Kapitel 10

934 33 1
                                    

Mit zusammen gekniffenen Augen kam er auf mich zu. Ich stand einfach nur stumm da. Gerne wäre ich zurück gewichen, doch ich konnte mich keinen Schritt bewegen. Als er direkt vor mir stand wiederholte er seine Frage: "Was machst du da?" - "Ich... ich habe nur... gar nichts.", stammelte ich nervös. Schnell ging ich in die Knie, um das Buch aufzuheben. Offenbar hatte Harry in diesem Moment genau die gleiche Idee, sodass wir nun beide auf dem Boden knieten, unsere Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Sein Atem strich über mein Gesicht und fast wäre ich nach hinten umgekippt. Gerade noch rechtzeitig konnte ich mein Gleichgewicht halten. Zu meiner Überraschung wirkte auch Harry nicht wirklich gefasst. Seine Augen waren etwas weiter geöffnet als normalerweise und mittlerweile schien es, als hielte er die Luft an. Blitzschnell griff ich nach dem Buch und richtete mich wieder auf. Nur wenige Sekunden später stand auch Harry wieder vor mir und streckte stumm die Hand aus. Ich reichte ihm das Buch, ohne ihm in die Augen zu schauen. "Schaffst du es nichts anzufassen, während ich mich anziehe?", fragte er und klang dabei äußerst genervt. Kleinlaut nickte ich und nahm auf dem Sofa Platz, während er zu seinem Schrank ging. Für einen kurzen Moment erwartete ich, dass er sich hier im Raum anziehen würde, doch dann öffnete er eine Tür, die mir bis jetzt nicht aufgefallen war. Eigentlich dumm von mir. Was brachte ein Einzelzimmer, wenn man nicht einmal ein eigenes Bad hatte? Aber wieso hatte Harry dann nicht hier geduscht? Nicht, dass mich das interessieren würde...

Als Harry nur zwei Minuten später wieder den Raum betrat, saß ich noch immer unbewegt auf dem Sofa. Er trug jetzt eine schwarze Jeans, und ein weißes T-Shirt, dessen Ärmel nur wenige seiner Tattoos verdeckten. Ohne mich eines Blickes zu würdigen ging er zu seinem Tisch und wühlte kurz in seinen Unterlagen. Dann griff er nach einem schmalen Ordner, öffnete ich kurz, schloss ihn wieder und warf ihn mir zu. Trotz der fehlenden Vorwarnung gelang es mir, den Ordner zu fangen bevor er auf dem Boden landen konnte. Ich warf Harry einen kurzen Blick zu, doch er setzte sich auf sein Bett und sah mich weiterhin nicht an. Etwas zögerlich öffnete ich den Ordner. Nachdem ich seine Ausgabe des Romans gesehen hatte, war ich ziemlich neugierig auf seine Beantwortung der gestellten Fragen. Nur wenige Wörter standen auf der ersten Seite:

Figurenkonstellation in 'Stolz und Vorurteil'

Die darauf folgenden Seiten waren dicht bedruckt. Nach nur zwei Minuten war ich mehr als überwältigt. Ich selbst hatte diesen Roman bereits mehrmals äußert genau gelesen und trotzdem schrieb Harry von Dingen, die ich nie in dieser Art und Weise wahrgenommen hatte. Was nicht heißen sollte, dass sie nicht stimmten. Er hatte alles genauestens am Roman belegt und bewiesen. Bis vor ein paar Minuten war ich noch fest davon überzeugt gewesen, dass er bis jetzt noch kaum an seinen Aufgaben gearbeitet hatte, doch nun wurde mir bewusst, wie sehr ich mich in diesem Punkt getäuscht hatte.

Nach weiteren fünf Minuten sah ich langsam auf. Harry saß noch immer auf seinem Bett, allerdings beschäftigte er sich jetzt mit seinem Handy. Ich räusperte mich leise, um ihn auf mich aufmerksam zu machen. Er hob den Kopf und sah mich fragend an. "Das... das ist gut.", sagte ich und deutete auf den Ordner. "Überrascht?", fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen. Sofort spürte ich, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg. "Nein, ich... ich dachte nur... ach egal." - "Du dachtest, ich würde mir keine Mühe geben.", vervollständigte er meinen Satz. Vermutlich machte es keinen Sinn, das zu leugnen. "Tut mir leid.", murmelte ich stattdessen. Anstatt zu antworten, sah er wieder auf sein Handy. "Harry?" - "Was?" Sein Ton war schärfer als erwartet. Trotzdem stellte ich die Frage, die mir auf der Zunge brannte, seit ich seine Ausgabe von Stolz und Vorurteil aufgeschlagen hatte. "Wie oft hast du den Roman schon gelesen?" Harry runzelte die Stirn. "Was spielt das für eine Rolle?" Ich zuckte mit den Schultern. "Gar keine, es würde mich nur interessieren." - "Es geht dich aber nichts an." So langsam machte seine schlechte Laune mir Angst. Wenigstens hatte er mich heute noch kein einziges Mal Eliza genannt.

"Wolltest du meinen Text auch noch lesen?", fragte ich, um das Thema zu wechseln. "Nein, lass uns lieber die Präsentation vorbereiten." Etwas enttäuscht legte ich meinen Ordner auf den Boden. "Ich komm gleich, ich hol nur kurz meine Jacke.", murmelte ich uns stand auf. In Wahrheit wollte ich einfach nur weg von ihm und seiner ewig schlechten Laune, aber das musste er ja nicht wissen. "Wieso?", fragte er überrascht. Etwas genervt verdrehte ich die Augen. "Weil mir kalt ist?!" - "Ich mach die Heizung an." Während er zur Heizung ging, blieb ich unschlüssig stehen. "Was ist?" Harry saß mittlerweile wieder auf seinem Bett, mit seinem Laptop auf seinen Knien und sah mich fragend an. Wie so oft wenn ich nervös war, griff ich reflexartig nach meinem Handgelenk und begann meine Narbe zu massieren. Seine Augen verengten sich. Dann stand er langsam wieder auf und kam auf mich zu. Sofort ließ ich meinen Arm fallen. Sobald er vor mir stand, griff er nach meiner Hand, doch ich versteckte sie hinter meinem Rücken. Mittlerweile waren Harrys Augen zu schmalen Schlitzen verengt. Erneut griff er nach meiner Hand. Er war kräftiger als ich, weshalb ich keine Chance hatte. Harry umschloss mein Handgelenk und schob den Ärmel meines Shirts nach oben. Im nächsten Moment weiteten sich seine Augen. Diesen Zustand der Überraschung nutzte ich aus und befreite meinen Arm aus seinem Griff. Ohne ein Wort zu sagen, starrte Harry mich an. Das Schweigen zwischen uns schien kein Ende zu nehmen. Nach einer scheinbaren Ewigkeit schluckte Harry und schüttelte kaum merklich den Kopf. "Wer hat dir das angetan?" Zum ersten Mal seit ich sein Zimmer betreten hatte, schwang keinerlei Unfreundlichkeit in seiner Stimme mit. Verächtlicher als geplant schnaubte ich. "Ich selbst?!" - "Das ist mir klar. Und ich glaube du weißt, dass ich das nicht gemeint habe." Ich erwiderte nichts. Harry war die letzte Person, mit der ich über meine Vergangenheit reden wollte. Ohne dass ich es kommen sah, griff er nach meinem anderen Handgelenk und schob auch hier den Ärmel nach oben. Mit seinem Zeigefinger strich er über die Narbe, die noch immer leicht rötlich gefärbt war. Ruckartig zog ich meinen Arm zurück. "Eliza...", murmelte er leise. Der geflüsterte Klang meines Namens ließ mich zusammenzucken. Kurz darauf durchfuhr ein eiskaltes Zittern meinen gesamten Körper. "Hör auf mich so zu nennen.", zischte ich, ohne ihn anzusehen. "Tut mir leid." Wow. Harry Styles entschuldigte sich bei mir. Das änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass ich noch immer am ganzen Körper zitterte. "Wieso hast du versucht dich umzubringen?" Ich presste meine zitternden Hände vor mein Gesicht, während ich langsam zu Boden glitt. "Halt die Klappe. Halt einfach die Klappe.", flüsterte ich und verbarg die Tränen, die nun meine Wangen hinunter flossen. Harry schwieg, doch ich hörte, wie sich seine Schritte näherten und kurz darauf setzte sich jemand neben mich auf den Boden. Wenige Sekunden später spürte ich, wie dieser jemand seine Arme um mich legte und mich eng zu sich heran zog. Ich wehrte mich nicht. Minuten- wenn nicht sogar stundenlang verweilte ich in Harrys Armen, während das Zittern langsam nachließ. Parallel dazu wurden meine Augenlider immer schwerer, bis sie schließlich zu fielen.

_________________________________________

ich hoffe die länge der teile ist jetzt besser? :) bald kann ich auch wieder öfter schreiben, nur noch zwei arbeiten! :D es würde mir echt richtig viel bedeuten, wenn ihr ein paar Kommentare hinterlasst :)

oh und einen wunderschönen ersten Advent wünsch ich euch! ♥

achja, ich wollte grad mein cover ändern, aber der upload button funktioniert nicht :/ weder bei Chrome noch bei Internet Explorer.. kann mir da zufällig jemand weiterhelfen?

DARK turns to LIGHTOnde as histórias ganham vida. Descobre agora