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Harry stand am nächsten Morgen früher als nötig auf. Er wollte unbedingt noch vor dem Unterricht mit Hermine reden.
Er zog sich so schnell und leise an wie es ging, um die anderen nicht zu wecken.
Nur drei Schüler saßen im Gemeinschaftsraum. Hermine war einer von ihnen. Harry wusste, dass Hermine häufig so früh aufstand. Sie hatte ein Buch auf dem Schoß und hatte ihren Kopf über es gebeugt. Sie trug ausnahmsweise einen Pferdeschwanz.
»Hermine«, sagte Harry nicht besonders laut, um so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf sich zu ziehen. Hermine hob den Kopf und schaute zu ihm auf.
»Hey, Guten Morgen! Schon wach?«, fragte sie. Harry antwortete nicht, sondern schlug einfach das Buch zu. Er umfasste ihr Handgelenk und murmelte:»Komm bitte mit«
Hermine sah ein wenig verwundert aus, ließ sich aber von Harry mitziehen.
Nachdem sie noch eine Jacke für Hermine geholt hatten, verließen sie den Gryffindorturm.
»Was ist los, Harry?«, fragte Hermine.
»Gleich, okay?« Harry wusste, dass er sein Geständnis nur hinauszögerte, aber er wollte wirklich sicher sein, dass er und Hermine alleine waren.
Als sie in die kühle, feuchte Herbstluft hinaustraten, fühlte Harry sich gleich viel befreiter.
»Gut, Hermine, ich muss dir was sagen.«, begann Harry. Sie schlenderten in Richtung des Sees und er wusste, dass Hermine ihm sehr aufmerksam zuhörte.
»Gestern, nachdem ich mit Ginny Schluss gemacht habe, bist du zu mir gekommen. Du hast mich gefragt, was so Riesiges passieren konnte, dass ich Ginny nicht mehr liebe. Es ist dir wahrscheinlich nicht aufgefallen, aber ich habe dir die Frage nicht beantwortet, Hermine.«
»Stimmt!«, unterbrach sie ihn. »Jetzt wo du es sagst. Aber ich kann das verstehen, Harry. Manchmal distanziert man sich einfach von Leuten und weiß nicht, warum.«
»Nein, Hermine. Ich weiß aber, wieso ich mich von Ginny getrennt habe. Ich weiß es ganz genau. Ich konnte es dir nur nicht sagen, weil... Naja, ich wusste selbst nicht recht, wie ich damit umgehen soll und... Ach Hermine, ich bin schwul.«
»Harry, wow!« Sie fiel ihm stürmisch um den Hals. »Lass dir nichts sagen! Das ist nicht schlimm! Es ist wunderbar!«
»Hermine, ich habe kein Problem damit.«, versicherte er ihr.
»Wirklich?«
»Ja, keine Sorge. Es ist nur ein wenig ungewohnt. Ich weiß nicht, ich wäre nie offen damit umgegangen, aber es ist irgendwie total befreiend jetzt.« Hermine sah ihn sehr aufgeregt an. Aber er sah auch die ehrliche Freude in ihren Augen.
»Du musst es Ron erzählen.«, sagte sie dann.
»Habe ich schon« Sie sah ihn erstaunt an.
»Er hat es verstanden, oder? Er war nicht...?«
»Nein, er war wirklich verständnisvoll! Natürlich war er auch überrascht, aber das wird jeder sein. Und er wollte wissen, ob ich, naja, ob ich auf ihn gestanden habe.«
»Und? Hast du?« Harry konnte Hermine ihre Neugier nicht übel nehmen.
»Nein. Nie.«
»Um ehrlich zu sein, hätte mich das auch gewundert, Harry. Ihr ward schließlich immer nur Freunde. Aber du musst dir wirklich keine Sorgen machen. Die Leute werden das akzeptieren müssen. Dann ist der berühmte Harry Potter eben schwul! Da können sie machen, was sie wollen. Du bist immer noch derselbe! Es hat sich nichts verändert.«
»Bis auf meine Sexualität...«, Harry wollte nicht unsicher sein, konnte aber nicht leugnen, dass er es war. Er wollte sich nicht von der Meinung anderer Leute abhängig machen, aber das war schwer, wenn man ein allbekannter Held war.
Sie gingen weiter und schwiegen. Ihr Atem wurde zu Dampfwolken, die in der kühlen Luft hingen. Harry wusste, dass Hermine nicht sprach, weil sie nachdachte. Irgendwann sagte sie dann doch wieder etwas.
»Und?«, fragte sie.
»Was?«
»Gibt es jemanden, den du gut findest?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, niemand. Ich würde mich gerne...verlieben, aber es gibt bisher einfach Niemanden. Alle Jungs, die ich gerne habe, sind meine Freunde und mehr empfinde ich auch nicht für sie.«
»Das verstehe ich. Aber vielleicht findest du ja trotzdem bald Jemanden.«
Harry bezweifelte das zwar, sagte aber nichts dazu.

Als er ungefähr eine Stunde später in der Großen Halle am Tisch der Gryffindors saß und aß, hatte er sich schon fast an all die Blicke gewöhnt, die ihn seit diesem Morgen an verfolgten. Das Getuschel über die Trennung von Ginny und ihm war ätzend, aber Harry hatte gelernt, es zu ignorieren, wenn andere über ihn sprachen. Er war Harry Potter, er war neugierige Blicke und Aufmerksamkeit gewöhnt. Er saß neben Seamus und Parvati, denn Ron und Hermine waren fast sofort wieder hochgegangen. Harry wollte nicht darüber nachdenken, was sie jetzt alleine im Gryffindorturm machten.
Er hatte das Gefühl, in der gesamten Großen Halle gab es kein anderes Gesprächsthema als ihn und Ginny. Ginny saß am anderen Ende des Tisches. Sie sah immer noch ziemlich wütend aus. Er wandte schnell den Blick ab. Erstaunlicherweise hatte er aber trotz der Trennung gute Laune. Es war einfach die Erleichterung. Auch wenn er noch nicht ganz bereit dazu war, die Homosexualität publik zu machen. Aber das würde auch noch kommen.
In diesem Moment landeten zwei Schleiereulen auf dem Tisch. Eine blickte Harry an, die andere hüpfte zu Neville, der gegenüber saß. Beide Eulen hatten ein winziges Stück Pergament an ihre linke Kralle gebunden. Neville und Harry schauten sich an. Neville nahm seiner Eule die Post ab, faltete das winzige Zettelchen auseinander und las. Wieder warf er Harry einen Blick zu. Dieser tat es ihm gleich und entfaltete das Pergament. Ein einziges Wort stand darauf und Harry wusste sofort, dass auf Nevilles Pergament das gleiche stand. ›Gilderoy‹
Synchron drehten sich die beiden zu Malfoy um. Der schaute in exakt diesem Moment auf, schnipste einmal mit den Fingern und sofort flogen die beiden Schleiereulen zum Slytherintisch. Harry drehte sich wieder zu Neville um.
»Angeber«, murmelte Harry und lächelte, während er die Augen verdrehte. »Dann werden wir wohl vor der Doppelstunde Zauberkunst nochmal unseren kleinen Diricawl besuchen.« Neville nickte und sie standen auf. Zeitgleich erhob auch Malfoy sich.
Die beiden Gryffindors folgten ihm in die Kerker. Sie sprachen nicht auf dem Weg dorthin.

Draco dachte hektisch nach. Er brauchte eine Ausrede.
Es war überhaupt nichts mit Gilderoy. Er hatte die beiden nur wegen Harry benachrichtigt. Nachdem Draco gestern stundenlang das Gesicht von ihm studiert hatte, hatte er heute morgen ein gewisses Verlangen verspürt, ihn zu sehen. Und der beste Vorwand war nun mal ihr gemeinsames Projekt in Pflege magischer Geschöpfe. Aber es war es jetzt schon wert für ihn, Harry zu sehen. Ihn wirklich zu sehen, nicht nur sein starres, bewegungsloses Gesicht. Er musste sich fast zwingen, sich nicht zu ihm umzudrehen. Aber trotz der Tatsache, dass er sich so darüber freute, Harry zu sehen, musste er sich wirklich einen Grund einfallen lassen, wieso er die beiden zu sich und dem kleinen Diricawl geholt hatte.
Als er die Tür zu seinem Zimmer öffnete, hatte er sich immer noch nichts ausgedacht.
»Was ist denn los?«, fragte Harry ihn, als er Gilderoy friedlich in seinem Käfig schlafen sah.
»Heute morgen hat er...komische Geräusche gemacht«, log Draco wenig überzeugend.
»Komische Geräusche?«, fragte Harry zweifelnd. Draco hörte und sah ihm an, dass er ihm nicht glaubte. Die grünen Augen durchbohrten ihn förmlich. Harry wollte die Antwort wissen.
»Wieso sind wir hier, Malfoy?«, fragte er. »Gilderoy geht es gut. Wieso sind wir hier?« Er kniff die Augen zusammen und schaute Draco prüfend an.
»Glaubst du mir nicht, Ha- Potter?«
Ein triumphierendes Grinsen legte sich auf Harrys Gesicht.
»Wolltest du mich gerade ›Harry‹ nennen?«
»Du bist also auch noch taub, Potter!«
»Nein, du wolltest mich ›Harry‹ nennen!« Draco wusste natürlich, dass Harry recht hatte, würde das aber nie zugeben.
»Würdest du uns jetzt verraten, wieso du uns grundlos hierher bestellt hast, Malfoy?«, fragte Harry provokant.
»Sollte das eine Beleidigung sein?«, fragte Draco. Jetzt hatte er Harry aus der Fassung gebracht.
»Wieso sollte ich dich beleidigt haben?«
»Weil du behauptet hast, ich sei ein schlechter Lügner«
»Du bist ein schlechter Lügner, Malfoy.«
»Du bist wirklich dreist!«
»Gut, wenn es das jetzt war, dann können wir ja wieder gehen. Kommst du mit, Neville, oder möchtest du noch ein wenig bei dem - äußerst schlechten - Lügner hier« - er deutete auf Draco - »bleiben?« Longbottom schüttelte nervös den Kopf und verließ sofort das Zimmer.
»Einen wunderschönen Tag noch, Malfoy«, sagte Harry überspitzt. Er drehte sich schwungvoll um und ließ die Tür zuknallen. Draco ließ sich grinsend auf sein Bett fallen. Harrys Gesicht sah in Wirklichkeit noch deutlich schöner aus, als in Dracos reiner Vorstellung. Er sah das Gesicht wieder vor sich. Aber nicht wie gestern Nacht mit einem verschmitzten Grinsen, sondern mit einem einfachen, glücklichen Lächeln. Das war etwas, das ihm aufgefallen war. Harry war glücklich gewesen. Etwas, das Draco noch vor einigen Monaten in den Wahnsinn getrieben hätte. Dass Harry glücklich war, obwohl Draco so viel Schlimmes durchgemacht hatte. Endlich hatte er begriffen, dass Harry viele, deutlich schlimmere Dinge durchgemacht hatte. Jetzt konnte Draco sich freuen, wenn es Harry gut ging. Seltsamerweise war es ihm auf einmal wichtig, dass es ihm gut ging. Draco wollte eigentlich nicht darüber nachdenken, was das für Konsequenzen hatte, aber er wusste, was los war. Er hatte sich in Harry Potter verliebt.

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Ich weiß, ich habe ewig kein Kapitel gebracht. Aber das liegt daran, dass ich die letzten Wochen schlagartig krank wurde und die ganze Zeit im Bett lag und geschlafen habe - ich glaube, ich habe jetzt genug von Zwieback und Tee für den Rest meines Lebens. Aber jetzt geht es mir wieder einigermaßen gut und ich habe mich heute hingesetzt und dieses Kapitel geschrieben. Weil ich es heute in ziemlicher Eile geschrieben habe, würde ich euch bitten, Rechtschreibfehler (die wohl in Massen auftreten werden) zu verzeihen. Danke! <3

Why? || DrarryWhere stories live. Discover now