Im Krankenflügel

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Lily P. o. V.

Wie in Zeitlupe kam James keuchend und mit in die Hüfte gestützen Händen zum Stehen. Ich sah, wie er das Gesicht verzog und der Schmerz sich auf seinem Gesicht ausbreitete. Noch immer war ich unfähig, mich zu bewegen und stand ganz erstarrt da, während alles in verlangsamtem Tempo zu geschehen schien.

James beugte sich vor, um mich sachte an der Schulter zu berühren. Von der Sekunde an, als seine Hand auf mich traf, spielte sich alles wieder in normaler Geschwindigkeit ab und die Realität hokte mich ein.

Scheiße.

Ich fing an, hysterisch loszukreischen. Meine schrillen Schreie wollten einfach nicht abbrechen und ließen sich auch nicht von James stoppen, der laut versuchte, dagegen anzureden. Hemmungslos schluchzend sank ich auf den Boden und robbte mit ungelenken Bewegungen auf Mary zu, die sich nun nicht mehr bewegte.

Ungläubig starrte ich in ihr lebloses Gesicht, in ihre süße, hellbraunen Augen. Mit zitternder Hand strich ich ihr über ihre unbeschadete Gesichtshälfte und beugte mich wimmernd über sie. Mein Gesicht schwebte jetzt nur Zentimeter von ihrem entfernt, alles schien vor meinen Augen zu verschwimmern, doch ich klammerte mich weiter mit festem Griff an Marys Schultern.

Plötzlich spürte ich James hinter mir. Seine Stimme bebte, als er sagte: "Lily . . . Lass los . . ."

Ich biss die Zähne fest zusammen, um nicht wieder zu kreischen vor Schmerz. "Was stehst du denn noch hier herum?", fuhr ich ihn an, als ich meinen Kopf zu ihm wandte. "Wir müssen Hilfe holen!", klagte ich, unterbrochen von einigen Schluchzern, und machte Anstalten, aufzustehen.

Mitleid und Zweifel lagen in seinem Blick, er hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. "Lily", sagte er vorsichtig. "Das hat keinen Sinn, das-"

Eine Sekunde später stürzte ich mich mit einem zornigen Brüllen auf ihn und warf ihn zu Boden. Mit meinen Fäusten bearbeitete ich ihn, mir war egal, wo ich ihn traf. Wie konnte er es wagen, so etwas auch nur zu denken? All die Wut auf ihn, die sich in mir angestaut hatte, gepaart mit der Fassungaslosigkeit über Marys Unfall, brach aus mir heraus. Einen weiteren Schlag, und ich ließ mich erschöpft zurückfallen. Ich brach in mir zusammen, alles wurde schwarz um mich herum. Das Letzte, was ich sah, war Mary.


Als ich die Augen aufschlug, war alles weiß. Ich blinzelte ein paar Mal, dann lichtete sich mein Blickfeld langsam. Ich stellte fest, dass ich im Krankenflügel lag. Mit einem Mal waren all die Erinnerungen und der Schmerz wieder da, sodass es mich runterzog, doch ich hielt den Kopf aufrecht und setzte mich gerade hin.

Suchend schaute ich mich um. Wo war Mary? Ich musste mich versichern, dass es ihr gut ging. Ich musste wissen, dass Madam Pomfrey sie retten konnte.

Nichts wünschte ich mir in diesem Moment sehnlicher, als einfach nach links zu gucken und sie im Nebenbett liegen zu sehen. Verletzt, aber glücklich. Egal wie oft ich den Kopf hin- und her, in jede erdenkliche Richtungen wandte, nirgendwo war eine Spur von meiner besten Freundin zu sehen.

Ich war drauf und dran, mich hochzurappeln, um sie zu suchen, als die breite Flügeltür des Krankenflügels aufschwang. Marlene und Alice kamen herein, sie hielten sich an den Händen. Der Schock stand ihnen ins Gesicht geschrieben.

Keine Mary.

Ich zitterte. "Wo ist sie?", presste ich hervor, die Hände vor Schmerzen auf die Brust gedrückt. Alice und Marlene wussten genau, wen ich meinte.

Alice blieb still. Der sonst so klare Blick ihrer braunen Augen war verschleiert, verschleiert von Tränen. "Lily", schluchzte Marlene. Sie setzte sich an mein Bett, das Gesicht vor Kummer in den Händen verborgen. Auch Alice nahm Platz, stumm, auf der anderen Seite von mir, die Hände im Schoß gefaltet, damit ich ihr Zittern nicht bemerkte.

CollideWhere stories live. Discover now