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Draco schloss seine Zimmertür hinter sich und er und Harry verließen die Kerker wieder. Gilderoy saß jetzt wieder in seinem Käfig in Dracos Zimmer. Er trug auch ein neues Halsband.
»Ich hoffe, dass du immer alles gut dokumentierst, du weißt, dass wir noch den Aufsatz über Gilderoy schreiben müssen.«
»Nicht mal Granger hat sich mehr Notizen gemacht als ich!«, sagte Draco überspitzt. Er hatte sich noch keine einzige Notiz gemacht.
»Schon klar. Ich wette, Hermine hat schon drei Bücher mit Anmerkungen zu ihrem Diricawl gefüllt! Das heißt, wenn ihrer überhaupt noch lebt, denn sie ist ja mit Parkinson in einer Gruppe. Und wie wir wissen, hat unsere liebe Pansy es nicht so mit Diricawls.«
»Harry Potter!«, erklang eine Stimme hinter ihnen, die Draco länger nicht mehr gehört hatte. Sie drehten sich um.
»Sir Nicholas«, grüßte Harry seinen Hausgeist, aber auch er wirkte ein wenig überrascht.
»Ich wurde geschickt, um Euren hellhaarigen Begleiter zu der Schulleiterin zu bitten.«
Meint er mich?, fragte Draco sich verwundert.
»Mein was?«, fragte Harry, der offensichtlich nicht verstand, was der Fast Kopflose Nick meinte.
»Der junge Slytherin«, erklärte dieser.
»Und Draco soll zu Professor McGonagall?«
»So hat sie es mir auf den Weg gegeben.«
»Darf ich meinen Begleiter denn weiterhin begleiten?«, fragte Harry und Draco freute sich, dass er mit ihm mitkommen wollte.
»Ich wüsste nichts, das dagegen sprechen würde.«, erklärte der Geist. Harry nickte zufrieden und Draco lächelte.
Sie folgten dem Fast Kopflosen Nick, der zügig in Richtung des Büros der Schulleiterin schwebte.
Erst als sie vor der Tür des Büros standen, verabschiedete er sich von den beiden Schülern. Draco streckte die Hand nach dem Türklopfer, der die Form eines Greifes trug, aus, und wollte ihn betätigen, aber bevor er ihn auch nur berührte, schwang die Tür von alleine auf. Sie traten in das Büro.
»Mr. Malfoy, gut, dass Sie so schnell gekommen sind. Dann hat Sir de Mimsy-Porpington Sie wohl umgehend gefunden. Und, ach, Potter, Sie haben es sich anscheinend auch nicht nehmen lassen, mich an diesem ruhigen Sonntag zu besuchen. Ich habe allerdings nicht mit so viel Besuch gerechnet.« Sie schwang ihren Zauberstab und vor dem großen Schreibtisch tauchte aus dem Nichts noch ein zweiter, mit Samt bezogener Stuhl auf.
»Setzen Sie sich doch bitte.«, bat die Schulleiterin sie und beide folgten der Aufforderung.
»Also ist es kein Problem, dass ich auch hier bin?«, fragte Harry.
»Nein, es schadet gar nicht, wenn Sie schon einmal hier sind, Potter, und außerdem haben Sie zu dieser Sache vielleicht auch etwas beizutragen.«
»Es geht um Pansy, nicht wahr?«, fragte Draco und war sich sicher, dass er Recht hatte. Eine weitere Schmerzwelle erreichte seinen Kopf und er kniff die Augen zusammen.
McGonagall nickte. »Ja, und Hagrid hat mir gesagt, dass Ms. Parkinson zu Ihnen gekommen ist, und Sie die Geschichte deswegen wohl am Besten kennen müssten.« Sie schaute Draco abwartend an.
»Sie ist nicht zu mir gekommen! Sie hat mir das doch nicht einfach so gesagt. ›Hey, Draco, weißt du was, ich habe euren Diricawl verschleppt. Dachte nur, das interessiert dich vielleicht!‹ Nein, natürlich nicht. Aber sie hat gewusst, dass Gilderoy verschwunden war und ich wusste, dass sie das gar nicht wissen konnte. Also musste sie es mir sagen.«Dann erzählte Draco alles, was Pansy ihm erzählt hatte. Während er das tat, spürte er die ganze Zeit Harrys brennenden, interessierten Blick auf sich. Er kannte die Geschichte zwar im Groben, aber Draco hatte es für ihn gestern in ungefähr drei Sätze gefasst - nicht besonders ausführlich. Aber trotz des seitlichen Blicks sah Draco durchgehend seine Professorin an. Hätte er Harry angesehen, hätte er den Blick nicht mehr von ihm nehmen können.
»Und dann habe ich ihn eben zurückgeholt.«, schloss Draco.
»Sie war eifersüchtig.«, stellte Harry sofort fest. Jetzt wandte Draco seinen Kopf doch zu ihm. Die grünen Augen schienen ihn gründlich zu mustern.
Er fragt sich bestimmt, was an mir so toll ist, dass man Grund dazu hat, eifersüchtig zu werden. Und er hatte ja Recht.
»Sie hat den Geheimgang genutzt. Allein dafür würden Slytherin mindestens fünfzig Punkte abgezogen werden. Mindestens.«, riss Professor McGonagall ihn aus seinen Gedanken.
Harry neben ihm senkte leicht verlegen den Kopf. Draco wusste warum - und er konnte ja nur ahnen, wie oft Harry irgendwelche Geheimgänge genutzt hatte... Draco musste grinsen und stieß Harry neckisch mit dem Fuß gegen sein Schienbein. Harry sah auf und lächelte auch unsicher. Draco hätte dahinschmelzen können. Er lief leicht rot an und schaute schnell auf seine Schuhspitzen. Ihre Schulleiterin redete währenddessen weiter, aber Draco hörte nicht wirklich zu. Aus dem Augenwinkel beobachtete er Harry, der gelegentlich etwas zu McGonagall sagte.
Nach einer Weile dann, nachdem Draco dann doch wieder in das Gespräch einbezogen wurde, wurden sie entlassen. Sie waren schon fast aus der Tür, als eine ruhige Stimme das Wort erhob.
»Draco soll einen Moment hierbleiben.« Draco drehte sich verblüfft um und starrte das Porträt an, aus dem Albus Dumbledore ihn mit neutralem Blick ansah. Draco war sich sicher, dass, als Harry und er in das Büro gekommen waren, er noch nicht in seinem Porträt gewesen war.
»Professor Dumbledore, Sir!«, begrüßte Harry seinen ehemaligen Schulleiter erfreut. Draco starrte das Abbild des alten Mannes immer noch mit aufgerissenen Augen an.
»Hallo Harry, wie geht es dir?«, fragte Dumbledore lächelnd.
»Es ist okay, ich meine ich bin ja erst seit fünf Tagen wieder hier.«
»Ja, und wie ich gehört habe, hast du es in diesen fünf Tagen schon dreimal hier in das Büro geschafft. Ganz wie in alten Zeiten nicht wahr?«
»Mein Diri- unser Diricawl war verschwunden. Das waren zweimal. Und ich wurde von Andromeda Tonks eingeladen. Das war das erste Mal hier. Ich hatte meine Gründe.«
»›Ich hatte meine Gründe‹. Jetzt hörst du dich schon so an wie ich, Harry.«
»Wieso willst du mit Draco reden, Albus?«, schaltete Professor McGonagall sich jetzt ein, die nicht so aus dem Häuschen wie Harry oder so verblüfft wie Draco über das Erscheinen Dumbledores war. Wahrscheinlich war sie die bildliche Anwesenheit des ehemaligen Schulleiters schon gewohnt.
Draco fand es ein wenig ungewohnt, wenn alle über ihn sprachen und ihn dabei beim Vornamen nannten.
»Ich würde gerne mit ihm allein reden, wenn das einzurichten wäre.«, sagte Dumbledore ruhig, in dem vollen Bewusstsein, dass alles, was er wünschte, einzurichten war. Aber Draco klappte der Mund auf. Er zwang sich, ihn wieder zu schließen.
»Ist das denn wirklich nötig, Albus?«
»Bitte, Minerva.«
»Also gut« Die Hexe wirkte nicht so niedergeschlagen, wahrscheinlich hatte sie von vornherein gewusst, dass Dumbledore nicht den Kürzeren ziehen würde.
»Kommen Sie, Potter.« Professor McGonagall erhob sich von ihrem Stuhl und ging in Richtung Tür. Draco hörte sie noch murmeln: »Aus meinem eigenen Büro rausgeworfen. Dieser Mann ist unglaublich.«
Auch Harry, der ja ohnehin schon direkt an der Tür stand, verließ den Raum. Dann schloss sich die Tür. Draco wandte sich wieder dem Porträt zu.
»Imperturbatio, Draco«
»Was?«
»Der Imperturbatio-Zauber. Ich kann nicht mehr zaubern, also musst du uns vor Lauschern schützen.« Draco verstand und versiegelte die Tür auf magische Weise.
»Katzen haben gute Ohren.«, kommentierte Dumbledore. »Minerva ist eine sehr kluge Hexe, aber vielleicht sollten weder sie noch Harry ungebeten an diesem Gespräch teilhaben.«
Draco stellte sich hinter seinen Stuhl und hielt sich an der Lehne fest. Er hätte nicht gewusst, was er sonst mit den Händen hätte tun sollen. Er führte nicht so häufig Gespräche mit toten Leuten, deren Auftragsmörder er gewesen war.
»Du trägst einen hübschen Pullover, Draco.«, sagte Dumbledore fröhlich in die Stille. So viel zu: Dieses Gespräch sollte nicht belauscht werden. Draco verdrehte die Augen.
»Danke« Er trug immer noch den etwas weiteren Pullover von heute morgen. Er war grau und schlicht. Nicht eines Komplimentes wert.
»Sir, wieso wollten Sie mit mir reden?«
»Draco, du siehst unglaublich aus wie dein Vater. Und, lass ihn nicht hören, dass ich das gesagt habe, aber: Lass deine Haare so kurz wie du sie jetzt hast, Draco. Die längeren Haare machen älter.« Draco versuchte die Tatsache, dass ihm das ein Mann mit gefühlt drei Meter langen Haaren gesagt hatte, zu ignorieren.
»Aber das ist doch nicht der Grund, weswegen Sie mit mir reden wollten?!«
»Nein, bei Merlin, natürlich nicht. Ich bin nur nicht gerne so direkt. Weißt du Draco, ich habe von nun an alle Zeit der Welt. Und so lange meine Porträts nicht verbrannt werden, habe ich keine Eile.«
»Bedauerlicherweise ist aber meine Lebenszeit begrenzt und ich würde den Rest, der mir noch bleibt, nicht gerne hier in diesem Büro verbringen, also wären Sie wohl so freundlich und würden mir erklären, warum Sie mit mir sprechen wollten?«
»Selbstverständlich. Es geht um dich. Und Harry. Du musst wissen, ich bin zu eurem Gespräch mit Minerva eben relativ früh dazugestoßen. Ich konnte euch beobachten, einige Minuten lang. Und vielleicht ist Liebe nicht immer mein Spezialgebiet, aber bei Harry, würde ich behaupten, habe ich ein ganz sicheres Händchen. Das mit Lily war mir früh bewusst und er hat mir auch die Geschichte mit deiner Mutter erzählt. Auch ihre Liebe hat ihn gerettet. Und jetzt bist da du, Draco. Und du könntest deine Liebe nicht offensichtlicher gestalten, ob das nun deine Absicht ist oder nicht, kann ich nicht sagen, aber du wirst es wissen. Die Sache mit der jungen Liebe ist schwierig. Auch das weiß ich aus Erfahrung: Severus zum Beispiel, sogar ich. Und ich kann dir eines sagen, Draco Malfoy: Entweder liebst du ihn und wirst dafür sorgen, dass sich diese Liebe erfüllt und erwidert wird - oder du legst sie so schnell wie möglich ab. Denn wenn du sie versteckst oder nicht für sie kämpfst, aber sie immer mit dir tragen wirst, dann wird es dich quälen. Wie gesagt; alleine Severus und ich...
Glaub mir, Draco, mir ist es wichtig, dass Harry Potter ein glückliches Leben lebt. Und wenn du ein ebenso glückliches Leben führen willst, dann verbringe es entweder mit ihm - so wie du dir im Moment sowieso nichts anderes vorstellen kannst - oder du lässt ihn hinter dir. Jetzt oder nie, denn später wird die Wahl nicht mehr bleiben. Du kannst es dir wahrscheinlich nicht vorstellen, aber ich weiß, wovon ich rede.«
Draco konnte nicht fassen, dass ein Bild ihm sagte, wie er mit Liebe umzugehen hatte. Ein Bild von einem alten Mann, der nie verheiratet gewesen war. Und das Unglaubliche war, dass Alles, was Dumbledore gesagt hatte, einen schrecklichen Sinn ergab. Dass Draco wusste, dass er Recht hatte. Und ein bisschen wunderte es ihn auch, dass Dumbledore so einen Trubel darum gemacht hatte, dass er Draco hatte sagen wollen, dass er sich in Harry verliebt hatte - was er auch schon selbst bemerkt hatte.
Und, um auf Dumbledore einzugehen, nickte Draco einfach. Er dachte nach. ›Jetzt oder nie‹, hatte Dumbledore gesagt. Und ›nie‹ erschien Draco unmöglich. Er wusste, wie es Snape ergangen war, der, wie jetzt der halben Zaubererwelt bekannt war, Lily Potter geliebt hatte. Er hatte seine Chance nie endgültig genutzt und hatte für den Rest seines Lebens gelitten. Was Dumbledore betraf, wusste Draco es nicht genau, aber wahrscheinlich hatte auch er sich jung verliebt und war nie glücklich geworden. Und dieses Schicksal wollte Draco nicht teilen. Aber er konnte sich nicht für ›nie‹ entscheiden, also musste es das ›jetzt‹ sein.
»Du kannst ihn nicht aufgeben, nicht wahr?« Dumbledores Gesichtsausdruck zeigte Gewissheit, aber auch Sorge über die Entscheidung.
»Professor?«
»Draco?«
»Was meinten Sie mit der Geschichte mit meiner Mutter, die ihm das Leben gerettet hat?«
»Sie hat es dir also nicht erzählt.« Es war keine Frage.
»Nein«
»Ich denke, das wird Harry dir erzählen, wenn du ihn darum bittest.«
Draco nickte und nahm sich vor, ihn mal danach zu fragen. Die Stille in dem rundlichen Raum legte sich schwer auf Draco. Er versuchte, sich nicht verunsichern zu lassen.
»Sir?«
Dumbledore lächelte ihn auffordernd an.
»Danke...denke ich. Und noch etwas. Entschuldigung. Für Alles.« Draco schaute zu Boden.
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, mein Junge.« Draco sah das zwar anders, aber er sagte nichts weiter.
»Also gut,« ergriff Dumbledore wieder das Wort, »ich hoffe, dass du dir meine Worte zu Herzen nimmst. Ich hoffe, du findest dein Glück, Draco Malfoy.«
Draco nickte respektvoll und drehte sich um, um den Imperturbatio aufzulösen.
Zwei Wörter gingen ihm durch den schmerzenden Kopf.
Nie. Jetzt.

Why? || DrarryWhere stories live. Discover now