahrscheinlich der Grund zu sein. Allein glaubte ich ewig zu laufen. Mittlerweile war es später Nachmittag. Der Himmel war zwar bewölkt, es regnete aber nicht und es sah auch nicht so aus, dass es gleich dunkel wurde, denn davor hatte ich plötzlich wieder solch eine Angst, dass ein Schauer über meine Haut lief. Edan drückte anbei meine Hand etwas fester, weil er das bemerkte und ich suchte noch mehr seine Nähe, sodass ich seine Jacke an dem Pullover spürte, den er mir von sich geliehen hatte.

Sein Geruch war somit prompt überall um mich herum, den ich noch nie zuvor so extrem wahrnahm. Er nullte mich ein, aber dieser machte mich auch verdammt wahnsinnig. Er war wunderbar und brachte mich dazu an ihn zu denken, wie wir gemeinsam in seinem Zimmer und im Bett lagen und... es lenkte mich eindeutig von diesem Vieh ab, dem ich vor nicht allzu langer Zeit begegnete. Allerdings nicht komplett. Kurz darauf hörte ich nämlich ein Knacken, schreckte hart zusammen und schrie sofort wie eine Irre auf. Gott sei Dank, war es nur ein Vogel, der im Gestrüpp umher flatterte. Trotzdem zitterten meine Glieder unwillkürlich auf. Verdammt. Wie sollte ich es verkraften wieder normal in die Schule zu gehen?

»Was ist los? Vor was hast du Angst?«, fragte mich Edan auf der Stelle und zog mich noch näher an sich. Unvermittelt legte er seinen Arm um meine Schulter. »Nichts.« Ich wollte die Situation in diesem Moment nicht mit irgendwelchem anderen Müll in den Arsch machen und versuchte ein Thema zu finden, womit ich ihn ablenken konnte, doch er ließ mich gar nicht zu Ende denken. »Wovor hast du Angst?«, wollte er erneut wissen. »Es ist die Stille und ich weiß, dass danach die Dunkelheit kommen wird. Sie macht mir Angst.« Edan streichelte über meinen Arm und flüsterte: »Ich passe auf dich auf. Dir wird nichts geschehen!« Das stimmte mich etwas froher, denn ich wusste, er achtete sicherlich auf mich. Er war immerhin ein Vampir und die mussten ja stark sein. Vielleicht stärker als dieses Ding, was ich da sah. Jedoch war es nicht möglich immer an meiner Seite zu sein.

Ich erschauderte trotz alledem und kuschelte mich so nahe wie möglich an Edan, der daraufhin murmelte: »Wir werden das nächste Mal das Auto nehmen.« Er besaß ein Auto? »Wieso sind wir dann überhaupt gelaufen?«, wollte ich wissen. Als ich zu ihm hochschaute, guckte er mich schelmisch an und grinste dümmlich. Ich sah seine strahlend weißen Zähne. Sie waren perfekt. Doch ich entdeckte keine Fänge. Wie lang sie wohl werden können? Ob sie hervortreten, wenn ich blute? Ich biss mir auf die Unterlippe. Was dachte ich da eigentlich? »Vielleicht wollte ich ja die Zeit etwas ausreizen, damit wir noch etwas allein sind, bevor du zu Hause bist.« Das verschlug mir glatt die Sprache. Wenn er das tatsächlich ernst meinte, änderte das die Sache mit ihm und das komplett.

Vielleicht mochte er mich genauso wie ich ihn und ich sprach geradeaus: »Wenn du willst, kannst du auch mit hochkommen, wenn wir da sind!« Das war mein Wunsch. Bei dem Gedanke daran, er konnte einfach so wieder verschwinden, graute es mich. Ich wollte das er mit in mein Zimmer kam, da blieb, mich küsste und mich vergessen ließ. »Glaubst du nicht, dass deine Mutter...«, setzte er an, aber ich fiel ihm ins Wort: »Ach, denke nicht an sie« und öffnete die Haustür, als wir schlussendlich davor standen.

Das Haus war dunkel und nur in der Küche brannte ein wenig Licht. Ich wusste auch wieso, denn dort saß sicherlich meine Mutter. Edan folgte mir lautlos auf dem Fuß und hätte ich nicht nach hinten geschaut, wäre ich davon ausgegangen, dass er gar nicht mehr da war, sondern weg. Aber er lächelte mich aufmunternd an und lief mir weiter hinterher. Als ich kurz darauf um die Ecke lugte und somit die Küche sah, entdeckte ich meine Mutter am Tisch sitzen. Natürlich mit einem Glas Scotch in der Hand. Allerdings achtete ich nicht weiter darauf. Der Anblick war mir nur allzu bekannt. Andererseits wusste ich auch, dass somit Peter in der Nähe sein musste. Er ging meist ziemlich spät.

Someday I - I looked into your eyesWhere stories live. Discover now