Eifersucht

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Die Tage vergingen und bald wurde es Herbst.

James und ich trafen uns nun also heimlich, ohne unseren Freunden etwas davon zu sagen. Mittlerweile traf das Wort "Prüfungsstress" unsere schulische Situation ziemlich gut, auch wenn Marlene anfangs darüber gelacht hatte und die ZAG-Prüfungen erst im Sommer stattfinden würden.

Die Lehrer überhäuften uns mit Hausaufgaben und unangekündigten Kontrollen, sodass es sogar mir schwer fiel, mit dem Lernstoff mitzukommen. So viel Zeit blieb mir und James sowieso nicht, um uns zu treffen.

Anfangs hatte ich die Heimlichtuerei und die Aufregung noch genossen, jetzt wünschte ich mir, meine Gefühle offen zu zeigen. Wie schön wäre es, im Gemeinschaftsraum zusammen abzuhängen, genau wie Frank and Alice? Auch James wurde immer risikofreudiger. Lange würden wir es beide wahrscheinlich nicht mehr aushalten, uns nur im Geheimen zu mögen.

Beim Frühstück bekam ich kaum etwas herunter und starrte die ganze Zeit nur wie gebannt auf meine Aufzeichnungen vor mir. Wir würden jetzt gleich eine Arbeit in Zaubereigeschichte schreiben und ich wollte unbedingt noch ein bisschen lernen, um ja nichts zu vergessen.

"Lily, mach dich doch nicht so verrückt!", meinte Marlene kopfschüttelnd und biss genüsslich von einem Pfannkuchen ab, "Du kannst doch sowieso alles . . ."

Ein leises Seufzen verließ meine angespannten Lippen.

Meine Freundinnen verstanden einfach nicht, wieso es mir wichtig war, perfekt vorbereitet zu sein. Manchmal war es mir ja selber etwas unheimlich, wie lange und ausführlich ich für den Unterricht lernte.

"Und was, wenn ich einen Blackout kriege?", gab ich nur verzweifelt zurück und blätterte ein paar Seiten weiter, "Sieh mal, das sind echt viele Fakten und der Sachverhalt ist ungewöhnlich kompliziert und-"

"Na, und?", unterbrach Marlene mich unwirsch. "Dann bekommst du halt mal nur ein 'Erwartungen übertroffen', wo liegt das Problem? Also, ich habe mir den Müll gestern Abend nur kurz durchgeleen und schreibe einfach bei Remus ab", grinste sie und zwinkerte kokett.

Mary kicherte und Alice schmunzelte, ich rollte jedoch nur mit den Augen und sagte nichts dazu. Stattdessen las ich mir noch mal alles über die Koboldaufstände durch, bis Alice mir sanft den Hefter wegnahm: "Soll ich dich mal abfragen?"

Ich nahm das Angebot dankbar an und musste lächeln. Die gute Alice! Sie wusste immer, was mich beruhigt und ein Beweis, dass ich das Gelernte noch weiß, würde mich gewiss erleichtern.

So war das schon immer.

Alice fing an, mir Fragen zu stellen und ich an antwortete wie aus dem Zauberstab geschossen.

Nun, dann betrat James die Große Halle und meine Konzentration war verschwunden. Ich hielt unbewusst die Luft an und versuchte, mich zu erinnern, in welcher Stadt verdammt nochmal die Aufstände losgingen, aber es wollte mir einfach einfallen!

Diese haselnussbraunen Augen . . .

Beginn der Aufstände 1623 . . .

Dieses Schmunzeln auf seinen Lippen . . .

Koboldverbindungsbüro . . .

Seine sanften Finger, die mit einer lässigen Bewegung das Haar verwuschelten . . .

Zahlreiche Konflikte bis heute . . .

Ich musste wohl zu lange nicht auf die Frage von Alice geantwortet haben, denn mit einer entschlossenen Bewegung packte sie meinen Hefter weg. "Du hast eindeutig genug gelernt, Lily. Du schaffst das", meinte sie in einem Ton, der keinen Widerstand dulden würde und all meine Proteste im Keim erstickte.

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