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Draco hatte den Raum der Wünsche (beziehungweise sein Zimmer zuhause) schon lange verlassen. Jetzt stand er in seinem kleinen Raum in den Slytherinkerkern und zog sich seinen Schlafanzug an.
Es war nicht mal besonders spät, aber seine Kopfschmerzen hatten den ganzen Tag überdauert und müde war er auch schon. Außerdem war morgen ja wieder Unterricht und da wollte er wieder halbwegs fit sein.
Draco legte sich in sein Bett und versuchte, sich zu entspannen. Er fühlte sich immer noch so gehetzt, weil er vorhin, als er den Raum der Wünsche verlassen hatte, sich sehr beeilt hatte, hierher zu kommen. Er hatte auf keinen Fall Harry über den Weg laufen wollen. Und er hatte auch Glück gehabt, denn er hatte den Gryffindor nirgendwo gesehen.
Draco wusste, dass er nicht ewig vor Harry weglaufen konnte, vor allem, weil er sich an Dumbledores Worte halten und seine Chance nutzen wollte, bevor es zu spät war. Aber weil er immer noch überzeugt davon war, Harry nicht über das Gespräch mit Dumbledore anlügen zu wollen, würde er ihm einfach irgendwie klarmachen, dass er es ihm nicht sagen würde. Hoffentlich würde er das akzeptieren.
Er schloss die Augen und rollte sich auf die Seite.

Am nächsten Morgen ging es ihm viel besser. Die Kopfschmerzen waren weg und auch die Müdigkeit war wie weggeblasen. Draco zog sich seine Schuluniform an und band sich die Krawatte um.
Er ging in die Große Halle und aß, während er sich ein bisschen mit Blaise unterhielt. Dann gingen sie zusammen zur Doppelstunde Verwandlung. Zum ersten Mal ärgerte es Draco, dass sie dieses Jahr jede ihrer Stunden zusammen mit den Gryffindors hatten, nur weil die Slytherins so wenig waren.
Er setzte sich auf seinen Platz - der leider in der zweiten Reihe lag (zu weit vorne!) -, schlug sein Buch auf, starrte ausdruckslos hinein und tat, als würde er lesen.
Immer mehr Schüler kamen in den Klassenraum und Draco wurde immer angespannter. Als dann Harry in Begleitung seiner zwei besten Freunde hereinkam, krallte Draco sich förmlich an sein Buch. Er fuhr sich einmal mit der Hand durch die Haare, so, dass ihm einige Strähnen vor die Augen fielen.
Den Unterricht über passte er so gut auf - er wollte nicht an Harry denken, dessen Blick er von hinten deutlich auf sich spürte - dass er, als er als Einziger fehlerfrei seinen Partner (armer Blaise) in einen Hund verwandelte und fünf Punkte für Slytherin holte. Blaise hatte es nur geschafft, dass Draco einen leicht gekrümmten Rücken und behaartere, pfotenähnliche Füße bekam. Aber Draco musste nicht in einen Hund verwandelt werden, um zu wissen, wie sich das anfühlt. Es reichte ihm zu wissen, wie man sich als Frettchen fühlte.
Danach hatte Draco Wahrsagen. Heute hatten sie wieder mit Professor Trelawney, die sich ja immer noch den Unterricht mit Firenze teilte. Es gab einen großen Unterscheid zwischen den Lehrern. In den Stunden mit dem Zentaur lernten sie über Sterndeutung in Bezug auf Wahrsagerei. Es war alles ziemlich kompliziert. Aber bei Trelawney lernten sie beispielsweise Tasseomatie und Traumdeutung, was Draco oft für Nonsens hielt.
Heute machte die Professorin mit Ihnen Ovomatie. Bei Ovomatie sagte man die Zukunft zum Beispiel an der Art, wie Dotter aus aufgeschlagenen Eiern fiel, voraus. Und das war nun wirklich Schwachsinn.
Das Gute an dem Unterricht mit Professor Trelawney war, dass man einfach nur sagen musste, dass man Tod, überraschende Unfälle und andere dramatische, kommende Schicksalsschläge sah.
Danach hatte er noch eine Stunde Alte Runen - wo er dann endlich Harry loswurde - und als letztes eine Doppelstunde Verteidigung gegen die dunklen Künste.
Als er endlich Unterrichtsschluss hatte, aß er und brachte danach seine Tasche weg. Er machte sich hinterher sofort auf den Weg zum Raum der Wünsche.

Harry kam in die Große Halle und sah, dass Draco auch hier nicht war. Vielleicht hatte der Slytherin es geschafft, ihm den Tag über aus dem Weg zu gehen, aber jetzt wollte Harry mit ihm reden. Was konnte Dumbledore nur gesagt haben, dass er plötzlich so abweisend zu Harry war?
Harry drehte sich um und blieb unschlüssig stehen. Er hatte sogar schon Zabini gefragt, ob der wusste, wo Draco war und der hatte ihm gesagt, der er zumindest nicht in den Slytherinkerkern war. Nur hatte Harry keine Ahnung, wo er sonst sein sollte. Es regnete in Strömen, deswegen ging er davon aus, dass Draco nicht draußen war. Aber wo denn dann?
Ihm kam die Bibliothek in den Sinn und er ging sofort auf die große, steinerne Treppe zu, die in die oberen Stockwerke führte.
Im vierten Stockwerk lief er dann in die Bibliothek. Er ging alle Gänge ab, Draco fand er nicht, dafür aber - Überraschung! - Hermine.
»Was lernst du?«, fragte er sie. Sie hatte ein dickes Buch auf den Beinen liegen und blätterte darin.
»Ich komme nicht weiter beim Kräuterkunde-Aufsatz. Eigentlich wollte ich Neville fragen, aber der ist nicht hier. Wieso bist du denn hier, Harry?« Sie sah von ihrem Buch auf und rutschte in dem Lesesessel ein wenig zur Seite. Harry setzte sich halb auf die Lehne des Stuhls.
»Ich suche Draco. Er ist nicht draußen, nicht in den Slytherinräumen, nicht in der Großen Halle, nicht mal hier. Ich habe keine Ahnung, wo er sein kann.«
»Ist es denn so dringend? Naja, aber er könnte doch noch an vielen Orten sein.«
»Und die wären?«
»Vielleicht ist er im Krankenflügel.«
»Bezweifle ich.«
»Im Vertrauensschülerbad? Er ist doch Vertrauensschüler, oder?«
»Da war ich vorhin erst selbst baden. Ich glaube nicht, dass er da ist.«
»Kammer des Schreckens?«
»Hermine!«
»Ist ja gut. Ich weiß nicht, die Eulerei?«
»Er hat eine Eule, das stimmt, aber ich schätze nicht. Ich kann ja trotzdem mal nachsehen. Sonst noch was?«
»Raum der Wünsche, vorausgesetzt, er funktioniert noch.«
Harry kniff die Augen zusammen. An den Raum der Wünsche hatte er nicht gedacht. Aber es war eine gute Idee.
»Ich werd's mal probieren, Danke Hermine!«
»Wieso suchst du ihn überhaupt? Habt ihr eure Freundschaft wieder abgelegt und euch doch für die Feindschaft entschieden? Willst du ihn jetzt suchen, um ihm wieder ein Sectumsempra auf den Hals zu hetzen?«, fragte sie ironisch.
»Nein, ich kenne den Grund selbst nicht. Ich muss Draco finden, damit er ihn mir sagen kann. Bis später!«
Harry verließ die Bibliothek wieder und machte sich auf den Weg zum Westturm, in dem sich die Eulerei befand.
Als Harry die Eulerei betrat, sah er auf den ersten Blick, dass Draco nicht hier war. Es war kalt - die Fenster in den Wänden hatten ja keine Scheiben - und der Wind pfiff laut herein. Die meisten Eulen saßen still mit geschlossenen Augen da. Harrys Blick fiel auf eine Schneeeule und er drehte sich schnell weg, weil er nicht an Hedwig erinnert werden wollte.
Er lief die Wendeltreppe wieder runter und weiter zum Wandteppich, der gegenüber vom Raum der Wünsche hing. Zumindest gegenüber von dort, wo einmal der Raum der Wünsche gewesen war. Harry wäre sich ziemlich sicher gewesen, dass seine magischen Fähigkeiten durch das Dämonsfeuer ausgelöscht worden waren. Oder eher ausgebrannt.
Harry atmete einmal durch. Er begann vor dem Raum auf und ab zu gehen...bis er bemerkte, dass er keine Ahnung hatte, was er sich für einen Raum wünschen sollte. Er wusste ja nicht, was Draco sich für einen Raum gewünscht hatte - wenn er überhaupt da drin war. War es möglich, dass Harry sich einfach einen Raum wünschen konnte, in dem Draco sein sollte? Würde das funktionieren?
Er hatte ja keine Wahl. Er setzte sein Laufen fort und konzentrierte sich jetzt auf Draco. Dann blieb er stehen und schaute erwartungsvoll die Wand an.
Plötzlich tauchte eine hölzerne Tür auf, in die eine Schlange eingeritzt war.
Harry überlegte kurz, ob er klopfen sollte, entschied sich aber dagegen. Das war ja kein förmlicher Amtsbesuch oder so. Also öffnete er die Tür einfach.
Er blickte in ein helles, freundliches Zimmer - und in das aufgeschreckte Gesicht von Draco Malfoy, der auf dem Bett saß. Harry starrte ihn erstaunt an. Es hatte also geklappt.
»Harry Potter. Ich hoffe doch sehr, dass ich dich mir einbilde.«, sagte Draco langsam und sein Blick war immer noch entsetzt.
»Tust du nicht.«, erwiderte Harry schlicht. Er schloss die Tür hinter sich und schaute sich in dem Raum um. Auf einem Regal standen Bilder von Draco.
»Das hier ist dein Zimmer?«, fragte er interessiert.
»Ja, und deswegen rate ich dir, es wieder zu verlassen.«
»Wieso? Hältst du dir etwa Drachen als Haustiere? Draco, Drachenbändiger.«
»Nein. Aber mein Zimmer wurde noch nie von Harry Potter betreten. Und das sollte sich auch nicht ändern.«
»Na toll. Ist schon ziemlich unfair. Aber da trifft es sich ja eigentlich ganz gut, dass das hier nicht dein richtiges Zimmer ist, sondern nur der Raum der Wünsche. Hast du eigentlich wirklich diese Schlange in deine Tür geschnitzt? Das ist schon ziemlich Slytherin-haft, findest du nicht?«
»Harry, ich meine es ernst. Bitte geh.«
»Nein. Das habe ich gestern schon mal gehört und deswegen bin ich auch hier.«
»Hast du es eigentlich gerne, die Privatsphäre anderer Leute zu missbrauchen?« Draco stand vom Bett auf und trat einen Schritt auf Harry zu. Dieser trat einen zurück.
»Erzähl mir bitte, was Dumbledore dir gesagt hat. Was ist daran so schlimm?«
»Möchtest du das wirklich wissen? Das Problem bist du.«

Draco wusste, dass das etwas hart klang. Aber irgendwie war es wahr. Harry vor ihm sah ihn fragend an.
Draco war gesagt worden, was er jetzt tun musste. ›Entweder liebst du ihn und wirst dafür sorgen, dass sich diese Liebe erfüllt und erwidert wird oder sie wird dich für immer quälen. Jetzt oder nie, denn später wird die Wahl nicht mehr bleiben.‹
Und Draco wollte nicht für immer gequält werden. Er wollte die Wahl haben. Jetzt oder nie. Und diese Wahl traf er jetzt.
Er legte eine Hand an Harrys Wange und legte die Lippen auf seine.

Why? || DrarryWhere stories live. Discover now