Kapitel 28

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Trotz des Gespräches ging ich Harry weiterhin aus dem Weg. Auch wenn ich es nicht wollte, es war besser so. Für mich, für Niall, für Beth und vermutlich auch für Harry selbst. Mit dem nächsten Wochenende kam auch Louis' Geburtstag. Niall und ich hatten es tatsächlich geschafft, einen relativ großen Raum auf dem Campus zu mieten. Da sein Geburtstag am Samstag war, beschlossen wir auch an diesem Tag zu feiern, anstatt am Abend davor. Louis wusste von der Feier, hielt sich bei der Planung jedoch zurück. Eingeladen wurde unser kompletter Jahrgang, wobei im Prinzip jeder kommen konnte, der Lust hatte.

Bei den letzten Vorbereitungen am Samstagmorgen, fragte Niall auf einmal: "Sag mal, hättest du Lust nachher mit mir zusammen hier her zu kommen?" Etwas verwirrt sah ich ihn an. "Tun wir das nicht sowieso? Außer Beth und Louis kenne ich eh kaum jemanden persönlich." Niall schüttelte lächelnd den Kopf. "Nein, ich meinte... gemeinsam. So... als Date?!" Mit nervösem Lächeln wartete er auf meine Reaktion. Es dauerte eine Weile, bis ich seine Worte wirklich realisiert hatte. "Oh. Achso... Ehm ja. Klar, warum nicht?!" Sein Gesichtsausdruck entspannte sich. "Perfekt!"

Gegen Abend begannen Beth  und ich uns in unserem Zimmer fertig zu machen. Zu schick wollten wir beiden nicht aussehen, aber es war immerhin eine Geburtstagsfeier. Als wir gerade dabei waren, den Schrank zu untersuchen, hielt sie auf einmal inne. "Meinst du... meinst du Harry kommt auch?" Ich stockte ebenfalls in meiner Bewegung und sah sie erschrocken an. Doch zum Glück gelang es mir schnell, mich wieder zu fassen. "Quatsch, wieso sollte er? Ihr seid nicht mehr zusammen und mit Louis ist er auch nicht befreundet." Beth schien sich etwas zu entspannen, wirkte jedoch immer noch verunsichert. "Weißt du was das schlimmst ist?", fragte sie leise. Ich schüttelte den Kopf. "Wenn er jetzt wieder ankommen würde, um sich zu entschuldigen, würde ich ihm sofort verzeihen." Erstaunt hob ich die Augenbrauen. "Würdest du? Beth... das hat er nicht verdient." Sofort bekam ich ein schlechtes Gewissen gegenüber Harry. Doch aus Beths Sicht war meine Aussage wahr. Sie hatte etwas besseres verdient als die Beziehung, die die beiden geführt hatten. "Ich weiß... aber er ist so... perfekt." Abgesehen davon, dass er sie über eine lange Zeit hinweg nur angelogen hatte... aber nein, auch so war er nicht perfekt. Niemand war perfekt. "Jetzt lass uns einfach einen schönen Abend haben und nicht an Harry denken, in Ordnung?" Sie nickte mit einem schwachen Lächeln. 

Etwa eine halbe Stunde später waren wir mit allem fertig. Beth hatte sich letztendlich doch entschieden ein Kleid anzuziehen, während ich dunkle Jeans und ein helles Top vorzog. Niall wartete bereits im Flur auf uns, lässig an die Wand gelehnt. Lächelnd ging ich auf ihn zu und umarmte ihn zur Begrüßung, obwohl ich ihn zuletzt vor ein paar Stunden gesehen hatte. Sobald wir den Raum der Party betraten, legte er eine Hand auf meinen Rücken und führte mich durch die Menge. Es waren mehr Leute gekommen als ich jemals erwartet hätte. Die meisten kannte ich zwar nur vom Sehen und ich bezweifelte, dass es Louis anders ging, aber das schien ihn nicht zu stören. Er stand mit einigen anderen Leuten aus unserem Psychologiekurs an der Bar und sah mehr als zufrieden aus. Wir gingen zu ihm und unterhielten uns kurz mit ihm. Beth blieb anschließend bei ihm, während Niall und ich in Richtung Tanzfläche gingen. Obwohl wir beide noch immer nicht die größten Tänzer waren, hatten wir viel Spaß und verstanden uns wie immer perfekt. Nach mindestens einer Stunde wurden meine Beine langsam müde. "Ich geh mir mal kurz was zu trinken holen, möchtest du auch was?", fragte ich Niall. "Sollte ich nicht eigentlich derjenige sein, der dir was zu trinken holt?", entgegnete er mit einem schiefen Grinsen. Ich verdrehte nur die Augen. "Also möchtest du was?" - "Du kannst mir gerne ein Bier mitbringen, musst du aber auch nicht." Ich nickte und suchte meinen Weg durch die tanzende Masse zur selbst errichteten Bar. Schon von weitem erkannte ich die Person, die dort alleine saß und mir den Rücken zugedreht hatte.

"Harry?", fragte ich überrascht, als ich neben ihn trat. Er hob nur kurz den Kopf, erwiderte jedoch nichts. "Ich wusste gar nicht, dass du hier bist." - "Jetzt weißt du es." Sein Blick war stur auf den Tisch vor ihm gerichtet. Erst nach einer Weile fiel mir das Glas auf, um das sich seine Hände schlossen. "Seit wann trinkst du wieder?" Er zuckte mit den Schultern und nahm einen Schluck. Entschlossen nahm ich auf dem Stuhl neben ihm Platz. "Würdest du mich bitte ansehen?", bat ich ihn. Harry seufzte, dann drehte er sich endlich in meine Richtung. "Also, seit wann trinkst du wieder?", wiederholte ich meine Frage. "Seit wann redest du wieder mit mir?", konterte er ohne zu zögern. Ich zuckte kurz zusammen, dann seufzte ich. "Ich denke es ist besser so." - "Wegen Niall? Seid ihr jetzt zusammen oder was?" Schnell schüttelte ich den Kopf. "Nein. Aber ich mag ihn wirklich. Und unsere... Freundschaft... das war vermutlich sowieso eine schlechte Idee." Er schnaubte und wandte seinen Blick wieder von mir ab. Schweigend blieb ich neben ihm sitzen. "Weißt du eigentlich, wie scheiße es ist, Menschen zu verlieren? Weißt du wie man sich fühlt, wenn alle einen verlassen und man komplett alleine ist?", fragte er nach einer Weile. Ich schluckte und biss auf meine Unterlippe. "Harry, es tut mir leid...", murmelte ich, doch er schüttelte nur den Kopf. "Erst meine Eltern. Dann der Rest meine Familie. Und jetzt auch noch du." Erschrocken sah ich auf. "Der Rest deiner Familie? Was meinst du damit?" - "Lucy... meine Großeltern wollen mit ihr wegziehen. Neues Umfeld. Sie meinen sonst wird sie nie über den Tod unserer Eltern hinweg kommen." Ich hob meine Hand, wollte sie auf seine legen, hielt dann jedoch inne. "Warum hast du mir nichts davon erzählt?" Harry sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Wann denn? Du hast mich ignoriert, seit ich am Freitag weggefahren bin." - "Möchtest du jetzt darüber reden?", fragte ich zögernd. "Nein, nicht wirklich.", entgegnete er, griff nach seinem Glas und stand auf. "Harry, warte!" Er blieb stehen und sah mich wieder an. Doch ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Harry verdrehte die Augen und verschwand irgendwo zwischen all den anderen Menschen, die eindeutig ihren Spaß hatten. 

Nach ein paar Minuten stand ich seufzend auf, nahm eine Flasche Bier für Niall mit und ging erneut zur Tanzfläche. Es dauerte nicht lange, bis ich ihn wiederfand. "Wolltest du nicht auch was trinken?", fragte er überrascht. Ich zuckte mit den Schultern. "Hab doch nicht mehr so Durst." Besorgt hob er die Augenbrauen. "Alles klar bei dir? Du wirkst irgendwie so... niedergeschlagen." Schnell setzte ich ein gekünsteltes Lächeln auf. "Nein, alles super!" 

Doch meine gute Laune war verschwunden. Die ganze Zeit musste ich an Harry denken, an seine Worte und daran, dass er wieder angefangen hatte zu trinken. Was das letzte Mal passiert war, als er Alkohol getrunken hatte, wusste ich besser als sonst irgendjemand. Den ganzen Abend über war ich hauptsächlich bei Niall, irgendwann ging ich jedoch auch ohne ihn zu Louis. Wir waren gerade dabei, uns gemeinsam an unsere früheren Geburtstagsfeiern zu erinnern, als zwei Personen in unserer Nähe meine Aufmerksamkeit erregten. Ein Junge und ein Mädchen. Eng umschlungen. Sowohl seine Locken, als auch ihre roten Haare waren unverkennbar. Louis folgte meinem entsetzten Blick. "Harry?", keuchte ich, während ihm ein entgeistertes "Beth?" entfuhr. Keiner von beiden schien uns zu hören, sie waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Doch im nächsten Moment stand ich hinter Beth und tippte auf ihre Schultern. Augenblicklich fuhren die beiden auseinander. Beth sah mich zu Tode erschrocken an, während Harrys Lippen eine schmalle Linie bildeten. "Was zur Hölle wird das hier?", fragte ich und sah Beth entgeistert an. "Lizzy, ich... du weißt was ich vorhin gesagt habe... ich wollte das doch nicht." - "Hast du vergessen, wie beschissen es dir letzte Woche ging?", erwiederte ich kopfschüttelnd. "Wieso lässt du dich jetzt wieder auf ihn ein?" Bevor Beth etwas erwidern konnte, wurden wir von Harrys verächtlichem Schnauben unterbrochen. "Eliza ist doch nur eifersüchtig." Ich zuckte zusammen, nicht nur wegen dem Klang meines Namens. Was hatte er vor? "Wieso sollte sie eifersüchtig sein?", fragte Beth verwirrt. Ich hörte wie Louis neben mir scharf die Luft einsog. Er wusste genauso gut wie ich, dass das hier gerade in eine gefährliche Richtung ging. "Hm... warum sollte sie eifersüchtig sein?", wiederholte Harry und sah mich grinsend an. Er war komplett betrunken, daran bestand kein Zweifel. "Vielleicht weil sie damals im Sommer mit mir geschlafen hat?" Mein Blut schien zu Eis zu gefrieren. Absolut sprachlos sah ich Harry an. Das konnte jetzt nicht sein Ernst sein. "Lizzy?", fragte Beth mit zitternder Stimme, "Bitte sag mir, dass das nicht stimmt." Schweigend sah ich zu Boden. Ich war zu feige. Zu feige, um ihr ins Gesicht zu blicken. "Du verdammtes Miststück.", murmelte sie. "Und du? Warum stehst du da so, als sei das alles nichts neues für dich?", fragte sie dann an Louis gewandt. Der wich ihrem Blick ebenfalls aus und erwiderte nichts. "Du wusstest davon? Sag mal, wollte ihr mich alle verarschen?" Ich hob meinen Kopf und sah die Tränen in ihren Augen. Doch ich konnte mich nicht bewegen. Beth schüttelte mit angewidertem Gesichtsausdruck den Kopf, drehte sich um und verschwand. "Beth, warte!", rief Louis und ging ihr hinterher. Jetzt stand ich nur noch Harry gegenüber. "Bist du eigentlich komplett irre?", fragte ich und funkelte ihn wütend an. Er zuckte nur mit den Schultern und drehte sich dann ebenfalls um.

Kopfschüttelnd sah ich ihm hinterher. Ich musste jetzt sofort Niall finden und ihm alles erzählen. Bevor er es von irgendwem anders erfuhr. Lange suchen musste ich jedoch nicht. Sobald ich mit umdrehte, sah ich ihn vor mir stehen. Und sein Gesichtsausdruck sagte mehr als tausend Worte.

Er hatte alles mitbekommen. 

DARK turns to LIGHTHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin