Die Heulende Hütte

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Ich atmete die kühle Nachtluft ein.

Der Beginn des Schuljahres lag nun schon zwei Wochen zurück und ich befand mich nach einem anstrengenden Tag alleine im Schlafsaal. Alice war noch mit Frank unterwegs, Mary lernte im Gemeinschaftsraum und Marlene leistete ihr Gesellschaft.

Ich hatte heute beschlossen, früher ins Bett zu gehen, weil ich meine ganze Kraft für den morgigen Tag brauchen würde. James Potter ging ich seit der Verwandlungsstunde konsequent aus dem Weg und mit Severus hatte ich mich immer noch nicht wirklich vertragen. Wir sprachen zwar noch miteinander aber trotzdem war es einfach nicht mehr wie früher. Schon lange nicht mehr. Er hatte seine Freunde und ich meine, wir wussten das beide.

Ich seufzte und sah weiter nachdenklich aus dem Fenster. Plötzlich wurde meine Aufmerksamkeit von zwei Gestalten beansprucht, die eilig das Gelände draußen überquerten. Ich erkannte die junge Krankenschwester Madam Pomfrey an ihrer Uniform, sie hatte einen Jungen bei sich.

Ich war normalerweise nicht so neugierig und mischte mich eigentlich selten in die Angelegenheiten anderer Leute ein, doch dieses Mal war mein Interesse geweckt. Mit angehaltenem Atem beugte mich weiter vor und sah genauer hin.

Glücklicherweise war dies eine wolkenlose Nacht mit einem hell scheinendem Vollmond, so konnte ich alles recht gut sehen.

Die beiden gingen zur Peitschenden Weide, einem ziemlich gefährlichen Baum. Nun ließ Madam Pomfrey den Jungen allein und ich traute meinen Augen kaum, als er seinen Zauberstab schwang und die Peitschende Weide aufhörte, sich zu bewegen.

Der Junge verschwand in dem Baum.

Unschlüssig was ich nun tun sollte wartete ich ab. Ich überlegte, Professor McGonagall Bescheid zu sagen, aber wenn Madam Pomfrey etwas damit zu tun hatte, konnte doch nichts Schlimmes oder gar Verbotenes dabei sein?

Ich kaute nervös auf meiner Unterlippe herum, als auf einmal drei weitere Gestalten auf dem Gelände erschienen.

Mir stockte fast der Atem, als ich James Potter erkannte! Ich hatte bereits gehört, dass die Rumtreiber öfters mal verschwanden, hatte mir aber nie etwas dabei gedacht.

Was ging hier nur vor sich?

Das Beste wäre gewesen, wenn ich mich einfach hingelegt hätte und eingeschlafen wäre, doch mich hatte die Neugier gepackt.

Ohne lange zu Zögern warf ich mir meinen Umhang über und verließ den Schlafsaal zügigen Schrittes. Meine Freunde waren viel zu beschäftigt mit sich, als dass sie mich bemerkt hätten.

Ich schlich mich vorsichtig raus aus dem Schloss und umklammerte aufgeregt meinen Zauberstab. Als ich bei der Peitschenden Weide ankam, war alles still. Die Rumtreiber waren verschwunden, wahrscheinlich waren auch sie in den Baum gestiegen. Ich wusste nicht, was zu tun war und sah mir den Baum etwas genauer an.

Fast wollte ich verzweifelt aufgeben, als ich einen kleinen Punkt am Stamm entdeckte, der etwas heller war als der Rest des Baumes. Aufgeregt traute ich mich noch etwas dichter ran: Es handelte sich offenbar um einen Knopf! Unruhig sah mich mich um, erst als ich mich wirklich unbeobachtet fühlte, schwang ich meinen Zauberstab: „Wingardium Leviosa!", wisperte ich und hob so einen am Boden liegenden Zweig an.

Als er den Knopf berührte, stand der Baum still, genau wie vorhin bei Madam Pomfrey und dem Jungen. Ohne lange nachzudenken und schlüpfte ich ebenfalls in die Öffnung, der vor mir liegende Gang führte nach unten. „Lumos!", flüsterte ich und ein Grinsen huschte über mein Gesicht, als ich die Spitze meines Stabes aufleuchtete. Ich atmete tief durch und, unwissend was mich erwarten würde, kniete ich mich hin und kroch den Gang entlang.

Ich hörte Stimmen, doch ich wusste nicht, was oder wer da etwas sagte, geschweige denn woher die Stimme kam. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, einfach umzukehren, aber dann beruhigte ich mich.

In was für schlimme Machenschaften sollten die Rumtreiber schon verwickelt sein? Ich grinste unwillkürlich bei dem Gedanken an ihre überraschten Gesichter, wenn sie mich sehen würden.

Sofort fühlte ich mich in meine Kindheit zurückversetzt. Es schien ein ganzes Leben her zu sein, als ich mit Tunia in dem Wald hinter unserem Haus verstecken gespielt hatte. Tunia wollte nie zu tief hineingehen, sie fürchtete sich zu sehr, während ich es geliebt hatte, weit in den hinein Wald zu laufen und mich zwischen den Bäumen zu verlieren. Ich hatte immer ohne Probleme den Weg zurückgefunden.

Aber eigentlich war das gar nicht nötig gewesen, auch so hatte ich meistens beim Verstecken gewonnen, auf magische Weise hatte ich es immer geschafft, im letzten Moment meiner Schwester zu entwischen.

Im Nachhinein verstand ich natürlich auch wieso und irgendwie erschien es mir zurückblickend etwas ungerecht.

Doch so war das Leben nun einmal. Ungerecht.

Mittlerweile war ich am Ende des Tunnels angelangt und hätte mir beinahe den Kopf an einer schäbigen Holztür gestoßen. Ich hörte nun ganz klar etwas, aber Stimmen waren es nicht. Es klang eher nach Tiergeräuschen.

Jemand heulte laut.

Erschrocken keuchte ich auf, ich wollte nur noch weg hier.

Was machte ich eigentlich in diesem Gang?

Nur um James Potter und seinen Freunden nachzuspionieren? Dabei wollte ich ihn doch gar nicht mehr sehen!

Ich beschloss, schnell zu verschwinden, bevor man mich noch entdecken würde. Hektisch wie ich war, richtete ich mich ruckartig auf und stieß mir den Kopf an der erdigen Decke.

„Autsch!", entwischte es mir.

Hinter der Tür war es für einen Moment still, dann fing das Heulen lauter denn je an.

Panisch versuchte ich rückwärts zu krabbeln, doch ich kam nicht weit: Mit einem Ruck wurde die Tür aufgestoßen und zu meiner Verwunderung stand vor mir ein Hirsch mit einem riesigen Geweih.

Zitternd wich ich zurück und versuchte, einen klaren Kopf zu bewahren. Ich hatte meinen Zauberstab schon gezogen, als der Hirsch plötzlich schrumpfte und vor mir ein keuchender James Potter stand der mit einem kräftigen Schlag die Tür zu schlug.

Ehe ich etwas sagen konnte, schob er mich vorwärts.

„Los", sagte er nur mit bedeckter Stimme, und ich gehorchte ohne weitere Fragen.

Ich kroch schnell den Gang zurück, James immer dicht hinter mir. Ich spürte seinen warmen, rasselnden Atem im Nacken und als wir endlich beide draußen vor der Peitschenden Weide auf dem Boden lagen, richtete er sich wütend auf.


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