Hogsmeade

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Lily P. o. V.

Als James mir voller Begeisterung und mit wahrem Enthusiasmus eröffnet hatte, dass er seinen Geburtstag mit mir in Hogsmeade verbringen wollte, hatte ich mich aufrichtig gefreut. Es war doch wirklich ein Glück, dass der Ausflug ins Dorf genau auf den 27. März fiel. Dann hatte ich allerdings erfahren, dass er auch die Rumtreiber, Marlene, Mary, Alice, Frank und so ziemlich unseren gesamten Jahrgang eingeladen hatte. Und ich Dummkopf hatte geglaubt, er wolle ganz romantisch mit mir alleine sein! Mit einer Mischung aus Belustigung und Ärgernis schüttelte ich den Kopf, während James wild gestikulierend und mit feuriger Leidenschaft auf mich einredete: "Aber Lily, stell dir das doch mal vor, das wird ganz wunderbar! Wir alle zusammen in Hogsmeade, och, komm schon, kannst du dir vorstellen, wie lustig das wird? Überleg' doch mal, das wäre so wahnsinnig krass! Aber wenn du wirklich nicht willst, ist das in Ordnung, dann sage ich das einfach wieder ab und-", doch ich unterbrach ihn mit einer unwirschen Handbewegung. "Meine Güte, Junge, mach mal halblang!", stöhnte ich genervt. "So war das gar nicht gemeint. Ich finde deine Idee super. Ehrlich! Ich hatte es nur falsch verstanden, es ist nicht weiter schlimm." Wie immer. War ich einfach blöd? Oder drückte er sich lediglich dauernd doof aus? So oder so, es war nicht von Bedeutung, da ich mich aufrichtig auf James' Geburtstag freute. "Echt?", er schien perplex. Mein Zeigefinger lag noch immer auf seinen Lippen, sodass er die Worte etwas genuschelt aussprach. Ich musste lächeln und strich ihm über die Wange. "Ja, du Idiot", flüsterte ich sanft und küsste ihn auf die Nasenspitze. Dann nahm ich ihn an der Hand und wir gingen zusammen zum Gemeinschaftsraum.

Der 27. März kam dann jedoch schneller als gedacht und wenn ich ganz ehrlich war, so wusste ich, dass ich gar keine Lust auf Party hatte. Da James allerdings schon am Morgen seines Geburtstages von den Rumtreibern auf den Schultern mit einer Flasche Feuerwhiskey in der Hand durch den Gemeinschaftsraum getragen wurde und laut brüllte: "Alter, ich bin jetzt 16! Heute wird so richtig gesoffen!", machte ich mir nicht allzu große Hoffnungen, ihn zu einem gemütlichen Abend zu zweit überreden zu können. Aber ich war ja seine Freundin und es war somit meine Pflicht, an seinem Geburtstag zu machen, was er wollte. Daher verkniff ich mir jeglichen Kommentar und unterdrückte mühsam sogar ein Augen-Rollen (was mir ausgesprochen schwer fiel). "Happy Birthday, Potter", meinte ich stattdessen nur und küsste ihn vor der versammelten Mannschaft, was allgemein viele "Uhhhh"s von den Mädchen und dumme Sprüche von den Jungen erntete. Jaah, ich habe einen Freund und jaah, ich küsse ihn auch in der Öffentlichkeit. Oh Merlin! "Danke, Lily-Mäuschen", murmelte James in mein Ohr und brachte mich zum Schmunzeln. Obwohl alle zusahen, erwiderte er meine Zärtlichkeiten voller Leidenschaft, ein Gegensatz, der scheinbar unmöglich schien. Nun, James machte es möglich. James machte alles möglich, mit ihm fühlte ich mich grenzenlos und uneingeschränkt. Nun, egal wie sehr ich ihn liebte, den ganzen Nachmittag bekam ich ihn kaum zu Gesicht, weil er mit den Jungs einen Besenflug zu irgendeinem schottischen See unternommen hatte. Mir sollte es Recht sein. Ich hatte am Vortag meine Tage gekriegt, mein Unterleib schmerzte höllisch und ich war grottenschlecht gelaunt. Daher verbrachte ich den Geburtstag meines Freundes größtenteils grummelnd mit einem Buch unter der Bettdecke. Allein! Als dann kurz vor 20:00 Uhr Marlene herein platzte, um mich zu informieren, dass wir bald mal los müssten und ob ich nicht mal "aus den Puschen kommen wolle", rappelte ich mich mit einem qualvollen Stöhnen hoch, nur um dann von der Bettkante zu fallen. "Autsch", jammerte ich und rieb mir den Kopf. "Lily", knurrte Marlene düster blickend. "Jaja", gab ich pampig zurück und sprang unter die Dusche. Danach hätte ich am liebsten meine Jogginghose wieder angezogen, aber das sähe laut meiner besten Freundin "komplett bescheuert" aus und wäre angeblich ein "unverzeihliches Modeverbrechen". Keine Ahnung was sie meinte. Es war wenigstens angenehmer als das hautenge Cocktailkleid, zu dem sie mich im Anschluss überreden wollte. Nachdem ich zehn Minuten meines Lebens damit verschwendet hatte, verhement dagegen zu protestieren, war Marlene einem Anfall nahe. "Lily, zieh dir bitte endlich etwas an! Wir sind bereits spät dran und du willst doch einigermaßemn hübsch aussehen, oder? Für James! Komm schon!" Okay, damit hatte sie definitiv das Falsche gesagt. "Wieso muss ich für meinen Freund gut aussehen, hm? Welches dumme Klischee besagt denn jetzt wieder, dass man als Mädchen knappe Röcke und weiten Ausschnitt tragen muss, um zu gefallen? Das ist total frauenfeindlich und bestärkt das typische Bild, dass Frauen mangelndes Selbstbewusstsein und Hohlheit durch viel Schminke und aufreizende Outfits kompensieren sollten, um in der Gesellschaft angesehen zu werden!", erklärte ich mit meinem arroganten Oberlehrerblick und in die Hüfte gestemmten Armen. Da war mal wieder die Feministin aus mir herausgebrochen. Marlene vergrub wie jedes Mal wenn ich ihr die grundlegende Problematik zu erklären versuchte verzweifelt den Kopf in den Händen. "Lily", flehte sie. "Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Zieh dir bitte endlich etwas an, egal was, zieh dir einfach etwas an. Jetzt." Sie hatte ihre Augen weit aufgerissen und sprach jedes Wort betont langsam aus. In ihre Stimme hatte sich etwas leicht Wahnsinniges geschlichen und sie schien den Tränen nahe. Nun, wenn ich Marlene McKinnon fast zum Weinen brachte, war das ein Zeichen, dass ich besser einen Gang runter schalten sollte. Daher unterdrückte ich das neue Verbalfeuer, das schon wieder in mir hochstieg, und griff wahllos ohne hinzusehen in Marlenes Kleiderschrank. Heraus zoh ich ein grünes Kleid, das fast bis zu den Knien fiel und nicht zu viel Ausschnitt zeigte. "Na bitte, das ist super!", sagte ich versöhnlich und ging beschwingten Schrittes ins Bad, um mich umzuziehen. Ich spürte Marlenes ungläubigen Blick angesichts meines plötzlichen Stimmungswandels im Rücken und hörte sie etwas wie "Pubertät . . ." murmeln. Mit einem frechen Grinsen auf den Lippen schloss ich die Tür hinter mir.

CollideWhere stories live. Discover now