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Als Draco sieben Jahre alt gewesen war, hatte er im Schreibtisch seiner Mutter einmal ein altes Foto gefunden. Darauf waren drei junge Mädchen gewesen, die alle lachten und sehr glücklich aussahen. Draco hatte seine Mutter und seine Tante Bellatrix sofort erkannt, aber das dritte Mädchen war ihm nicht bekannt vorgekommen, auch wenn es seiner Mutter und Tante sehr ähnlich sah. Als er etwas älter war, hatte er erfahren, dass er noch eine weitere Tante hatte, die aber der Familie nicht angemessen war. Draco hatte das Foto der drei Schwestern gemocht, sie hatten alle so jung und fröhlich ausgesehen. Aber er hatte seine Mutter nie nach dem Foto gefragt.
Nie hatte er seine zweite Tante kennengelernt, sie nie auch nur gesehen. Und so hatte er immer ein Bild eines jungen, hübschen Mädchens in seinem Kopf gehabt, wenn es um seine Tante ging.

Und als sich jetzt vor ihnen die Tür öffnete und eine Frau sie anlächelte, begriff Draco, dass sie die einzige der drei Schwestern war, die das Glänzen in den Augen behalten hatte, dass sie als junges Mädchen gehabt hatte.
Andromeda musste jetzt etwas jünger als fünfzig Jahre sein - eine junge Großmutter - aber sie war noch immer eine hübsche Frau. Sie sah vor allem Bellatrix sehr ähnlich, allerdings hatte Andromedas Schönheit etwas, das keine ihrer beiden Schwestern mehr hatte. Sie sah glücklich aus.
»Da seid ihr ja! Schön, dass ihr gekommen seid!«, lächelte sie und schloss Harry sofort in die Arme, der Dracos Hand dabei losließ.
»Es ist schön, dass das so spontan geklappt hat!« Sie ließ Harry wieder los und trat aus der Tür, um ihm Platz zu machen.
»Komm doch rein!« Harry ging an ihr vorbei in den Hausflur. Dann drehte sich Andromeda wieder zu Draco. Ihr Blick wurde nachdenklich und sie sah ihn lange an. Draco konnte dem Blick ihrer dunklen Augen nicht entsagen. Es war so seltsam. Es waren absolut Bellatrix' Augen, aber sie sahen so freundlich aus.
»Draco. Mein Neffe, schön, dass auch du da bist.«, sagte sie nach einer Weile und umarmte auch ihn lächelnd.
»Ich kenne dich nur von Fotos. Du bist wirklich ein hübscher Junge. Du siehst deinem Vater unglaublich ähnlich.«
»Du siehst Bellatrix sehr ähnlich.«, sprach Draco seine Gedanken aus. Sie nickte.
»Ich weiß. Ich konnte mir nie erklären, wie Narzissa blond sein und auch noch blaue Augen haben konnte, während Bellatrix und ich dunklere Haare und Augen hatten. Na gut, ich habe kein schwarzes Haar wie sie, aber dunkler als Narzissa.« Sie strich sich durch ihre hellbraunen Haare, die sie äußerlich am offensichtlichsten von ihrer älteren Schwester unterschieden.
»Aber das spielt ja auch keine Rolle. Komm rein, Draco.«
Also trat auch Draco an ihr vorbei in den hellen Hausflur. Andromeda schloss hinter ihm die Tür.
»Ihr könnt eure Rucksäcke erstmal dorthin stellen. Ja genau, da. Ich zeige euch nachher, wo ihr schlaft. Möchtet ihr etwas essen oder trinken? Ihr seid sicher hungrig. Ich schlage vor, ich zeige euch die Küche, dort habe ich ein paar Kekse. Dann könnt ihr euch mal ein bisschen hinsetzen und ich hole Teddy von oben. Einverstanden?« Draco lächelte über ihren Redefluss. Sie war in ihrem Wesen doch komplett anders als ihre Schwestern.
»Ja, Danke«, antwortete Harry für sie beide. Andromeda führte sie ihn die Küche. Auch sie war hell, große Fenster ließen das Tageslicht hineinfallen. Auf einem Fensterbrett stand eine Fangzähnige Geranie, die in Draco nur schlechte Erinnerungen an seine ZAG-Prüfungen erweckten. Er sah, wie auch Harry bei dem Anblick der Blume kurz das Gesicht verzog.
Sie setzten sich in die Sitzecke am Küchentisch. Ihnen gegenüber standen ein Hochstuhl für ein Baby und noch ein weiterer Stuhl. Andromeda stellte ihnen einen Teller mit Keksen hin. Die Frage nach Trinken verneinten sie beide.
»Gut, dann lasse ich euch kurz alleine. Ich werde Teddy mal holen gehen. Mal sehen, ob er noch schläft.«
»Danke, Andro-«
»Harry, bitte nenn mich Dromeda.«
»Gut, danke.« Sie schaute sich noch einmal um, ob sie noch etwas vergessen hatte und ging dann raus. Wenig später hörten sie, wie sie eine Treppe hochging.
»Ich habe dir gesagt, dass sie dich mögen wird.«, lächelte Harry und lehnte seinen Kopf an Dracos Schulter, während er nach einem Keks griff. Auch Draco nahm sich einen Keks.
»Es ist unglaublich.«, sagte Draco. »Es ist irgendwie, als würde ich sie schon ewig kennen, wahrscheinlich weil sie genauso ist wie meine Mom und Bellatrix. Aber andererseits ist sie komplett anders.« Harry nickte.
»Aber ich möchte dich auch nicht langweilen mit meinen Familienstudien. Du lernst gleich dein Patenkind kennen, Harry.«
»Du langweilst mich nie, Draco.«
Draco lächelte und küsste Harry auf die Stirn. Er konnte hören, wie Dromeda oben redete. Wüsste er nicht, dass sie mit ihrem Enkel redete, hatte es sehr nach Selbstgesprächen geklungen.
Er biss in den Keks und legte ihn dann auf den Tisch. Harry nahm seinen Kopf nun wieder von Dracos Schulter. Dieser hörte jetzt, wie Dromeda wieder die Treppe hinunter kam. Auch Harry legte seinen Keks wieder auf den Tisch.
Als Dromeda die Küche betrat, hatte sie einen kleinen Jungen auf dem Arm, dessen Haare auffällig blau leuchteten. Dromeda bemerkte lächelnd Dracos verwunderten Blick auf Teds Haare.
»Als ich ihn vorhin hingelegt habe, waren sie noch braun.«, sagte sie amüsiert und ging zu Harry um den Tisch herum. Vorsichtig überreichte sie ihm das Kind.
»Schau mal, Teddy, das ist dein Pate; Harry. Ich habe dir schon von ihm erzählt.«
Teddy saß auf Harrys Schoß - dieser hielt seinen Kopf und Rücken aufrecht - und sah mit seinen großen braunen Augen in die grünen Harrys'. Teddy hatte kleinkindliche Apfelbäckchen, eine kleine Stupsnase und lange Wimpern. Auffällig waren die Sommersprossen auf seiner Nase, denn sogar Draco wusste, dass man mit einem halben Jahr noch keine Sommersprossen hatte.
Neugierig streckte das Kind seine kleinen Hände Harrys Gesicht entgegen und der nahm eine Hand von seinem Rücken, um sie Ted hinzuhalten. Die kleinen Finger schlossen sich sofort um Harrys Zeige- und Mittelfinger.
»Hey, kleiner Teddy! Na du bist ja ein hübsches Kind! Hast du schon auf uns gewartet?«, begann Harry sanft mit dem Kleinen zu reden. Draco schmolz dahin, als er beobachtete, wie liebevoll Harry war. Und er konnte das Lächeln nicht mehr zurückhalten, als Harry Teddy am Hals kitzelte und dieser ein glockenhelles Kinderlachen ausstieß.
»Er hat gute Laune, er ist ausgeschlafen.«, kommentierte Dromeda sein Lachen und Draco sah in ihrem Gesicht, wie sehr sie sich darüber freute, wie liebevoll Harry mit seinem Patenkind umging.
Draco beobachtete lächelnd, wie Harry sich in einem Austausch aus Ga- und Ma-Lauten mit Teddy verständigte. Dessen kleine Babyaugen leuchteten immer erfreuter, und vielleicht bildete Draco es sich ein, aber die vorher braunen Augen schienen immer näher an den Grünton von Harrys Augen heranzukommen. Es war erstaunlich, wie aktiv der Metamorphmagus in dem kleinen Jungen zu sein schien.
Draco lehnte sich leicht gegen Harry und streichelte vorsichtig über die blauen Haare.
»Ich bin mir sicher, dass er euch lieben wird.«, sagte Dromeda. »Außer mir kennt er nicht viele Leute. Ein paar Nachbarn sehen wir manchmal beim Spazierengehen, aber das sind Muggel und die benehmen sich manchmal ein bisschen komisch. Ich muss Teddy draußen immer eine Mütze aufsetzen, weil ich mir ziemlich sicher bin, dass es ein wenig komisch für die Muggel wäre, wenn sie bemerken würden, dass sich seine Haarfarbe ändert. Das mit den Augen merkt sicher niemand, ich kann ihm ja auch schlecht eine getönte Brille aufsetzen.
Naja, jedenfalls, er wird euch lieben.« Draco hatte ihr interessiert zugehört und dabei nicht gemerkt, dass Harry ihn fragend anblickte. Und Teddy schien dessen Blick gefolgt zu sein und so starrte das kleine Kind ihn jetzt auch mit großen Augen an, als hätte es Draco vorher noch nicht bemerkt. Draco erwiderte verwirrt die Blicke der beiden grünen Augenpaare.
»Möchtest du ihn auch mal nehmen?«, fragte Harry und wartete auf eine Reaktion. Draco nickte einfach und beobachtete, wie Harry seine Hände unter Teddys Arme schob und ihn vorsichtig auf Dracos Schoß hob.
Es wirkte, als hätte Teddy seine kindliche Neugier und Verspieltheit plötzlich abgelegt. Er starrte Draco einfach weiterhin mit großen Augen an. Draco fühlte sich, als würde er eine Babbelhäschen-Kostüm tragen. Vielleicht hatte Teddy auch noch nie blonde Haare gesehen, aber das erschien Draco unwahrscheinlich, wo Teddy doch selbst jede beliebige Haarfarbe annehmen konnte.
Draco nahm Notiz davon, dass Harry anfing zu grinsen. Wahrscheinlich sah es wirklich ein wenig komisch aus, wie das eben noch so lebendige, lachende Kind jetzt Draco anstarrte wie einen Irren. Langsam fühlte Draco sich auch so. Aber solange Teddy nicht anfing zu weinen, ging es ja noch.
Plötzlich wandte der Kleine ruckhaft den Kopf zu Harry, als wäre der plötzlich wieder in seinem Blickfeld erschienen. Teddy gab ein ›Ba‹ von sich und schaute jetzt wieder zu Draco. Und der Slytherin war erleichtert, als auch er endlich von dem Baby angelacht wurde.

Why? || DrarryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt