Geheimnisse

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Nachdem die Ferien vorbei waren, kehrte der Alltag wieder ein. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass alles so war wie früher.

Nein, es hatte sich Einiges geändert.

Marlene war sehr zuvorkommend, übertrieben freundlich und bemühte sich sehr, keinen Fehler zu machen. Ganz klar, sie wollte ihr Verhalten gegenüber mir und Mary wieder gut machen. Das freute mich wirklich, aber ich vermisste die alte Marlene! Die, die immer Witze riss, im Mittelpunkt stand, laut lachte, sich furchtbar über irgendwelche Sachen aufregen konnte und mit Jungen flirtete. Momentan war sie eher still und zurückhaltend, was echt merkwürdig war! Seit Halloween hielt sie sich in Sachen Jungen total zurück und war beinahe schüchtern.

Mary hingegen strahlte wie eine Sonne, was mehr oder weniger an Sirius lag. Wenn Mary vor ein paar Wochen mit ihm zusammen gekommen wäre, hätte ich sie davon abbringen wollen, aber jetzt war ich froh darüber. Die beiden passten echt gut zusammen! Er sah sie immer mit so einem liebevollen, für ihn untypischen Blick von der Seite an. Nur das dauerhafte Rumgeturtel der beiden nervte etwas. Ich meine, wofür hat man denn ein Schlafzimmer? Aber wahrscheinlich war ich nur neidisch, weil ich und James das nie machen konnten und nie machen würden . . .

Auch er hatte sich verändert. Anscheinend war der Idiot schon wieder über mich hinweg, auf jeden Fall hatte er wieder angefangen, mich "Evans" zu nennen und die ganze Zeit zu fragen, ob ich mit ihm ausgehen wollte. Ich war deshalb dazu übergegangen, ihn zu ignorieren und anzufauchen, aber sein Verhalten verletzte mich zutiefst.

Hatte ihm unsere Beziehung denn gar nichts bedeutet? Wenigstens machte es mir sein albernes, selbstverliebtes Getue leichter, ihn zu hassen und nicht mehr ganz so oft an ihn zu denken. Mit Severus lief es nebenbei bemerkt auch nicht so gut. Seit dem Kuss war er echt schlecht auf mich zu sprechen und antwortete immer nur einsilbig und mürrisch.

Ich verbrachte jetzt viel Zeit mit Alice, da Mary dauernd bei Sirius war.

Marlene war jetzt wie besessen von der Schule, da sie mit ihren Eltern in den Ferien eine Abmachung getroffen hatte: Sie würde von jetzt an in der Schule nur noch gute Noten schreiben und wenn sie auf dem Endjahreszeugnis einen bestimmten Durchschnitt erreicht hatte, müsste sie nicht mit nach Frankreich. Ich hatte ihr bereits meine Hilfe angeboten, aber Marlene war fest davon überzeugt, es erst einmal alleine zu versuchen.

Es war jetzt Mitte November und es wurde früher dunkel. Alice und ich saßen nun nicht mehr am Schwarzen See, stattdessen verbrachten wir die Nachmittage in der Bibliothek. Im Gemeinschaftsraum war es uns zu voll und zu laut, außerdem waren die Rumtreiber dort.

In der Bibliothek jedoch konnte ich ungestört meine Bücher lesen, nur Alice war etwas verstimmt, weil Madam Pince jegliche Art von Musik verboten hatte. Daher textete sie neue Lieder, aber immer wenn, ich sie mir mal ansehen wollte, erwiderte Alice nur: "Es ist noch nicht fertig."

Sie war unglaublich bescheiden und spielte nicht gerne vor Publikum. Irgendwie konnte ich sie verstehen, schließlich ließ sie in ihre Songs Herzblut und Leidenschaft miteinfließen und offenbarte private Gedanken und Gefühle. Ich würde an ihrer Stelle auch nicht wollen, dass das alle hören, aber mir als bester Freundin könnte sie es doch zeigen!

Alice war echt sensibel und feinfühlig, ich glaube, sie hatte einfach Angst, dass es mir nicht gefallen und ich sie kritisieren würde. Was mir natürlich nie in den Sinn käme, dafür gab es gar keinen Anlass!

"Komm schon, Alice!", forderte ich sie heute bereits zum zweiten Mal auf. "Nur eine Strophe!" Sie sah genervt aus, was bei ihr echt selten der Fall war. "Nein, Lily, ich habe dir doch bereits gesagt: Es ist noch nicht bereit!" "Bereit wofür?", fragte ich verdutzt. "Na, um gelesen zu werden! Das ist privat . . .", antwortete sie ungeduldig und packte ihre Notitzen entschlossen weg.

CollideWhere stories live. Discover now