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Draco lag auf dem Bauch in seinem Bett. Auf seinem Kopfkissen kletterte Gilderoy. Seine Beine waren so groß wie Dracos kleinster Fingernagel und sie waren nicht mal viel dicker als seine Haare. Das Kopfkissen war für den Kleinen wahrscheinlich wie, als würde er ein Gebirge durchqueren. Oft fiel er hin und rappelte sich tollpatschig wieder auf. Es war unglaublich niedlich.
Draco war sich sicher, dass der kleine Diricawl noch nicht apparieren konnte. Abgesehen davon, dass er sowieso noch viel kleiner und schwächer als die anderen war, hatte er schon solche Schwierigkeiten mit dem einfachen Laufen. Aber Gilderoy war unerbittlich und kämpfte sich Stück für Stück weiter auf Dracos Kopfkissen voran. Die winzigen Krallen kratzten auf dem Bezug.
Es war erst acht Uhr. Draco wünschte sich, er würde schon schlafen. Aber das konnte er nicht. Er hatte zu viele wirre Gedanken im Kopf. Er dachte über das nach, was heute geschehen war - und damit meinte er nicht, dass er in Verwandlung eine Ermahnung und weitere fünf Punkte Abzug für Slytherin von McGonagall erhalten hatte, weil er zu spät gekommen war.
Es ging um Harry Potter. Draco konnte noch immer nicht fassen, dass es ihnen gelungen war, sich über eine Stunde engster Partnerarbeit hinweg nicht umzubringen. Sie hatten sich nicht mal ignoriert. Sie waren miteinander ausgekommen, sie hatten sogar miteinander gelacht. Draco Malfoy und Harry Potter! Und Draco war etwas aufgefallen. Er konnte Potter nicht mehr hassen. Er war eigentlich ganz okay und Draco fühlte sich - um ehrlich zu sein - ein wenig zu Potter hingezogen. Er wusste natürlich, dass eine Freundschaft nie möglich sein würde, aufgrund der unzähligen Sachen, die Draco ihm angetan hatte. Auch wenn er jetzt ehrlich bereute, was er Potter angetan hatte, würde dieser ihm das nie glauben. Auch wenn Draco den Hass und die Feindschaft gegenüber ihm jetzt abgelegt hatte, würde Potter das nie tun - und das war Dracos eigene Schuld. Er hatte es sich vermiest.
Es klopfte an die Tür. Draco tat nichts.
»Draco?«, Pansy öffnete die Tür und steckte ihren Kopf hinein. Draco wünschte, er hätte abgeschlossen. Pansy schloss die Tür hinter sich und setzte sich einfach auf Dracos Bettrand.
»Wolltest du nicht... Hey! Diese blöden Viecher. Ehrlich, ich hasse Hagrid!« Sie hatte Gilderoy auf Dracos Kopfkissen entdeckt und nahm in grob mit der Hand und schmiss ihn fast in seinen Käfig.
»Hey!«, sagte Draco empört. »Du bringst ihn ja um!«
»Draco, komm schon, es hat dich nie gestört, Schwächeren etwas zu Leide zu tun!«, grinste Pansy.
Ja, und genau das bereue ich jetzt wie nichts anderes in meinem Leben!, dachte Draco angewidert.
»Pansy, bitte geh, ich muss noch Hausaufgaben für Verwandlung machen.«, log er.
»Wir haben keine Hausaufgaben in Verwandlung aufbekommen, Draco.«
»Die alte McGonagall hat mich nach der Stunde nochmal zu sich gerufen. Ich muss noch was machen, als Strafe fürs Zu-Spät-Kommen.«, log Draco weiter.
»Dann helfe ich dir!« Wie nervig konnte dieses Mädchen eigentlich sein?
»Nein, Pansy«, sagte Draco - diesmal mit Nachdruck. Sie schaute ihn verwundert an.
»Ich mach das lieber alleine.« Sie schien sich nicht ganz sicher, verließ das Zimmer aber.
Draco schwang die Beine übers Bett und ging zum Käfig. Gilderoy sah ein wenig zerzaust aus, wirkte aber munter.
»Komm Kleiner«, sagte Draco, als er ihm die Hand hinhielt. Gilderoy krallte sich in seinen Daumen und Draco setzte ihn auf seinen Tisch, der direkt neben seinem Bett stand. Draco ließ sich wieder auf die Matratze fallen.

Harry saß im Gemeinschaftsraum und schrieb Hermines Notizen aus Geschichte der Zauberei ab.
»Och, wieso bin ich nicht der Auserwählte? Wieso habe ich nicht Voldemort umgebracht? Dann würde McGonagall mir auch erlauben, am Wochenende zu verreisen.«, jammerte Ron.
»Weil deine Eltern noch leben«, stellte Hermine fest.
»Ich hätte dich ja mitgenommen«, sagte Harry zu seinem besten Freund, »aber McGonagall will nicht, dass mehr Schüler gehen, als sein muss.«
»Ich weiß, aber ich wäre trotzdem gerne mitgekommen«
»Dafür ist ja morgen Quidditchauswahl von Gryffindor!«, versuchte Harry es. Er wusste, dass Ron unbedingt wieder Hüter werden wollte. Harry war trotz einem Jahr Abwesenheit wieder zum Quidditchkapitän ernannt worden (was bedeutete, dass er auch wieder das Bad der Vertrauensschüler nutzen durfte). Er hoffte, dass ihm der Posten des Quidditchkapitäns im Jahr seiner UTZ's nicht über den Kopf wuchs. Andererseits wusste er, dass Quidditch eine wunderbare Art der Ablenkung war.
»Außerdem«, sagte Hermine zu Ron, »Reg dich mal nicht auf! In Pflege magischer Geschöpfe hast du ja wohl die allerbeste Gruppe erwischt. Dean und Parvati! Ich habe Nott und Bullstrode.« Harry wusste, dass Hermine Millicent Bullstrode besonders seit ihrem zweiten Jahr hasste, als sie sich mit dem Vielsafttrank nicht in das bullige Slytherinmädchen verwandelt hatte, sondern in dessen Katze.
»Seid ihr mal leise, ich habe Malfoy!«, warf Harry ein.
»Und Neville«, argumentierte Hermine. »Der ist viel besser als Nott und Bullstrode!«
»Hermine, weder Theodore noch Millicent haben dir deinen Finger durchgeschnitten! Das war nämlich der liebe Draco bei mir!« Harry hatte nun mal das beste Argument gebracht.
»Aber du hast gesagt, dass es nicht so schlimm war! Ihr habt gelacht!«, neckte Hermine.
»Hermine Jean Granger, du bist unmöglich!«, lachte Harry.
»Jetzt klingst du ja wie meine Mom, Harry.«
»Hört ihr mal bitte auf?«, fragte Ron grinsend. »Jetzt hat ja niemand mehr Mitleid mit mir!«
»Oh, sollen wir deine Mami holen, Wonwon?«, fragte Harry und er wusste, dass Ron Nichts mehr hasste, als Lavenders Spitznamen - na gut, außer vielleicht Draco Malfoy.
»Ich hasse dich, Harry.«, sagte Ron und schob wie ein kleines Kind beleidigt die Unterlippe vor. Harry und Hermine lachten.
»Danke Hermine!«, sagte Harry und schob ihr ihre Notizen zu.
»Pass das nächste Mal einfach auf.« Harry wollte sich schon rechtfertigen, dass man bei Professor Binns nicht mal zuhören konnte, wenn man es wollte, aber in dem Moment ließ Ginny sich auf Harrys Armlehne nieder.
»Wir müssen reden, Ginny!«, sagte Harry, ohne, dass er es wollte.
»Wenn du meinst«, sagte Ginny sorglos.
»Nicht hier«, sagte Harry, stand auf und zog sie an der Hand zu den Jungenschlafsälen. Noch gestern war er sich nicht sicher gewesen, ob er mit ihr Schluss machen sollte. Heute wusste er das. Ginny war nicht die, die ihn glücklich machte.
Seamus und Dean saßen auf Deans Bett, aber als sie sahen, dass Harry mit Ginny hereinkam, verließen sie den Raum. Seamus zwinkerte Harry im Gehen zu.
»Setz dich«, sagte er zu Ginny und deutete auf sein Bett. Mit einem Lächeln setzte sie sich. Sie klopfte auffordernd auf die Matratze neben sich. Doch Harry ignorierte ihre Bitte. Er ging nervös vor dem Bett auf und ab.
»Ginny, ich habe dich wirklich gern« - ihre Mundwinkel hoben sich weiter - »aber« - sofort fiel ihr Lächeln ein - »ich muss dir trotzdem etwas sagen.«

Ginny Weasley saß auf dem Bett von Harry Potter und hörte geschockt seinen Worten zu.
»Ich will dich wirklich nicht verletzen, Ginny, aber ich möchte dir auch nichts vorspielen. Ich habe in letzter Zeit, also das heißt seit dem Krieg, also noch nicht direkt nach dem Krieg, und ich meine eigentlich auch gar nicht den Krieg, sondern die Schlacht, also die Schlacht von Hogwarts, also jedenfalls seit dann habe ich..., und naja es ist so, dass ich dich, und das ist wirklich nicht persönlich gemeint, also naja ist es ja irgendwie schon, aber weißt du, es ist so eine Sache, dass du und ich, also es liegt schon an mir und nicht an dir, weil ich bin es ja, der, naja, du weißt schon, nicht mehr so ganz und so richtig nicht mehr, aber auch wirklich erst seit nach dem Krieg, also nach der Schlacht-«
»Harry!«, unterbrach Ginny ihn. Sie hatte ihn nie so nervös erlebt. Und so schuldbewusst. Aber sie war nicht dumm. Sie ahnte, was er sagen wollte. Mit tränenbelegter Stimme fragte sie:»Du machst also mit mir Schluss?«
»Es tut mir leid.« Harry war stehen geblieben. Ginny flossen die Tränen über die Wangen. Wie konnte Harry nur? Doch plötzlich wich die Trauer in ihr Wut.
»Harry Potter«, sagte sie mit hysterischer Stimme, »Wie kannst du nur? Du machst mit mir Schluss? Findest du das eigentlich lustig? Spielst du mit mir? Erst küsst du mich. Dann musst du mich verlassen, weil du deine blöden Horkruxe suchen musst. Dann an deinem Geburtstag küsst du mich wieder. Dann kommen wir wieder zusammen. Wir überleben den Krieg beide. Und jetzt das? Soll das ein Scherz sein? Weißt du eigentlich wie das ist? Nein, weißt du nicht! Du weißt ja nicht mal, wie es ist ein Normal-Sterblicher zu sein, denn du bist ja Harry Potter! Bin ich jetzt nicht mehr gut genug für dich? Möchtest du lieber jemanden auf deinem Niveau? Kein blödes Weasley-Mädchen mit roten Haaren, Sommersprossen und sechs, halt nein FÜNF Brüdern? Der sechste Bruder ist ja leider in der Schlacht gestorben! Und weißt du, für was er gestorben ist? Für dich. Und du machst mit mir Schluss? Willst du jetzt Ron Hermine ausspannen? Oder ist Hermine dir auch nicht gut genug? Denkst du eigentlich auch jemals an die anderen? Denkst du jemals nicht an dich? Wahrscheinlich nicht, denn du bist ja Harry Potter, eine Klasse für sich. Du bist ein verdammter Idiot, Harry!« Sie stand auf und verließ mit wütenden Schritten den Schlafsaal. Sie stürmte durch den Gemeinschaftsraum und die Treppe zu den Mädchenschlafsälen hoch.
»Ginny!«, hörte sie Ron rufen, aber sie wollte jetzt mit niemandem reden. Harry Potter hatte mit ihr Schluss gemacht, dieser arrogante Idiot!

Why? || DrarryOù les histoires vivent. Découvrez maintenant