Kapitel 26

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In dieser Nacht schlief ich verhältnismäßig gut. Obwohl ich zu Anfang Schwierigkeiten hatte einzuschlafen, da mir ganz einfach viel zu viel durch den Kopf ging, fühlte ich mich am nächsten Morgen relativ ausgeschlafen.

Die Frage die mich am meisten beschäftigte war, weshalb Harry sich ausgerechnet jetzt von Beth getrennt hatte. Noch am Sonntagmorgen sah es nicht so aus, als hätte er irgendwelche Gedanken in diese Richtung gehegt. Und am Abend desselben Tages hatte er die Beziehung beendet. Nachdem wir erneut mehr Zeit miteinander verbracht hatten, als gut für uns war. Ich musste definitiv mit ihm reden, um herauszufinden ob es einen Zusammenhang zwischen diesen Dingen gab. 

Die Ringe unter Beths Augen verrieten, dass sie noch weniger geschlafen hatte als ich. Vermutlich jedoch aus anderen Gründen. Sie war sehr viel schweigsamer als gewöhnlich, was mein schlechtes Gewissen nur noch verstärkte. 

In der Hoffnung dort auf Harry zu treffen, machte ich mich vor Kursbeginn mal wieder auf den Weg zum Coffeeshop. Doch er tauchte nicht auf. Unser Gespräch musste ich also auf einen anderen Zeitpunkt verlegen. Denn auch zum Unterricht erschien er erst in letzter Minute und setzte sich wie üblich neben Zayn. Ich versuchte meinen Blick möglichst die ganze Zeit nach vorne zu richten, obwohl ich schören könnte, dass ich spürte, wie er mich immer wieder ansah. Nialls Verhalten zeigte mir ein weiteres Mal wie wenig ich seine Zuneigung verdient hatte. Er war nett und freundlich, verlor kein Wort über die Vorkommnisse am Wochenende. Stattdessen redeten wir über Louis' Geburtstag, der zu meinem Schrecken nicht mehr weit entfernt war. Niall und ich waren uns einig, dass wir irgendwo mit ihm feiern gehen mussten, wenn nicht sogar selbst etwas zu organisieren. Was ich meinem besten Freund schenken sollte, wusste ich absolut nicht, aber zwei Wochen blieben mir zum Glück noch. Am Ende der Stunde kündigte Mr. Parker ein weiteres Projekt an. Dieses Mal stellte er uns frei, ob wir alleine oder mit einem Partner arbeiteteten. Ohne groß zu überlegen, einigten Niall und ich uns auf Partnerarbeit. Bei ihm konnte ich mich wenigstens darauf verlassen, dass er am Prüfungstag erscheinen würde. 

Zwischen dieser und der nächsten Stunde ließ sich wieder kein Gespräch mit Harry einrichten. So langsam bekam ich das Gefühl, dass er mir aus dem Weg ging, doch vermutlich war das bloße Einbildung. Was sollte er für einen Grund haben? 

Während unser Psychologie-Professor irgendetwas aus seiner eigenen Vergangenheit erzählte, gaben Louis und ich unser Bestes, um Beth aufzuheitern. Offensichtlich nicht ganz ohne Erfolg, denn als wir schließlich in Richtung Cafeteria gingen, schien sie eindeutig weniger niedergeschlagen zu sein als noch heute Morgen. Das änderte sich jedoch schnell wieder. Sobald wir die Cafeteria betraten, fiel unser Blick auf zwei Personen die sich gegenüber saßen, nur wenige Meter von uns entfernt. Harry sagte in diesem Moment etwas zu Zayn, woraufhin dieser zu lachen begann. Nur zu gerne hätte ich gewusst, was Harry ihm erzählt hatte. Doch Beth war in diesem Moment wichtiger. Ihre Mundwinkel sanken nach unten, während sie mit gesenktem Kopf zur Essensausgabe ging. Louis seufzte und ging ihr hinterher. Auch ich folgte den beiden, jedoch nicht ohne noch ein weiteres Mal in Harrys Richtung zu sehen. Genau in diesem Moment hob auch er den Kopf und unsere Blicke begegneten sich. Seine Augen verengten sich und nur eine Sekunde später wandte er den Blick ab. Okay, irgendetwas lief hier gewaltig falsch. Jeden Tag überraschte mich sein Verhalten von neuem und das nicht unbedingt auf positive Art und Weise. 

Auch Niall leistete uns bald Gesellschaft und ich beteiligte mich so aktiv wie möglich am Gespräch, um bloß keine Zeit zum Nachdenken zu haben. Als jedoch alle einige Zeit später aufstanden, um zum nächsten Kurs zu gehen, blieb ich stehen. "Ich muss nur kurz noch etwas nachschauen.", erklärte ich. Louis hob zwar die Augenbrauen, ging aber mit den anderen beiden mit. Harry erhob sich nun ebenfalls und schien mitbekommen zu haben, was meine Absicht war. Zumindest sagte er irgendetwas zu Zayn, woraufhin dieser nickte und die Cafeteria ebenfalls verließ. Nach kurzem Zögern ging ich auf Harry zu. Noch immer hatte ich keine Ahnung, was ich eigentlich zu ihm sagen sollte. Ein leises "Hey", war alles was ich herausbrachte. Er nickte mir kurz zu und ging dann langsam in Richtung Ausgang. Schweigend ging ich neben ihm her. "Du hast dich also von Beth getrennt?" Wieder nickte er. "Darf ich fragen wieso?" Dieses Mal nickte er nicht, stattdessen zuckte er mit den Schultern. "Warst du nicht diejenige, die gesagt hat, dass ich ihr die Wahrheit sagen soll?" - "Ja, schon... aber du meintest, du kannst es nicht. Wegen deinen Eltern." Um ehrlich zu sein, hätte ich absolut nicht damit gerechnet, dass er sich tatsächlich so bald von Beth trennen würde. Aber verstehen würde ich diesen Jungen sowieso nie. "Stimmt. Aber ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass ich sie mit meinem momentanen Verhalten gegenüber Beth glücklich machen würde. Und gerade jetzt nachdem wir diesen... Deal abgeschlossen haben dachte ich, dass es ein guter Zeitpunkt wäre um etwas zutun, was mich auf lange Sicht... eventuell glücklich machen könnte." Also hatte es tatsächlich etwas damit zutun. "Wow... ich hätte nicht gedacht, dass du das so schnell realisiert, beziehungsweise umsetzt. Aber es freut mich. Also nicht, dass ihr euch getrennt habt- " - "Nicht?", unterbrach er mich mit hochgezogenen Augenbrauen. "Naja... Beth geht es ziemlich schlecht deswegen." Harry seufzte. "Besser jetzt als noch später." Da hatte er Recht. "Aber wenigstens können wir jetzt machen was wir wollen, ohne dabei jemanden... zu verletzen.", fuhr er mit einem schiefen Grinsen fort. Ich verdrehte die Augen. "Jetzt gehe ich erstmal zu meinem nächsten Kurs. Solltest du vielleicht auch tun, wenn du nicht mal wieder zu spät kommen willst." Er zog eine Grimasse, lächelte jedoch. Bevor ich mich umdrehte und zum Hörsaal ging, stellte ich ihm noch eine letzte Frage: "Vorhin als ich in die Cafeteria gekommen bin... da hast du mich irgendwie... böse angeguckt. Gab es dafür einen bestimmten Grund?" Harry wirkte aufrichtig überrascht. "Hab ich? Das darfst du nicht persönlich nehmen. Ich gucke generell nicht sonderlich oft freundlich." 

Den Rest des Tages war ich hauptsächlich in Gedanken versunken. Ich wusste nicht, wie es jetzt mit Harry weitergehen würde. Niemals hätte ich gedacht, dass ich mich eines Tages heimlich mit jemandem treffen würde, nur weil zwischen uns eine sonderbare physische Anziehungskraft herrschte. Wenigstens war dieser jemand jetzt nicht mehr in einer Beziehung, was das ganze trotzdem nicht viel besser machte. 

Allerdings wurde mein Schlafrythmus so langsam wieder einigermaßen normal. Ich konnte mich am nächsten Morgen nicht an mögliche Träume erinnern, was schon einmal gegen einen Albtraum sprach. Sonderlich motiviert war ich trotzdem nicht. Schon nach nur einem Tag wünschte ich mir wieder Wochenende. Entsprechend lange brauchte ich auch um mich fertig zu machen, sodass ich dieses Mal direkt zum Hörsaal ging. Niall war bereits da, Zayn und Harry konnte ich jedoch beide nicht entdecken. Erst zeitgleich mit Mr. Parker betrat Harry den Raum. Anstatt sich wie immer weit nach hinten zu setzen, kam er wie schon einmal zu Niall und mir nach vorne und setzte sich neben mich. Etwas irritiert sah ich ihn von der Seite an. "Was?", fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen. "Gar nichts", murmelte ich kopfschüttelnd und sah wieder nach vorne. 

"So. Wie bereits angekündigt beginnen Sie bitte so bald wie möglich mit ihrem neuen Projekt. Sollten Sie dies in Partnerarbeit tun, tragen Sie sich bitte am Ende der Stunde in diese Liste ein." Er hielt einen leeren Zettel hoch und legte ihn anschließend auf seinen Tisch. "Und, kommt das Dreamteam 'Harry und Eliza' wieder zum Einsatz?", fragte Harry mich auf einmal. Bevor ich etwas erwidern konnte, beugte Niall sich nach vorne, um an mir vorbei Harry ansehen zu können. "Ehrlich gesagt, arbeitet Lizzy schon mit mir zusammen." Harrys Augen verengten sich, während er zwischen mir und Niall hin und her sah. "Tut sie das?" Niall nickte. "Allerdings." Etwas hilflos verfolgte ich das Gespräch der beiden. "Wie wäre es, wenn wir Eliza entscheiden lassen, mit wem sie lieber zusammen arbeiten möchte?", schlug Harry vor. Ganz schlechte Idee. Jetzt sahen mich beide fragend an. "Ehm... naja. Eigentlich hab ich das schon gestern mit Niall besprochen..." Niall grinste triumphierend. Harry verdrehte nur die Augen und drehte sich nach vorne. 

Die restliche Stunde verbrachten wir alle drei schweigend. Sobald sie zuende war, stand Harry auf und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum. Niall trug uns beide in die Liste ein, bevor wir gemeinsam zur Tür gingen. "Was war das denn gerade?", fragte er ziemlich verwundert. Ich zuckte mit den Achseln. "Keine Ahnung... letztes Mal war unser Endergebnis ja ganz gut, vielleicht wollte er deshalb wieder mit mir zusammen arbeiten." Niall schnaubte. "Ja. Damit er dich dann bei der Präsentation wieder so toll unterstützen kann." - "Das hat er ja nicht mit Absicht gemacht...", verteidigte ich Harry. Warum ich das tat, wusste ich selbst nicht. "Wieso denn dann?" Erst jetzt fiel mir auf, dass ich noch immer nicht wusste, weshalb er damals nicht erschienen war. Ich wusste nur, dass er das Wochenende bei Lucy und seinen Großeltern verbracht hatte. "Ist doch egal... jetzt arbeite ich ja mit dir zusammen und ich hoffe, dass du mich besser unterstützt." Lächelnd nickte Niall. "Darauf kannst du dich verlassen!" 

Nach einer ziemlich langweiligen Stunde Psychologie, entschloss ich mich spontan dazu, nicht mit den anderen in die Cafeteria zu gehen. Zayn war heute Morgen nicht in Literatur gewesen, weshalb ich bezweifelte, dass Harry die Mittagspause alleine dort verbrachte. Weshalb ich mich jedoch nach seiner Gesellschaft sehnte, war mir ein Rätsel. Trotzdem machte ich mich zielstrebig auf den Weg zu seinem Zimmer. Auch nachdem ich bereits angeklopft hatte, wusste ich noch immer nicht, was ich eigentlich hier wollte. Doch sobald Harry die Tür öffnete, wurde mir klar, dass es einzig und allein mein Körper war, der mich hierher geführt hatte. Ohne nachzudenken schlang ich meine Arme um seinen Hals und presste meine Lippen auf seine. Er wirkte mehr als überrascht, sodass es eine Weile dauerte bis er reagierte. Doch nach nur etwa einer Sekunde öffneten sich seine Lippen, während er seine Arme um meine Taille schlang. Mit plötzlicher, mir selbst unerklärlicher Leidenschaft schob ich ihn zu seinem Bett auf das er sich fallen ließ. Seine Augen waren weit aufgerissen. "Was zur Hölle wird das?", fragte er. "Ich habe keine Ahnung.", entgegnete ich wahrheitsgemäß. Ohne das weiter zu hinterfragen, griff Harry nach meiner Hand und zog mich zu sich herunter. Erneut trafen unsere Lippen aufeinander und im selben Moment beschloss mein Gehirn, das Denken einzustellen.

DARK turns to LIGHTWo Geschichten leben. Entdecke jetzt