Kapitel 22

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Auf dem Weg nach Hause bekam ich plötzlich ein eigenartiges Gefühl in meiner Bauchgegend, so als wäre etwas passiert, und auch Edan schien auf einmal extrem unruhig und aufmerksam zu werden. Nicht so wie er eigentlich sonst war, sondern viel nervöser, aber beherrscht und dies verunsicherte mich viel mehr als ich eigentlich wollte. »Was ist los?«, flüsterte ich und sah ihn von der Seite aus an. Ich konnte beobachten, wie er die Hände fester um das Lenkrad des Wagens schloss. »Was meinst du?«, wollte er abwesend wissen, doch ich war nicht blöd und wusste genau, dass irgendein Teil von ihm, mir seine Aufmerksamkeit schenkte.

Hatte ich Edan irgendetwas getan? Aber das konnte nicht sein, denn er war weder wütend noch sonst was in der Art; einfach nur anders. Komisch halt. Als ich nicht mehr sprach, sah er mich mit zusammengezogenen Brauen an, als würde er etwas aus meinem Mund hören wollen. Ich verstand nicht. »Ich fühle mich so...«, versuchte ich zu erklären. »Ach so. Ja!«, nickte er leicht. »Da ich von dir getrunken habe, spüre ich was du fühlst und auch du bekommst mit, was in mir vorgeht. Das liegt an meinem Blut, was du in geringer Menge zu dir genommen hast, als ich dich gebissen habe«, dann sah er wieder auf den Weg und murmelte: »Irgendetwas stimmt hier nicht.«

Das beschrieb die Empfindungen, die ich nebenbei noch bemerkte. Fast hätte ich gedacht, es wären meine Eigenen, aber beim näherem Betrachten und in sich gehen, konnte ich erkennen, dass sie es nicht sein konnten. Jedenfalls ein Stück davon. Edans Augenbrauen waren nun tief ins Gesicht gezogen, als ich ihn erneut anblickte und er fuhr den Schotter noch langsamer entlang, über den ich sonst immer lief. Ich bekam schon ziemlich Schiss. Immerhin ging ich hier vor nicht allzu langer Zeit allein entlang und sah dieses Ding. Auf der Stelle probierte ich an etwas anderes zu denken, doch das war nicht gerade leicht, wenn Edan mich so schon aus dem Konzept brachte.

Ich hatte ihm zu diesem Zeitpunkt immer noch nichts davon erzählt, weil mich Peter die letzten Tage mit seinem Auto mitnahm. Seit Edan mit ihm sprach und diesen komischen Hokuspokus vollführte, war der Freund meiner Mutter ganz anders. Hinzukommend stritt ich mich mit Edan. Da war sowieso kein Gespräch möglich gewesen. Ich wäre auch bei meinem Entschluss geblieben weiterhin zu laufen, wenn ich nicht solche Angst gehabt hätte. Peter hingegen kam öfter und schaffte mich auch früh in die Schule. Ich war dankbar, weil ich nicht mehr im Dunkeln hier entlang laufen musste, doch immer wieder an der gleichen Stelle krallte ich mich trotz dessen in den Autositz und schwitzte meine Angst heraus; hoffte so schnell wie möglich wegzukommen und auch in diesem Moment bekam ich verdammt viel Angst. Diese Augen wieder vor mir... Ich konnte sie regelrecht sehen, obwohl sie überhaupt nicht da waren.

Ich fing zu zittern an. Sah dieses Ding, als wäre es real. »Beruhige dich«, flüsterte Edan plötzlich, aber das machte alles nur noch schlimmer. Mein schlechtes Gewissen ihm nichts erzählt zu haben, wurde von der Angst so verdrängt, dass ich mich immer weiter in den Autositz presste. Meine Zähne fingen an zu klappern und ich schaute unwillkürlich immer wieder aus dem Fenster, rückte näher zu Edan, der spüren musste, dass etwas mit mir nicht stimmte, denn er sah mich eigenartig an. Fast wäre ich vor Schreck sogar auf seinem Schoß gelandet. Ich versuchte mich abzulenken, mit ein paar schönen Gedanken, doch ständig sah ich dieses hässliche Ungeheuer und auf einmal stand es überall, obwohl es in diesem Moment gar nicht existierte. Links gelbe Augen. Rechts eine unnatürlich gebeugte Gestalt. Vorn scharfe Zähne, so lang wie Dolche, die aus der Dunkelheit hervorstachen.

Edan war doch da. Er wird mich beschützten, oder? »Lara?«, holte er mich aus meiner Verstörtheit heraus und rüttelte an mir herum. Ich erschrak so sehr, dass ich fast aus dem Wagen kletterte. »Was ist los mit dir?«, wollte er mit aufgerissenen Lidern wissen. Ich hatte es ihm noch nicht erzählt und der Zeitpunkt war irgendwie... ziemlich unpassend. Auch jetzt. »Du bist immer so eigenartig auf diesem Weg und...« Er hatte Recht. Als wir sonst zusammen hier entlang liefen ging es noch einigermaßen. Da hatte ich mich mehr im Griff. Doch da seine Gefühle auch noch so erschreckend und fremdartig wirkten, machte sich in mir etwas breit, wovon ich selbst abhauen wollte. Und dann wurde es auch noch von Tag zu Tag schlimmer an dieser Stelle vorbeizukommen.

Someday I - I looked into your eyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt