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Harry ging neben Ron, Hermine, Seamus und Luna. Sie waren auf dem Weg nach Hogsmeade. Seamus erzählte schon die ganze Zeit über Witze, die alle mehr oder weniger lustig waren (die meisten eher weniger). Obwohl, Luna lachte eigentlich über jeden seiner Witze mit ihrem seltsamen, zwitschernden Lachen. Aber Lunas Humor würde Harry nie verstehen.
»Was sagt Madame Pomfrey, wenn ein Skelett zu ihr in den Krankenflügel kommt?«
Zu spät, dachte Harry und verdrehte die Augen.
»Zu spät, mein Lieber!«, rief Seamus begeistert. Luna kicherte.
»Oh, ich habe noch einen! Der ist echt gut!«, rief Seamus überzeugt. »Ein Schüler kommt in den Ferien aus Hogwarts wieder und erzählt seiner Mutter:›Dieses Jahr haben wir in Hogwarts einen Explosionszauber gelernt.‹ Die Mutter fragt:›Und was lernst du nächstes Jahr in Hogwarts?‹ Antwortet der Schüler:›Welches Hogwarts?‹« Diesmal lachten nicht nur Seamus und Luna, sondern auch Ron.
Harry schüttelte nur den Kopf. Was war denn heute los mit Seamus? Vielleicht steht er unter einem Imperius von George Weasley, der wäre auf jeden Fall eine plausible Ursache für die schlechten Witze.
»Seamus, deine Witze in allen Ehren«, sagte Hermine leicht lachend, »aber bitte, bitte hör jetzt auf.«
»Einen letzten noch, Hermine! Dann erzähle ich heute den ganzen Tag keine Witze mehr! Ich würde dir den unbrechbaren Schwur ablegen!«
»Ist nicht nötig, Seamus, ich glaub dir auch so. Aber das muss wirklich der allerletzte sein! Am besten für ein halbes Jahr...«, die letzten Worte murmelte sie mehr zu sich selbst.
Seamus räusperte sich. »Okay, meine lieben Fans, ich weiß, ihr habt lange auf diesen Moment gewartet und jetzt ist es endlich so weit! Der letzte und gleichzeitig beste Witz! Seid ihr bereit für-«
»Seamus!«, ermahnte Hermine ihn.
»Ja, ja, ja, schon gut. Also, passt gut auf: Wenn ein Hufflepuff und ein Gryffindor vom Astronomieturm springen würden, wer würde länger brauchen, bis er unten ankommt?«
Luna runzelte überlegend die Stirn und zuckte dann mit den Schultern.
»Der Hufflepuff, weil er noch nach dem Weg fragen muss!«, prustete Seamus los.
»Seamus!«, lachte Harry, »Jetzt werden wir aber fies!« Seamus reagierte nicht darauf und schien sich nicht daran zu stören. Auch Luna schien das egal zu sein.
»Ich fand ihn witzig«, kicherte sie und Harry konnte nicht anders, als wieder die Augen zu verdrehen. Aber er grinste.
»Jetzt ist aber auch genug«, seufzte Hermine und klang ziemlich erleichtert.
»Ist ja gut!«, versicherte Seamus ihr. Aber er und Luna grinsten immer noch.
Nach einem kurzen Schweigen - als sie schon Zonkos sehen konnten - unterbrach Ron die Stille.
»Ich kann es nicht glauben, dass ich mit jemandem befreundet bin, der einen so schlechten Sinn für Humor hat!« Er sah Seamus fast vorwurfsvoll an.
»Du sei mal ganz leise, Ron!«, sagte Hermine. »Dein Humor ist auch nicht der niveauvollste.«
»Aber wenigstens habe ich welchen, im Gegensatz zu dir, Hermine.«
Die spielerische Diskussion um Humor setzte sich fort und auch Seamus und Luna stiegen ein. Harry grinste einfach vor sich hin und freute sich auf den Tag. Auch wenn er hoffte, heute keinen von Seamus' Scherzen mehr hören zu müssen.

Draco stand vor seiner Kommode und warf die Sachen, die er anziehen wollte, hinter sich aufs Bett. Dann drehte er sich um und griff sich von dem Kleiderhügel den schwarzen Pullover mit V-Ausschnitt und grün-silbernem Streifen am Ausschnitt und unten, wo der Pullover aufhörte. Der Pulli gehörte zu seiner Schuluniform. Draco zog ihn sich über Hemd und Krawatte. Dann zog er sich noch den schwarzen Winterumhang über - er hatte das Gefühl, dass es draußen kalt sein würde. Der Herbst dieses Jahr war früh gekommen und er war kalt.
Draco zögerte kurz, als nur noch seine dunkelgrüne Pudelmütze auf dem Bett lag. Es klopfte an die Tür und er ließ die Mütze liegen.
Er öffnete und Pansy lächelte ihn breit an.
»Fertig, Draco?«
Er nickte nur. Pansy drehte sich um und ging los. Draco war schon dabei, die Tür zu schließen, als er sie doch wieder aufriss und sich die Pudelmütze schnappte. Er zog sie sich über die Ohren und lief dann Pansy hinterher - auch wenn er lieber auf sie verzichtet hätte.
Auf ihrem Weg nach Hogsmeade kriegte Pansy ihren Mund gar nicht zu. Sie erzählte über alles Mögliche (und das meiste davon war gehässiges Zeug). Draco schwieg einfach und hörte ihr zu. Er hoffte, dass sie von selbst irgendwann aufhören würde. Natürlich tat sie das nicht. Erst hatte sie über irgendeine jüngere Ravenclaw-Schülerin hergezogen (nebenbei bemerkt eine Muggelgeborene). Dann hatte sie sich über Professor McGonagall ausgelassen, wobei Draco ihr am liebsten nach jedem Satz widersprochen hätte. Dann war sie zu einem ihrer Lieblingsthemen übergegangen, Harry Potter. Größtenteils ging es dabei um seine neubekannte Homosexualität. Draco musste sich zusammenreißen, sich nicht die Ohren zuzuhalten.
»Naja, und ich habe gehört, Potter soll das wohl von seinem Vater haben«, erzählte sie gerade herablassend. »Aber wenn du mich fragst, ist das nur ein Gerücht. Auch wenn es natürlich gut zu seinem bescheuerten Vater passen würde. Genauso gut, wie es zu ihm passt. Blödes Halbblut. Ich habe übrigens gehört, dass Slughorn Potters Mutter irgendwie bewundert haben soll, weil sie so schlau und begabt war. Ich glaube das nicht. Mal ehrlich, die war ein Schlammblut. Und Begabung im Zaubern und Schlammblütigkeit widersprechen sich ja von Grund auf. Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob Slughorn diesen Rotschopf in seinen Slug-Club aufgenommen hätte. So eine eingebildete Gryffindor! Aber ich wette, Potter selbst hat diese Gerüchte einfach nur alle verbreitet, um sich besser dastehen zu lassen! Sich und seine toten Eltern. Draco, hörst du mir überhaupt zu?«
»Was?« Draco hatte versucht, ihre Worte auszublenden, um nicht wütend zu werden. Aber beim Klang seines Namens hatte er dann doch aufgehört.
»Ich habe dich gefragt, ob du mir zugehört hast, Draco! Aber offensichtlich nicht. Was ist denn mit dir los in letzter Zeit? Liegt das an deinem komischen verschwundenen Diricawl?«
Es wunderte Draco, dass sie an Gilderoy dachte. Aber in ihm stiegen sofort wieder leichte Besorgnis und Wut auf sich auf.
»Vielleicht«, antwortete er auf ihre Frage.
»Na gut«, tat sie seine Bemerkung ab und nahm sofort wieder den Faden auf, »Jedenfalls ist ja bald Beginn der Quidditchsaison. Das erste Spiel ist Slytherin gehen Hufflepuff. Na das weißt du ja. Du bist ja Sucher. Ich bin sicher, Slytherin gewinnt! Seit Diggory haben diese Huffle-Pfosten ja keinen ordentlichen Spieler mehr hervorgebracht. Und wir haben dich! Du fängst den Schnatz und wir gewinnen. Dann müssten wir wahrscheinlich sogar Gryffindor im Rennen um den Hauspokal überholen. Wär ja gelacht, wenn die den Pokal gewinnen würden, aber-«
»Moment!«, unterbrach Draco sie. Ihm war etwas aufgefallen.
»Was ist denn Draco?«, fragte Pansy verwundert.
»Ich habe dir das mit unserem Diricawl nicht erzählt.«
»Hää? Ja und?«
»Ich habe dir das mit Gilderoy nicht erzählt! Woher wusst-«
»Gilderoy?«
»So hieß... heißt unser Diricawl. Aber ich habe es dir nicht erzählt.« Draco war stehengeblieben und natürlich war auch Pansy nicht weitergegangen. Draco wusste, dass weder McGonagall noch Hagrid ihr von Gilderoy erzählt hatten, da beide keine große, offizielle Sache daraus machen wollten. Und sonst wussten es nur seine beiden Teampartner.
»Pansy, wenn nicht ich es dir erzählt habe, müssen es Harry oder Neville gewesen sein! Und, tut mir ja leid Pansy, aber ich glaube wirklich nicht, dass du darüber mit ihnen geredet hast. Also: woher weißt du davon?« Er sah sie prüfend an. Sie schaute zu Boden und sah ziemlich verlegen aus, was Draco in seiner unausgesprochenen Vermutung noch mehr bestätigte.
»Pansy, hast du mir was zu erzählen?«
»Seid wann nennst du Potter und Longbottom eigentlich beim Vornamen?«, überspielte sie seine Frage.
»Lenk nicht vom Thema ab! Hast du was zu sagen?« Langsam wurde Draco wirklich wütend.
»Nein« Sie sah ihm nicht in die Augen, als sie das sagte.
»Pansy! Ich will dich nicht dazu zwingen müssen, es mir zu-«
»Schon gut! Ja, ich habe etwas mit dem Verschwinden von dem Vogel zu tun.«
Draco ballte die Hände zu Fäusten. »Und weiter? Was hast du getan?«
»Du hast den ganzen Tag bei diesem blöden Vogel in deinem Zimmer gesessen. Und als ich das eine Mal bei dir war und ihn etwas unsanft in seinen Käfig geworfen habe, hast du dich sofort total aufgeregt. Das Viech hat mich einfach genervt. Außerdem hast die ganze Zeit mit Longbottom und vor allem Potter rumgehockt, nur wegen dieses Vogels.
Naja, ich habe beschlossen, ihn zu beseitigen. Natürlich wusste ich, dass man ihn ganz einfach mit seinem Halsband zurückzaubern konnte, deswegen habe ich es verbrannt. Einmal Incendio und das Ding hat gebrannt wie trockenes Gras. Dann bin ich, als du vorgestern mit deinem Besen dein Zimmer verlassen hast, reingegangen und habe den Kleinen mitgenommen. Ich glaube übrigens, dass er sonst dein Kopfkissen demoliert hätte. Dafür, dass er so klein ist, hat er sich ganz schön hartnäckig gewehrt, das kleine Biest. Der Schnabel ist wirklich spitz.
Ich habe ihn mitgenommen. Dann habe ich ihn durch diesen einen Geheimgang, den ich letztes Jahr zufällig entdeckt habe - der ist hinter der Statue der buckligen Hexe - in den Keller vom Honigtopf gebracht. Ich wusste, dass ich ihn über die magischen  Grenzen von Hogwarts bringen musste, weil sonst ›Accio Diricawl oder Gilbert oder wie der heißt‹ funktioniert hätte. Ich wollte diesen dämlichen Vogel nicht einfach töten, dann hätte man den Todesfluch ja zu meinem Zauberstab zurückverfolgen können. Deswegen habe ich ihn einfach da ausgesetzt, wo Accio von Hogwarts aus nicht mehr funktioniert - also außerhalb von Hogwarts. Da schien mir Hogsmeade die beste Lösung. Ich bin dann raus aus dem Honigtopf und ein bisschen rein in den Wald gelaufen. Dieses nervige Viech loszuwerden, war schwer. Der war total anhänglich und ist mir die ganze Zeit hinterher gehüpft. Aber irgendwann habe ich es dann geschafft. Dann bin ich zurück nach Hogwarts. Und Überraschung: auf einmal war der Diricawl weg. Ich habe beobachtet, wie du, nachdem du wiedergekommen bist, kurze Zeit später verzweifelt losgelaufen bist. Ich weiß echt nicht, was dir an diesem Vogel liegt!«
Draco schäumte vor Wut. Er konnte es nicht fassen, dass sie das getan hatte und jetzt auch noch so locker darüber redete. Ein winziger Teil in ihm war zwar erleichtert, dass er nun wusste, was passiert war und hoffen konnte, dass Gilderoy noch am Leben war, aber die Wut überwog im Moment. Er musste sich zwingen, einmal durchzuatmen, um sie nicht anzuschreien oder zu schlagen.
»Pansy Parkinson, du bist das Letzte!«, sagte er wütend und bestimmt, drehte sich dann um und ließ sie stehen. Er ging so schnell er konnte, um so schnell wie möglich nach Hogsmeade zu kommen. Er wusste, dass es gut sein konnte, dass Gilderoy inzwischen nicht mehr lebte. Er war klein, verletzlich und hatte sich bisher nicht mal selbst ernähren können. Ganz abgesehen davon, dass er ein gefundenes Fressen für 98% der Waldbewohner war. Aber hoffen tat Draco trotzdem.
Langsam entspannte er Atmung und Hände und konzentrierte sich weniger auf Pansy, als auf sein Tempo beim Laufen.
Als er Hogsmeade erreicht hatte, zog er seinen Zauberstab. Jetzt war die Frage, ob, wenn er den Zauberspruch sprach, ein lebender oder toter Gilderoy auf seiner Handfläche liegen würde. Er hoffte auf Ersteres.
Draco atmete noch einmal durch.
»Accio Gilderoy!« Es dauerte nur einen winzigen Moment, bis ein kleiner Punkt aus Richtung Wald auf ihn zuflogen kam. Als der Vogel dann auf Dracos Handfläche fiel, hätte er vor Erleichterung weinen können.
Gilderoy sah ein wenig zerzaust aus und sein bläuliches Gefieder schimmerte nicht mehr wie in Dracos Obhut. Aber die kleinen schwarzen Knopfaugen sahen Draco munter an, als würde Gilderoy seinen Ziehvater wiedererkennen. Draco hoffte, dass es so war.
»Wie geht es dir, Kleiner?«
Gilderoy quiekte leise und steckte erschöpft seinen Kopf in Dracos Ärmel.

Why? || DrarryDonde viven las historias. Descúbrelo ahora